Verfassungsgericht: Regierung entscheidet „ausnahmsweise“ selbst über Militäreinsatz
Karlsruhe: Regierung musste während Vorbereitung der Libyen-Invasion in 2011 kein Mandat des Bundestages für bewaffneten Bundeswehr-Einsatz einholen, auch nicht im Nachhinein. Geklagt hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, deren Führung vor dem Militäreinsatz in Libyen selbst eingeweiht gewesen war.
Wie das Bundesverfassungsgericht heute urteilte, musste die Regierung im Vorfeld des Angriffskrieges gegen Libyen im Frühjahr 2011 kein Parlamentsmandat für ihren im Geheimen angeordneten Einsatz bewaffneter Streitkräfte der Bundeswehr in Libyen einholen – auch nicht im Nachhinein. Nötig dafür ist lediglich eine von der Regierung selbst erklärte und definierte „Gefahr im Verzug“. Selbst wenn das Parlament im Nachhinein die Zustimmung zum „bewaffneten Einsatz der Streitkräfte“ verweigert, bleibt dieser laut Karlsruhe verfassungsgemäß. Das Gericht lässt lediglich die Möglichkeit eine spezifische Behauptung der Regierung über „Gefahr im Verzug“ vor dem Bundesverfassungsgericht im Nachhinein anzufechten. Am konkreten Mandat der Regierung über die Bundeswehr zum gegebenen Zeitpunkt ändert das, laut dem heutigen Urteil, nichts. Damit hebt das Verfassungsgericht den unbedingten Parlamentsvorbehalt gegenüber von Regierung angeordnetem Militäreinsatz und Kriegführung faktisch auf.
Im Urteil 2 BvE 6/11 heisst es:
„Bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung ausnahmsweise berechtigt, den Einsatz bewaffneter Streitkräfte vorläufig allein zu beschließen.“
Und weiter:
„Im Fall von Gefahr im Verzug ist der Bundesregierung eine auf den Einzelfall bezogene Eilzuständigkeit zur Anordnung eines Einsatzes bewaffneter Streitkräfte eröffnet. Obwohl die Wahrnehmung der exekutiven Eilkompetenz stets eine Beeinträchtigung des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts darstellt, bedarf diese Anordnung keiner rückwirkenden rechtsgestaltenden Legitimierung durch den Bundestag. Die gebotene unverzügliche parlamentarische Befassung nach Beginn des Einsatzes..hat nicht die Wirkung einer Genehmigung mit der Folge, dass im Falle einer Versagung der parlamentarischen Zustimmung der Einsatz von Anfang an rechtswidrig wäre“
Wie Radio Utopie im Vorfeld des Angriffskrieges gegen Libyen berichtete, waren bereits zwei Tage vor Beginn des vermeintlichen „Aufstands“ in Libyen, am 15. Februar 2011, vier Kriegsschiffe der Bundeswehr aus Wilhelmshaven „Richtung Mittelmeer“ ausgelaufen: der Einsatzgruppenversorger A 1411 Berlin, die Fregatte F 209 Rheinland-Pfalz und die Fregatte F 123 Brandenburg.. Sie wurden nachfolgend vor Libyen bzw in dessen Gewässern eingesetzt – ebenso Sondereinheiten vom Kommando Spezialkräfte (K.S.K.). Angeblich diente dies alles der Bergung von „Flüchtlingen“, der „möglichen Geiselbefreiung“, sowie der Evakuierung deutscher Staatsbürger. Die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien des Bundestages waren bezüglich „Operation Pegasus“ vorab eingeweiht worden– namentlich auch Dr. Gregor Gysi. Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie deckten also gemeinsam diese Vorbereitung zum Angriffskrieg gegen Libyen.
Artikel 87a Absatz 2 Grundgesetz:
„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“
Artikel 26 Absatz 1 Grundgesetz:
„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Der Libyen-Krieg dauert bis heute an.
Das Bundesverfassungsgericht führt mit seinem heutigen Urteil seine langjährige Zersetzung von Republik, Grundgesetz und Zivilgesellschaft fort.