Der Mufti
Fortsetzung des Artikels „Adolf, Amin und Bibi“
EINIGE MEINER Freunde haben sich bei mir beklagt, mein letzter Artikel enthalte eine terminologische Ungenauigkeit, so hätte es jedenfalls Churchill ausgedrückt.
Ich habe geschrieben, dass beim Hitler-Husseini-Treffen die Juden nicht erwähnt worden wären. Das ist eine grobe Übertreibung. Jeder, der auch nur irgendetwas über Hitler weiß, weiß auch, dass der „Führer“ nicht drei Sätze äußern konnte, ohne dass er die Juden erwähnt hätte (das ist wieder eine grobe Übertreibung).
Die englische Version des offiziellen Transkriptes enthält im Ganzen etwa 2250 Wörter. Die Juden werden zwölfmal erwähnt: dreimal von Hadschi Amin und neunmal von Hitler. Hitler benutzte seine Standardausdrücke, der Mufti offenkundige Schmeicheleien. Keiner von beiden sagte etwas Neues. Hitler wies alle Bitten des Muftis höflich zurück.
Nach Hitlers Meinung regierten die Juden Britannien und die Sowjetunion (die USA waren noch nicht in den Krieg eingetreten). Wenn Italien und Japan auf der Gegenseite gewesen wären, hätte Hitler sie seiner Liste bestimmt hinzugefügt.
Zum damaligen Zeitpunkt, im November 1941, war die Vernichtung der Juden durch die „Einsatzkommandos“ bereits in vollem Gange. Offenbar wusste der Mufti nichts davon und Hitler erzählte es ihm auch nicht. Es war Staatsgeheimnis Nummer 1.
Das Transkript ist seit Langem bekannt. Wenn Netanjahus absurde Behauptungen zutreffend gewesen wären, hätte unsere super-effiziente Propagandamaschine uns und die übrige Welt Tag für Tag mit der Nase darauf gestoßen.
Was die Beachtung des Muftis durch die Nazis angeht: Hadschi Amin blieb noch vier Jahre, bis zum Kriegsende, in Deutschland. Über seinen Aufenthalt in Deutschland ist nichts bekannt. Hitler empfing ihn nicht noch einmal. So wichtig wurde er genommen.
Übrigens: Diese Woche war Netanjahu gezwungen, eine Art Dementi abzugeben – ein Dementi auf die Netanjahu-Art. Darin heißt es: Hitler war für den Holocaust verantwortlich. Keine Entschuldigung.
1. November 2015
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler