Warum nicht Konzentrationslager?
Keine Denkverbote
Nachdem die belgische Hauptstadt Brüssel schon den dritten Tag mit der „höchsten Terrorwarnstufe“ in Atem gehalten wird – terrorisiert darf man da ja wohl nicht sagen – muss natürlich davon ausgegangen werden, dass auch Österreich etwas gegen den Terrorismus unternehmen muss. Zu der von der Innenministerin nach „Charlie Hebdo“ geforderten Aufrüstung der polizeilichen Sondereinheiten „im dreistelligen Millionenbereich“ – darunter etwa Kampfhelikopter und gepanzerte Fahrzeuge – ist es bis dato noch nicht gekommen, zumindest wurde nix darüber öffentlich bekannt.
Neuerdings besinnen sich bestimmte Kreise, zu denen offenbar auch die Innenministerin gehört, auf gewisse „Werte,“ die in diesem Fall schon älteren Datums sind und in der Zeit des geistigen Ahnvaters der reaktionären „christlichen“ Österreichischen Volkspartei hoch im Kurs standen, dessen Konterfei den Parlamentsklub besagter Partei ziert. Da werden die Erleuchtungen nur so vom Himmel purzeln und Träume aus der Zeit des Dollfuss/Schuschnigg-Regimes – einer ausgewachsenen faschistischen Diktatur mit allem Pipapo – rücken geistig wieder in die Nähe, soweit man da von Geist sprechen kann, Ungeist muss es hier wohl heißen.
Obwohl sie als Mitglied der Bundesregierung einen Eid auf die Verfassung abgelegt hat, schwärmt die Ministerin für Maßnahmen, die eindeutig gegen die Verfassung gerichtet sind. So nebenbei ist sie auch für den Verfassungsschutz zuständig, ein beruhigender Gedanke: -))
Da es sich hierzulande kaum jemand leisten kann/will, sich mit dieser Clique anzulegen, verläuft die öffentliche Diskussion entsprechend „zurückhaltend“. Als Beispiel dafür hier eine Mitschrift des entsprechenden Teils des Mittagsjournals vom 23.11.2015 im Kultursender Ö1:
Österreich ist vom islamistischen Terror bis jetzt verschont geblieben. Trotzdem drängt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP auf eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen. Im Interview für den Kurier hat die Innenministerin am Wochenende Hausarrest und Fußfesseln für Jihadisten vorgeschlagen, um Anschläge zu verhindern. Bevor wir hören, wie sie sich das genau vorstellt, stellen wir die Frage: „Geht das rechtlich überhaupt?“
Antworten der Juristen:
Jihad-Heimkehrer vorbeugend in Untersuchungshaft zu nehmen und sie unter elektronischen Hausarrest zu stellen, das ist rechtlich problematisch,
sagt Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk:
Es müsste ein konkreter Tatverdacht vorliegen. Die Tatsache allein, dass jemand sich hier möglicherweise in einem Land aufgehalten hat oder sich vielleicht als Jihadist betätigt haben könnte und aus einem solchen Land kommt, die Tatsache allein genügt nicht.
Wenn ein solcher Verdacht besteht, gibt es jetzt schon die Möglichkeit, Untersuchungshaft zu verhängen, sagt Strafrechtler Klaus Schweighofer von der Leopold Franzens Universität in Innsbruck:
Die Person würde dann zunächst allenfalls festgenommen, aber spätestens nach 48 Stunden muss über eine Untersuchungshaft entschieden werden, und da gelten dann die richterlichen Kontrollmaßnahmen der Strafprozessordnung.
Denkbar wäre es allenfalls, die elektronische Fußfessel als mildere Form der Untersuchungshaft einzuführen, so Schweighofer.
Das wäre natürlich möglich – aufgrund eines entsprechenden richterlichen Beschlusses, aber bloß einfach Anordnung von Hausarrest plus durch die Polizei, ohne Verdacht, das halte ich für völlig unvertretbar.
Technische Bedenken hat außerdem Strafrechtler Alois Pirklbauer von der Johannes Kepler-Universität Linz. Er sagt, dass im derzeitigen Fußfesselsystem Personen nicht permanent per GPS überwacht werden, sondern dass lediglich kontrolliert sind, ob sie zu bestimmten Zeitpunkten zuhause sind:
Es hätte wohl bei Jihadisten nur einen Sinn, wenn man nachvollziehen kann, wo sie sich gerade bewegen, und nicht, ob sie zuhause sind oder nicht; das würde nämlich im Prinzip nicht allzu viel ändern, weil bis ein Alarm ausgelöst wird, sind sie wahrscheinlich nicht mehr auffindbar.
Schon jetzt gebe es im Rahmen des in Begutachtung befindlichen Staatsschutzgesetzes ausreichende Möglichkeiten, Terroristen zu überwachen.
Ja das Staatsschutzgesetz würde ohnehin, wenn ein gefährlicher Angriff im Raum steht, für Österreich … unverständliche Passage … dieser Anwendung haben, also interessant sind auch hier die Möglichkeiten, mit verdeckten Ermittlungen usw. zu arbeiten, ohnehin schon gesetzlich vorgesehen, zum Teil schon jetzt im Sicherheitspolizeigesetz möglich.
Auch seien Maßnahmen wie Präventivhaft historisch belastet, sagt Verfassungsrechtler Funk:
Ja es ist ein sehr kompromittiertes Instrument, denn zu dieser Möglichkeit greifen erfahrungsgemäß diktatorische und totalitäre Systeme.
Dass die ÖVP nun Verschärfungen für potenzielle Terroristen fordert, sei angesichts der aktuellen Ereignisse nachvollziehbar.
Insofern sehe ich das verständlich, dass es diese Denkrichtung gibt, nur müssen gerade auch Politiker und Politikerinnen bedenken, dass sie der Verfassung verpflichtet sind und dass man die Sache verfassungsrechtlich genau durchchecken muss, und da scheint es noch einen gewissen Nachholbedarf zu geben.
Verständlich, aber problematisch – das Urteil der Juristen zum Vorstoß der Innenministerin für Fußfesseln und Hausarrest zur Terrorprävention. Und wie argumentiert die Ministerin selbst ihre Idee, die übrigens von ihren Parteifreunden aus Frankreich stammt? Sehr konkret sind ihre Vorstellungen von einer möglichen gesetzlichen Regelung offenbar noch nicht:
Besondere Situationen verlangen besondere Maßnahmen, und wichtig ist, jetzt darüber zu diskutieren und nicht erst, wenn etwas bereits in Österreich passiert ist. Und da darf es keine Denkverbote geben. Schauen wir nach Frankreich, dort gibt es die Möglichkeit, Hausarrest für Jihadisten zu verhängen. All diese Möglichkeiten wollen wir prüfen, vom Hausarrest über die Fußfessel, und wir werden innerhalb einer Woche konkrete Vorschläge vorlegen.
Wissen Sie, wen Sie jetzt mit Hausarrest belegen oder wem Sie einen Fußfessel geben würden – derzeit?
Es geht vor allem darum, Terroranschläge zu verhindern, und da darf es keine Denkverbote geben.
Aber würde dann jeder Hausarrest bekommen, der beispielsweise im Jihad – also in Syrien, im Irak war oder versucht hat, dort hinzukommen, oder jeder, der vielleicht in einer fragwürdigen Moschee war, ohne dass man jetzt konkret weiß, ob er wirklich Überlegungen jemals gehabt hat, Anschläge zu verüben?
Es stehen alle im Fokus, von denen eine Gefahr ausgeht.
Wie viele Personen wären das derzeit in Österreich?
Das werden wir uns im Detail anschauen. Wir wissen, dass wir in etwa 240 Jihadisten haben, wo bereits 40 zu Tode gekommen sind und 70 zurückgekehrt sind.
Müsste aus Ihrer Sicht ein konkreter Verdacht, dass jemand eine Tat verübt, vorliegen, oder könnte das auch etwas diffuseres sein, einfach eine Annahme, vielleicht könnte jemand etwas machen?
Es geht vor allem um jene Personen, wo keine U-Haft verhängt werden kann, es geht hier um ergänzende Maßnahmen.
Jetzt sagt aber der Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk, dass Hausarrest und auch Fußfessel eigentlich eine Form von Haft sind, also wenn man keine U-Haft verhängen kann, wie dann diese anderen Maßnahmen?
Schauen Sie, der Experte Peer (?), Universitätsprofessor außer Dienst, ist für eine temporäre Haft für Jihadisten, da geht die Expertenmeinung offensichtlich auseineinander. Ich empfinde es als positiv, dass der Koalitionspartner bereit ist, über Vorschläge zu diskutieren.
Aber der Koalitionspartner hat sich sehr kritisch eigentlich geäußert zunächst und gemeint, da gibt’s noch gar keinen Vorschlag und warum gehen Sie an die Öffentlichkeit?
Ich glaube der Koalitionspartner hat das gleiche Ziel wie ich, nämlich das Terrorrisiko für unsere Bevölkerung zu minimieren, da darf es keine Denkverbote geben. Wir werden seitens der Sicherheitsexperten einen Vorschlag vorlegen innerhalb einer Woche, und das ist dann die Diskussionsgrundlage.
Der Verfassungsrechtler Funk meint, dass so eine rein diffuse Annahme nicht ausreichen kann, um eine Art von Haft, nämlich Hausarrest oder Fußfessel zu verhängen, und dass so was eigentlich nur diktatorische Systeme machen. Glauben Sie, dass Ihr Vorschlag vor demVerfassungsgerichtshof auch halten würde?
Das wird erstens einmal zu prüfen sein und zweitens warum sollte bei uns etwas rechtsstaatlich nicht möglich sein, was in Frankreich rechtsstaatlich möglich ist?
Halten Sie es für realistisch, derzeit zu einer Lösung zu einer Einigung auch mit dem Koalitionspartner SPÖ zu kommen oder ist das eher auch der Versuch, bei den Wählern zu punkten mit Ihren Aussagen?
Im Fokus steht, dass wir die Bevölkerung so weit als möglich schützen können vor terroristischen Gefahren. Hier hat Parteipolitik nichts verloren …
… sagt Innenministerin Mikl-Leitner.
Die Sendung kann 7 Tage lang nachgehört werden.
Zuerst veröffentlicht auf antikrieg.com am 23.11.2015