Seit einer Ewigkeit hatte ich versucht, nach Aleppo zu kommen, war dazu aber nicht imstande, weil die Aktivität der Rebellen die Stadt von der Außenwelt abgeschnitten hatte. Die militärischen Erfolge der syrischen Regierung Anfang Januar bedeuteten, dass es wenigstens eine sichere Straßenverbindung gab. Ich mietete einen Fahrer, bekam einen Aufpasser der Regierung verpasst (sehr praktisch bei Kontrollstellen) und buchte ein Hotelzimmer. Auf der Fahrt von Damaskus in den Norden nahmen wir einen 22 Jahre alten syrischen Armeeleutnant namens Ali mit, der nach einer Woche Familienurlaub zu seiner Armeeeinheit zurückkehrte.
Wir fuhren durch Homs – Meile für Meile von äußerster Zerstörung – und dann Richtung Osten auf der Straße nach Raqqa. Ali sagte mir, dass er dem Militärflughafen Kuweires im Osten Aleppos zugeteilt war, der seit drei Jahren von Kräften der Al Nusra und des Islamischen Staats belagert wird.
Er sprach von täglichen Feuergefechten gegen ISIS-Kämpfer. Für längere Zeiträume war seine Einheit total abgeschnitten. Als Ali in die Brust geschossen wurde, stand eine Rettung aus der Luft nicht zur Debatte. Er genas in einem Feldspital. Letztendlich wurde die Belagerung aufgehoben und Ali konnte nachhause zurückkehren und seine Eltern zum ersten Mal nach über zwei Jahren sehen. „Das Geheimnis von Kuweires war die loyale Haltung der Soldaten. Wir hatten keine Panzer. Ich verlor 82 Kameraden,“ sagte Ali. Jetzt säubert seine Einheit Stellungen des Islamischen Staats rund um Al-Bab im Osten von Aleppo.
Als wir Aleppo erreichten, gab es dort seit 112 Tagen keinen elektrischen Strom (> LINK) und seit fast zwei Wochen kein Wasser. Improvisierte Granaten – Benzinkanister, die explosiv genug sind, um Gebäude zu zerstören – können überall herunterkommen. Siebzehn der gigantischen Studentenwohnheime bei der Universität stehen bereit für Familien, die aus Gebieten vertrieben wurden, die von Rebellen besetzt sind. Alle diese Familien haben furchtbare Geschichten zu erzählen über Einschüchterung und Mord von Seiten fanatischer Al Nusra, ISIS oder von Seiten der Free Syrian Army. Diese Flüchtlinge sind überall …
Immer wieder wurde ich gefragt: warum unterstützt Britannien die Terroristen? Die Medien des Westens betonen zu Recht die Untaten Assads. Aber die Menschen von Aleppo, mit denen ich sprach, betonten regelmäßig, dass unter Assads Regime Frauen allein auf der Straße gehen und eine berufliche Laufbahn machen können, dass in den Schulen nach einem umfassenden liberalen Lehrplan unterrichtet wird, dass Christen in ihren Kirchen und Moslems in ihren Moscheen beten können. Diese Einwohner von Aleppo haben unter der Belagerung von Gruppierungen gelebt, die versessen darauf waren, ihnen eine Version des wahabitischen Islam aufzuzwingen.
Orginalartikel Aleppo Notebook: the city’s terrorist besiegers will now be besieged