„Kriegsgebet“ vor 111 Jahren – glühende Parabel von Mark Twain
Mark Twain schrieb im Jahr 1904 die Kurzgeschichte „The War Prayer“, die als Plädoyer gegen imperialistische Kriege in deutschen Verlagen bewusst ignoriert wurde und wird.
In der Fachliteratur wird das Stück als Kritik an der Unterstützung von Angriffskriegen durch Geistliche bezeichnet, doch es ist weit mehr als das: es ist eine Verurteilung der gesamten Gesellschaft, die zustimmend oder tatenlos den Einsatz militärischer Kräfte blindlings akzeptiert. In den westdeutschen Bücherregalen der Vorwendezeit finden Sie keine Ausgabe, in der „Das Kriegsgebet“ publiziert wurde. Nach der Wiedervereinigung fand sich ebenfalls kein Verlag dazu bereit, was einer Zensur des berühmten Autors gleichkommt. Bis auf einen einzigen, der das Buch „Der unbekannte Mark Twain
Schriften gegen den Imperialismus“ vor einem Jahr herausgab.
Den Anlass für Mark Twains Geschichte lieferte eine U.S.-amerikanische Invasion in Asien – der Philippinisch-Amerikanische Krieg. Heute, nach über einem Jahrhundert, haben die intensiven Antikriegszeilen mit keinem einzigen Buchstaben an ihrer Aktualität verloren. Ort der Handlung ist eine christliche Kirche, in der sich die Gemeinde versammelt um die in den Krieg ziehenden Soldaten zu segnen und den Worten des kriegswilligen Pfarrers beifällig zustimmt.
Ein alter Mann, ein Fremder, der die Kirche betritt, hält mit seiner Predigt den Versammelten einen Spiegel vor, indem er die wahre Seite des Krieges blosslegt. Auszug aus „Das Kriegsgebet“ von 1904:
„Später wurde behauptet, dass dieser Mann irrsinnig war, weil das, was er sagte, sinnlos sei.“
Kriegsgegner werden nach wie vor in unserer „aufgeklärten modernen Gesellschaft ignoriert, verleumdet, überwacht und ihre Meinungen von den Regierungen möglichst unterdrückt. Einige werden bei Protesten unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und mit Gefängnisstrafen per Gerichtsurteil zum Schweigen gebracht.
Die folgenden Auszüge aus dem Gleichnis sind die Worte des Fremden:
„Das halbe Dutzend Leute, die wagten, den Krieg zu verurteilen und die Gerechtigkeit des Krieges auch nur im geringsten anzuzweifeln, wurden mit wütenden Warnungen bedacht, so dass sie um ihre persönliche Sicherheit besorgt sein und deshalb so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden mussten und sich nicht mehr sehen lassen konnten.“
Die widerliche Propaganda des „Krieges gegen den Terror“, gegen Syrien, Libyen, Afghanistan, Mali, dem ehemaligen Jugoslawien und andere, geführt von unseren Politikern, Militaristen und Redaktionen der Medien findet sich indirekt in diesen Zeilen wieder – in denen der Fremde das verschwiegene Leid der unschuldigen Opfer der Zivilbevölkerung durch die Aggressoren anprangert.
O Herr unser Gott, hilf uns, den Feind mit unseren Granaten in blutige Fetzen zu schlagen; hilf uns, ihre lachenden Felder mit den bleichen Gesichtern ihrer toten Helden zu bedecken. Hilf uns, den Donner der Geschütze mit den Schreien ihrer Verwundeten zu übertönen, die sich in Schmerzen krümmen. Hilf uns, ihre bescheidenen Heime im Feuersturm zu zerstören. Hilf uns, die Herzen ihrer Witwen mit nie dagewesenem Leid zu bedrücken.
Brandaktuell für Europa ist dieser Vergleich in Bezug auf die Bildung von europäischen Sonderkommandos mit eigenen Befugnissen, die über nationalen Behörden stehend, staatsübergreifend angeblich Migranten abhalten sollen, den Boden von Staaten der Europäischen Union zu betreten. Dabei wird das Recht und die Prüfung auf einen Asylantrag ausgehebelt, da diese Einheiten ohne Kontrolle entscheiden, welche Person abgewiesen wird.
Hilf uns, die Obdachlosen mit ihren kleinen Kindern von der Türe zu weisen, die in ihrem vernichteten Land zerlumpt und hungrig und durstig umherwandern, der Sonne Feuer im Sommer und den eisigen Winden im Winter ausgesetzt; zerschlagenen Geistes, von Trauer verzehrt, dich anflehend um Zuflucht im Grab. Aber auch das ist ihnen versagt um unsertwillen, die dich loben und ehren. Herr, zerschmettere ihre Hoffnungen und ihr Leben, verlängere ihre bittere Pilgerschaft, mach ihre Schritte schwer und begiesse ihre Wege mit Tränen, beflecke den weißen Schnee mit dem Blut ihrer wunden Füsse!
In der Orginalfassung in englischer Sprache finden Sie „The War Prayer“ unter diesem Link. In Hörspielfassung auf Radio Free FM unter diesem Link bei 1 Stunde und 11 Minuten, die schriftliche Version unter diesem Link.
Auf dem Blog antikrieg.com, der von dem Österreicher Klaus Madersbacher betrieben wird, finden Sie weitere Hinweise auf Schriften von Mark Twain:
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12.12.2015 Kerker Europäische Union