Opposition in Venezuela ignoriert Entscheidung des Obersten Gerichts
In Venezuela spitzt sich der Streit zwischen dem Parlament und dem Obersten Gerichtshof zu, nachdem die oppositionelle Abgeordnetenmehrheit bekräftigt hat, missliebigen Entscheidungen der Judikative nicht zu folgen. Hintergrund des Streits ist die vorläufige Suspendierung von vier Abgeordneten aus dem südlichen Bundesstaat Amazonas nach der Parlamentswahl am 6. Dezember. Die Wahlkammer des Obersten Gerichtshofes hatte die Mandate – drei der Opposition und eines des Regierungslagers – wegen mutmaßlichen Stimmenkaufs bis zur Klärung des Sachverhalts ausgesetzt. Die oppositionelle Parlamentsmehrheit hatte sich bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments zunächst an das Urteil gehalten, um einen Tag später auch ihre drei suspendierten Abgeordneten zu vereidigen. Nur mit dieser Anzahl von Sitzen haben die Regierungsgegner die wichtige Zweidrittelmehrheit.
Der Oberste Gerichtshof erklärte angesichts des Vorgehens der Opposition am gestrigen Montag alle Entscheidungen der Nationalversammlung für nichtig. Dies gelte, solange die drei umstrittenen Abgeordneten Teil der Oppositionsfraktion seien. Das Regierungslager hat sich an die Suspendierung ihres Kandidaten aus dem Staat Amazonas gehalten.
Der oppositionelle Parlamentspräsident Henry Ramos Allup von der sozialdemokratischen Partei Acción Democrática (Demokratische Aktion, AD) wies die Entscheidung des Obersten Gerichts zurück und bezeichnete das Richtergremium als befangen. Man werde an den drei Abgeordneten festhalten. Auch der Vizepräsident des Parlaments, Simón Calzadilla, sagte, man werde das Urteil ignorieren, das „absolut politisch und in keiner Weise juristisch“ sei.
Während die Opposition gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro eine Prüfung des Sachverhalts ankündigte, bestätigte der Verfassungsrechtler Hermann Escarrá gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur die Legitimität der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Das Gremium sei „absolut berechtigt, auf Basis der am 30. Dezember verfügten Suspendierung der Abgeordneten die Entscheidungen der Nationalversammlung für ungültig zu erklären, solange ihr diese Abgeordneten angehören“, sagte er.
Ungeachtet des Urteil des Obersten Gerichts hat die Oppositionsmehrheit am Montag den Entwurf für ein Amnestiegesetz ins Parlament eingebracht. „Auf dem Weg zur Amnestie aller politischen Gefangenen. Kein Unschuldiger soll vergessen werden“, schrieb die Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, Lilian Tintori, beim Kurznachrichtendienst Twitter. López sitzt wegen seiner Mitverantwortung für blutige Proteste von Regierungsgegnern Anfang 2014 im Gefängnis.
Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de am 12. Januar 2016
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