Die US-Panzerkaserne Böblingen und die Militärregion Stuttgart

Dass die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in Militärangelegenheiten gut funktioniert, hat sich mittlerweile herumgesprochen.[1] Ein als „mustergültig“ geltendes Projekt solcher Zusammenarbeit wurde Mitte September 2015 eingeweiht: die neue High School der US-Army auf dem Gelände der Panzerkaserne in Böblingen. 65 Millionen Euro hat das Projekt gekostet. Es ist für 1.200 Schüler_innen eine neue hochmoderne Schule und gleichzeitig für die die rund 22.000 Militärangehörigen der US-Armee in der Militärregion Stuttgart ein neuer Attraktivitätsfaktor.[2]

Die Region Stuttgart ist dabei jedoch nicht nur für Militär attraktiv, sondern auch militärisch brisant. Sowohl die Bundeswehr als auch die US-Army unterhalten in ihr militärische Liegenschaften. Neben einem großen Karrierecenter mit Assessment-Center auch für höhere Dienstgrade befinden sich für die Bundeswehr in Stuttgart zudem noch das Landeskommando Baden-Württemberg, Teile des Militärischen Abschirmdienstes (MAD-Gruppe V, MAD Stelle 51) und weitere kleinere Dienstleistungszentren der Bundeswehr wie das Kompetenzzentrum Baumanagement. Auch die Landesgeschäftsstelle des Verbands der Reservisten Baden-Württemberg oder die Heimatschutzbrigade 65[3] haben sich größtenteils in der Theodor-Heuss-Kaserne oder an der Heilbronner Straße 186 eingerichtet.

Für die US-Army zeichnet sich ein weitaus komplexeres Bild. Vier große Kasernen bilden dessen Kern: die Patch-Barracks in Stuttgart-Vaihingen, die Kelley-Barracks in Stuttgart-Möhringen, die Robinson-Barracks als reine Wohnkaserne mit Schule in Stuttgart-Bad-Cannstatt sowie die Panzerkaserne in Böblingen. Zudem sind ein Teil des Flughafens Stuttgart – das US-Army Airfield in Leinfelden-Echterdingen –, sowie kleinere Außenstellen wie das Lagerhaus „6th ASG CFMO Warehouse“ in Stuttgart-Weilimdorf, das allerdings bis 2018 verlegt werden soll,[4] militärisch genutzt.

Die Kelley-Barracks sind mit dem US-Afrika-Kommando AFRICOM und dem von ihm ausgehenden Drohnenkrieg schon weit über Stuttgart hinaus bekannt.[5] Auch bekannt sind die Patch-Barracks mit dem Europa-Kommando EUCOM der US-Army.[6] Dieses ist federführend beispielsweise bei der Verlegung der US-Kontingente an die NATO-Ostgrenze in der zunehmenden Krise mit Russland. Zudem zeichnet es verantwortlich für die letzten in Europa stationierten Atomwaffen, wie in Büchel bei Kaiserslautern. Auch das Europabüro des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) bzw. des Central Security Service (CSS) liegt auf dem Gelände der Patch-Barracks.

Weit weniger bekannt sind die weiteren Einheiten, die in der Militärregion Stuttgart stationiert sind. In den Patch-Barracks befindet sich das Special Operations Command Europe (SOCEUR). Kommandant dieses Kommando Spezialkräfte ist Gregory J. Lengyel. Das Kommando ist dem EUCOM direkt unterstellt und koordiniert sämtliche Spezialkräfte für Einsätze in Europe beispielsweise auch während der Jugoslawienkriege oder bei großen Übungen in Osteuropa. Direkt ihm unterstellte Einheiten befinden sich mit dem luftlandefähigen Sondereinsatzkommando (1st Bataillon der 10th Special Forces Group) sowie mit dem Marinekommando für Spezielle Kriegsführung (Navy Special Warfare Unit 2 der Naval Special Warfare Group 2) auch in der Region Stuttgart in der Panzerkaserne. Eine wichtige Aufgabe dieser Einheiten waren gemeinsame Übungen in Osteuropa mit den Spezialkräften dieser Länder. Darüber hinausgehende Aktivitäten sind in der Natur der Sache dieser Einheiten liegend kaum bekannt.

Eine weitere Einheit ist die 554th Military Police Company in der Böblinger Panzerkaserne. Sie ist Teil des 709th Military Police Battalion (Grafenwöhr), welches wiederum Teil der 18th Military Police Brigade (Sembach) ist und damit der 21st Theater Sustainment Command (Kaiserslautern) untersteht. Als Spitznamen trägt die in der Militärregion Stuttgart stationierte Einheit den Namen „War Dawgs“ – umgangssprachlich für Kriegshunde. Diese Einheit war auch für die Ausbildung von Polizei und für Razzien in Irak und Afghanistan verantwortlich. Zudem wird sie eingesetzt, um in großen Militärübungen in Osteuropa die dortigen Streitkräfte und Militärpolizeien auszubilden, beispielsweise in der Übung Unified Passage 2015.

Schließlich, wenn auch nicht vollständig, sind als wichtige Einheit die Marine Forces Europe and Africa als Teil des Marine Corps der US-Army in der Panzerkaserne zu finden. Diese Einheit der Marines beteiligte sich sowohl an Kampfhandlungen im Kosovo als auch an der Operation Enduring Freedom sowie Iraqi Freedom. Auch sie nimmt an den aktuellen Übungen an den östlichen Rändern der NATO teil. Sie alle profitieren von der guten deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit und den Kriegsstrukturen, die in den militärischen Liegenschaften zu finden sind und – wie das Beispiel der neuen High School zeigt – auch weiterhin ausgebaut werden.

Anmerkungen

[1] Vgl. Mickan, Thomas (2015): AFRICOM und EUCOM in Stuttgart. Zusammenarbeit und Widerstand. In: AUSDRUCK 1/2015, S. 22-23.

[2] Wicke-Naber, Gerlinde (Stuttgarter Nachrichten, 19.9.2015): US-Army weiht High School Stuttgart ein.

[3] Kirsch, Martin (2013): Der neue Heimatschutz der Bundeswehr. In: AUSDRUCK 3/2013, S. 1-9.

[4] Mickan (2015): AFRICOM und EUCOM in Stuttgart.

[5] Vgl. Fuchs, Christian/Goetz, John (2013): Geheimer Krieg. Rowohlt, insbesondere S. 27f. Auch in Zusammenarbeit mit dem in den Patch stationierten 52D Signal Battalion sowie dem Defense Information Systems Agency (DISA/ bzw. DITCO) und der 66th Military Intelligence Brigade.

[6] AFRICOM & EUCOM (2011): Rüstungsatlas Baden-Württemberg, Informationsstelle Militarisierung, S. 13.

Beitrag von Thomas Mickan

Erstveröffentlichung auf Informationsstelle Militarisierung e.V. am 22.9.2015