Pressemitteilung vom Aktionsbündnis gegen „Stuttgart 21“ (S21) vom 08.10.2015
S21-Urteil: Der Verursacher zahlt die hohen Mehrkosten
Die Deutsche Bahn AG muss wohl selbst die 2,3 Milliarden Euro zahlen, um die nach ihrem Eingeständnis vom Dezember 2012 das Projekt „Stuttgart 21“ mindestens teurer wird als die vertraglich vereinbarten 4,5 Milliarden Euro. Denn für diese Mehrkosten müsse wahrscheinlich haften, „wer die Überschreitung verursacht hat und in wessen Risikosphäre sie fällt“. So entschied es das Verwaltungsgericht Stuttgart mit einem in dieser Woche zugestellten Eilentscheid vom 30. September 2015 (7 K 3612/15).
Nach der Ablehnung des Bürgerbegehrens „Storno 21“ Anfang Juli im
Stuttgarter Gemeinderat hatte Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, zugleich Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, das Eilverfahren für S21-Gegner eingeleitet.
Den Gerichtsentscheid bewertet der Anwalt als „wichtiges Signal gegen
die schleichende Verdunkelung bei S21“. Jetzt müsse der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sich ganz neu seiner gesetzlichen Pflicht stellen, die Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit dieses Projekts zu beachten. Denn die Bahn könne sich jetzt als alleiniger Vorhabenträger an ihrer
Verantwortung als Kostenverursacher nicht mehr vorbeimogeln. Auch deren Projektpartner – speziell die Stadt Stuttgart und das Land
Baden-Württemberg – dürften sich nun „nicht länger wegducken, sonst
könnten sie beim unvermeidlich nächsten Kostenanstieg leicht zur Geisel der Bahn werden“.
Erwartungsgemäß habe das Gericht wegen teilweise schwieriger
Rechtsfragen zwar einen Bürgerentscheid nicht im „Hauruck-Verfahren“ anordnen können. Dennoch habe der Eilantrag sich für die S21-kritische Bürgerschaft im Interesse der Landeshauptstadt gelohnt: Denn das Gericht habe den drei Jahre lang verheimlichten milliardenschweren Kostenanstieg prinzipiell als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ eingestuft und nur offen gelassen, ob die Stadt Stuttgart den S21-Vertrag nun kündigen oder „nur“ verlangen könne, ihn zu Lasten des Verursachers der neuen Lage anzupassen.
Rechtsanwalt von Loeper kritisierte die Vertretung der Stadt Stuttgart,
die immer noch „denkbar bürgerunfreundlich formalistisch“ argumentiere. Vor Gericht gescheitert sei sie mit ihrer Position, das Bürgerbegehren wegen der langen Laufzeit des Sammelns der 20.000 Unterschriften als „verwirkt“ abzuweisen. Allerdings habe, so von Loeper, auch das Verwaltungsgericht den hohen Rang von Bürgerbegehren als Korrektiv gegenüber Mängeln der Parteiendemokratie zu wenig beherzigt. Gerade beim Großprojekt S21 sei diesem Leitgedanken Geltung zu verschaffen.
Die Antragsteller werden die gerichtliche Eilentscheidung nicht anfechten.