Scharlatan fährt Geisterbahn
Pressemitteilung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer vom 10. Juni 2016
Der Vorstand der Deutschen Bahn will Züge ohne Lokomotivführer. Für seine Geisterbahn muss er sehr viel Geld in die Hand nehmen, das dann wieder einmal für einen vernünftigen Ausbau in der Fläche fehlt. Die Kunden hat er dabei ohnehin nicht gefragt und seine Lokomotivführer erst recht nicht. Sie sollten vielmehr ruhiggestellt werden.
So versicherte DB-Personalvorstand Ulrich Weber noch vor wenigen Monaten:
„Lokführer sind für die Deutsche Bahn unverzichtbare Aushängeschilder für den sicheren und dem Menschen zugewandten Zugverkehr. Die Präsenz eines Lokführers ist für das Sicherheitsempfinden und den Betriebsablauf derzeit unerlässlich.“
Jetzt geht DB-Vorstand Rüdiger Grube allerdings in die Offensive und will Vorreiter des vollautomatischen Eisenbahnverkehrs werden. Technisch ist vieles möglich, aber ob Aufwand und Nutzen im richtigen Verhältnis stehen, das bleibt dabei völlig im Dunklen.
„Wer den Menschen vorgaukelt, im Jahre 2021 sei unsere Eisenbahn komplett anders, der ist ein Scharlatan und lenkt nur vom aktuellen Chaos ab“,
so der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky.
„Und wer im Hier und Jetzt des Jahres 2016 nicht in der Lage ist, das komplexe Eisenbahnsystem auch nur ansatzweise zuverlässig und pünktlich zu organisieren, wer sich damit rühmen muss, bald wieder 80 Prozent Pünktlichkeit zu erreichen, wer täglich Tausende unserer Kunden mit ausfallender Technik und verpassten Anschlüssen verärgert, weil es im Sommer zu warm und im Winter zu kalt ist, der vergeht sich ein weiteres Mal an dem einst ökologischen, sicheren, zuverlässigen und pünktlichen Verkehrssystem.“
Eigentümer Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden
Damit muss Schluss sein. Deshalb ist es an der Zeit, dass der Eigentümer Bund endlich seiner Verantwortung gerecht wird, schnellstens den gesamten Bahnvorstand zur Räson ruft, ihn als erstes seine Infrastruktur auf Vordermann bringen lässt und diese endlich aus der Gewinnverpflichtung herausnimmt. „Nur so wird die Eisenbahn sicher bleiben und wieder zuverlässig und pünktlich werden“, so Weselsky. „Eigentum verpflichtet und Daseinsvorsorge darf nicht nur in Sonntagsreden eine Rolle spielen – sie muss für die Eisenbahnkunden wieder erlebbar sein.“
Zwar fahren einige wenige Züge schon lange autonom, wie zum Beispiel in Nürnberg, am Frankfurter Flughafen, in Paris oder Tokio. Das sind jedoch alles in sich geschlossene Bahnsysteme. In Deutschland haben wir aber ein offenes Bahnsystem mit täglich tausenden darauf verkehrenden Fern-, Nah- und Güterzügen. Das komplexe und vor allem immer anfälligere Eisenbahnsystem unterliegt immensen äußeren Einflüssen. Das verlangt sehr viele operative Entscheidungen von Menschen mit Sachverstand und Erfahrung im Eisenbahnverkehr. Leider gibt es davon immer weniger.
Maschinen können Menschen nicht ersetzen
„Selbst bei Sonnenschein und freier Fahrt, wenn niemand auf den Gleisen ist und sämtliche Technik fehlerfrei funktioniert, ist ein Lokomotivführer der Letztentscheider über die ihm anvertrauten Menschen und Güter. Das bleibt er auch genau so lange, wie äußere Einflüsse in jedem Bruchteil einer Sekunde Unvorhersehbares im Eisenbahnsystem erzeugen können“
so Weselsky und weiter:
„Menschen sind nicht nur Fehlerquellen, sie handeln intuitiv, sie entscheiden nach Erfahrung. Und die menschliche Entscheidung, insbesondere in Notfällen, können Maschinen noch lange nicht ersetzen. Deshalb muss auch der jetzige Bahnvorstand komplett in die Pflicht genommen und nicht einzelne Vorstände ausgewechselt werden, denn das bringt nur sinnlose Verzögerung und keine Garantie auf Verbesserung. Rund 40 000 Lokomotivführer, Zugbegleiter und Bordgastronomen, nicht nur bei der DB, sondern auch in allen anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen verlangen ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Zukunft des Eisenbahnsystems in Deutschland – und weil wir im Herzen Europas die Drehscheibe sind, auch zum Eisenbahnverkehr im gesamten Europa!“