Demokratie für Jena – Offener Brief der Bürgerinnen und Bürger

Deutlicher kann eine Vereinigung ihre Gesinnung nicht zeigen: Am 20. April legten 150 – 200 Rechtsextreme die Jenaer Innenstadt lahm. Es flogen Glasflaschen und Pflastersteine. Die Gewalt hat auf Demonstrationen Einzug gehalten. Bereits kurz danach meldet sich die Thügida wieder mit den Worten: „Wir geben nicht nach!“ Die Rechtsextremen kündigten wenige Tage später eine weitere Demonstration, dieses mal für den 17. August an.

Bedenklich ist dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die KulturArena stattfindet. Sowohl am 2. Oktober wie auch am 20. April marschierten Rechtsextreme vom Volksbad am Engelplatz vorbei, über den Ernst-Haeckel-Platz zurück zum Volksbad. Sollte sich an der Demonstrationsstrecke nichts ändern, ist davon ein Konzert mit Ben Caplan betroffen. Ob es in diesem Fall eine andere Entscheidung der Jenaer Versammlungsbehörde gibt und der angefragten Gerichte gibt? Es bleibt zu wünschen.

Einige Menschen in unserer Stadt Jena haben einen offenen Brief mit dem Ziel verfasst, die Jenaer Bevölkerung zu sensibilisieren sich mit den jetzt immer mehr zunehmenden Naziaufmärschen in Jena auseinander zu setzen. Eine neue und unabhängige bürgerschaftliche Initiative denkt bereits darüber nach, wie in Zukunft in der Stadt damit umgegangen werden kann. Im ersten Schritt können Sie mit Ihrer Unterschrift zeigen, dass wir in Jena keine Aufmärsche selbsternannter Retter der deutschen Kultur brauchen.

Setzen Sie ein erstes Zeichen und zeichnen Sie den offenen Brief. Viele Unterschriften stärken unsere Vorstellung einer offenen und selbstbewussten Stadt Jena! Machen Sie einfach mit! Weitere Informationen werden folgen. Schreiben Sie Leserbriefe zum Thema oder kommentieren Sie auf Jenapolis, erzählen Sie es überall weiter und kommen Sie, sollte die Veranstaltung am 17.08. in Jena nicht verhindert werden können, und demonstrieren gegen die Menschen, die nicht Jena als Stadt aller Menschen sehen, sondern nur ihren eigenen kleinen und primitiven Vorstellungen einer freien Gesellschaft frönen wollen!

Grönemeyer in Erfurt: „Wir sind eine kluge und aufgeklärte Gesellschaft. Wir halten dieses Land stabil, demokratisch und offen für alle Menschen, die hier Schutz suchen. Darum geht es! Denn es ist unser Land!“

Die Petition wird, wenn nötig bis zum 17.08.2016 laufen!

Erstunterzeichner: Frank Ahrens, Leiter Jenaplanschule, Matthias Beer, 1. Bevollmächtigter IG Metall Gera und Jena-Saalfeld, Prof. Klaus Dörre, Soziologe, Christoph Ellinghaus, 2. Bevollmächtigter IG Metall Gera und Jena-Saalfeld, Christian Engelhardt, Vorsitzender Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen e.V., Prof. Gerhard G. Paulus, Physiker Uni Jena, Ulli Großkurth-Wittich, Keramikerin und Ehrenbürgerin Jena, Gisela John, Pädagogin, Prof. Jürgen John, Historiker, Ralph Lenkert, MdB, Sebastian Neuß, Superintendent Jena, Prof. Manuel Vogel, Theologe Uni Jena, Anja Siegesmund, Umweltministerin Thüringen, Torsten Wolf, MdL

Text der Petition:

„Demokratie für Jena – Offener Brief der Bürgerinnen und Bürger Jenas

Halten wir die Demokratie für so selbstverständlich, dass wir uns wenig Sorgen um ihren Bestand, ihre Wehrhaftigkeit machen? Die Jenaer Innenstadt im Ausnahmezustand. Parkplätze gesperrt, Geschäfte geschlossen, Nahverkehr still gelegt, Hamburger Gitter und aufgerüstete Polizeikräfte seit den Vomittagstunden bis spät am Abend zu Hunderten damit beschäftigt, die Bewegungsfreiheit von Bürgern massiv einzuschränken. Warum das alles?

An diesem 20. April 2016, einem historisch belasteten Datum, zogen Gruppen eindeutig neonazistischer Prägung durch unsere Stadt, um ihre Gesinnung und Absichten demonstrativ im öffentlichen Raum zur Schau zu stellen. Für unsere Stadt mit ausgeprägt liberaler politischer Kultur war das nun zum wiederholten Mal zu erleben. Wir fragen uns: Handelt es sich hierbei nicht sehr eindeutig um Missbrauch des Rechtsstaates? Die Anmelder, scheinbar formell legal erschienen mit sichtbaren, provokanten Tätowierungen der Zahlen 20 04 1889 vor Ordnungsbehörde und Geraer Verwaltungsgericht, um Demonstrations- und Versammlungsrecht für den 20. April zu fordern. Dieses Gericht ignorierte die Hinweise der Jenaer Behörde und wollte keinen inhaltlichen Zusammenhang der Demonstration mit dem Datum erkennen. Aber wie zu erwarten, symbolisierten Fackeln, Reichskriegflaggen und martialische Sprüche, unter anderem der Ruf „Juden raus“, Rassismus und Nationalismus in übelster Form. Wir fragen uns: Präsentiert sich hier unter dem Schutz von Behörden und Polizei in aller Öffentlichkeit und wahrscheinlich ungestraft nicht genau das Milieu des NSU-Netzwerkes?

Es darf nicht so weit kommen, dass offen demokratie- und menschenfeindliche Kräfte immer öfter die Atmosphäre in unserer Stadt vergiften. Wehrhafte Demokratie muss neue politische Wege finden, um dem Einhalt zu gebieten. Mit Sorge sehen wir die Ankündigung, Teilnehmer an friedlichen Protestformen zu kriminalisieren, wenn sie mit zivilem Ungehorsam verbunden sind. Wir appellieren gleichermaßen an Verantwortliche in Politik und Verwaltung, wie an zivilgesellschaftliche Akteure, den Angriffen auf Demokratie und Menschlichkeit mit Entschlossenheit entgegenzutreten.“

Erstveröffentlichung auf Jenapolis am 11. Juni 2016