Der S21-Ausstieg ist alternativlos
Offener Brief der „TheologInnen gegen S21“ im Blick auf die kommende Aufsichtsratssitzung der Deutsche Bahn AG.
Sehr geehrte Damen und Herren im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn!
In diesen dramatischen Tagen, in denen Sie sehr grundsätzliche Entscheidungen zur Zukunft der Bahn und insbesondere des Projekts „Stuttgart 21“ zu treffen haben, wendet sich die Initiative „TheologInnen gegen Stuttgart 21“ in einem Offenen Brief an Sie, der auch an die Medien geht. Als ProjektkritikerInnen und Bahnfreunde, die die jetzt offenbar werdenden Probleme von S21 seit langem haben kommen sehen, bitten wir Sie dringend, sich ernsthaft mit unseren Analysen und Forderungen zu befassen:
1. Als ChristInnen, die sich aus ihrem Glauben heraus für die Menschen und die Schöpfung als Ganze mitverantwortlich wissen und nicht zuletzt auch von Politik und Wirtschaft ein Mindestmaß an Wahrhaftigkeit erwarten, fordern wir einen sofortigen Umstieg auf eine Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs. Ein Weiterbauen „als wäre nichts gewesen“ ist gegenüber der Bevölkerung nicht zu verantworten. Zu groß und zu viele sind die Schwächen und Risiken des geplanten Tiefbahnhofs. Zu groß und zu viele sind die Verschleierungsversuche der Bahn, was tatsächliche Kosten, Leistung und Probleme des Baus betrifft.
2. Als ChristInnen, die als Konsequenz aus ihrem Schöpferglauben mit wachen Augen soziale und ökologisch relevante Vorgänge in der Gesellschaft beobachten, stellen wir fest: Ein Umstieg auf eine Modernisierung des Kopfbahnhofs hätte beeindruckende Vorteile:
– Der Bahnhof würde erheblich mehr Bahnverkehr bewältigen können als der geplante Tiefbahnhof, aber etliche Milliarden weniger kosten.
– Große Teile des wenigen bereits für S21 Gebauten könnten mit neuer Funktion mitverwendet werden und wären nicht umsonst erstellt worden.
– Schon in den nächsten Jahren könnte auf den frei werdenden Baulogistikflächen mit dem Bau großer neuer Wohnquartiere begonnen werden – nicht erst Ende der 20-er-Jahre wie beim Rosensteinquartier.
– Der Stuttgarter Hauptbahnhof bliebe weiterhin ein bedeutender Landesbahnhof mit wichtiger bundesweiter Verkehrsbedeutung – kein untergeordneter Haltepunkt mit eingeschränkten Funktionen.
3. Als ChristInnen, die von den staatlichen Institutionen erwarten, dass sie zum Wohle der Bevölkerung – insbesondere der Schwächeren der Gesellschaft – handeln, beobachten wir irritiert: Die Politik will mit dem Festhalten am Projekt „Stuttgart 21“ beweisen, dass in Deutschland Großprojekte umgesetzt werden können. Tatsächlich aber würde sie mit dem Weiterbau der Stadt und dem Land großen Schaden zufügen und den Wirtschaftsstandort Deutschland weltweit blamieren:
– Nach dem Berliner Flughafen würde ein weiteres Großprojekt in Deutschland der Politik und der technisch-wirtschaftlichen Planung völlig entgleiten.
– Ein Großprojekt würde über weitere mindestens 10 Jahre mit immer neuen Problemen im Fokus der Öffentlichkeit stehen.
– Die Politik würde als unfähig dastehen, aus erkannten Fehlern zu lernen.
Ein Auswechseln verantwortlicher Köpfe erscheint uns notwendig, aber allein noch nicht nachhaltig genug, weil die Probleme mit S21 vom Projekt selbst herrühren. Sie sind nicht von den verantwortlichen Personen verursacht, sondern lediglich von ihnen verschwiegen worden.
4. Deshalb fordern wir als ChristInnen, die sich in der Verantwortung wissen, Politik und Wirtschaft konstruktiv zu beobachten und zu kontrollieren, die Verantwortlichen auf:
Beschließen Sie jetzt ein Moratorium, in dem die Rahmenbedingungen des Projekts S21 – von dem erst höchstens 20 Prozent gebaut sind – noch einmal grundsätzlich und ehrlich überprüft werden, mit dem letztlichen Ziel eines sowohl wirtschaftlich als auch verkehrstechnisch sinnvollen Umstiegs auf die Modernisierung des Kopfbahnhofs.