Rosa Maria Haschke: „Ich bin einfach nur wütend und hilflos.“

Leserbeitrag auf Jenapolis von Rosa Maria Haschke, Stadträtin der Stadt Jena und Ortsteilbürgermeisterin in Wenigenjena vom 1. Juli 2016 zu einem Beispiel über Baumfällungen in Jena, die die Regel und nicht Ausnahmen quer durch Deutschlands Städte und Gemeinden sind. Auf dem historischen Platz im Zentrum standen bis vor wenigen Monaten vor der Sanierung und Modernisierung der unterirdischen Versorgungsleitungen mehrere grosse Bäume, die der Axt zur „Verbesserung der Wohlfühl- und Lebensqualität für die Bürger und Werterhöhung der angrenzenden Grundstücke“ zum Opfer fielen.

Jena Johannisplatz
Jena Johannisplatz
Nun ist auch der letzte Baum am Johannisplatz gefällt worden. Was für ein frevelhafter Umgang mit Stadtgrün. Machen Sie sich die Mühe und schauen Sie sich das an. Aus einer grünen Oase wird …? Die Argumente, die zur Rechtfertigung herangezogen werden, sind geradezu lächerlich. Wäre dort ein Wille gewesen den Baum zu erhalten, hätte es auch einen Weg gegeben. Was ist das nur für eine Ignoranz gegenüber Mensch und Natur? Wer trägt dafür die Verantwortung?

Bäume sind Lebewesen, und kein Gegenstand, den man auf dem Planungspapier mal hin und her rücken kann, fällen und neupflanzen – übrigens auch mit Selbstheilungskräften ausgestattet. Ich bin einfach nur wütend und hilflos. Bis hier ähnlicher Sonnen-, Lärm- und Staubschutz wieder gewachsen ist und wieder ähnliche Mengen an Sauerstoff und Wasser produziert werden, werde ich vermutlich nicht mehr leben. Nachhaltig, wie das aus dem Bereich der Holzwirtschaft stammende und inflationär gebrauchte Wort das meint, ist das mit Sicherheit nicht. Wo bleibt der Aufschrei des grün geführten Stadtentwicklungsdezernates?

Angesichts der in Jena üblichen Praxis hinsichtlich von Fällgenehmigungen lässt sich der Eindruck nicht entkräften, dass ökonomischen Gesichtspunkten größeres Gewicht beigemessen wird als ökologischen. Die einfachste Grundregel, die jedes Kind in der Schule lernt, dass im Rahmen der Photosynthese jeder Baum Sauerstoff bildet und der Atmosphäre Kohlendioxid entnimmt, muss wieder Maxime des Handelns werden. Kühlung, Schatten, Verdunstung, Bindung von Staub und Schadstoffen, Einbindung in den Wasserkreislauf – müssen wieder Vorrang gewinnen vor den üblichen Argumenten wie Baufreiheit, mögliche Wurzelschäden durch Bauarbeiten, Verkehrssicherungspflicht und was es da noch so alles gibt.

Da wurde in Jena mit viel Mühe und Kosten ein Konzept erstellt das den Titel trägt: „Stadtbaumkonzept zur nachhaltigen Sicherung und Entwicklung des Baumbestandes in Jena“. Wem nützt das? Im Stadtentwicklungsausschuss habe ich angemahnt, dass dem Konzept ein Kapitel fehlt, das die Bedeutung des Stadtgrüns hervorhebt und sich mit dem Missverhältnis von Ökonomie und Ökologie auseinandersetzt. Welche Kriterien müssten gelten, um den Baumbestand der „Stadt im Grünen“ besser zu schützen? Die dort nachlesbaren „Generellen Handlungsempfehlungen“ beziehen sich ausschließlich auf die Erneuerung und Nachpflanzung des Baumbestandes.

Das in Jena praktizierte Vorgehen bei der Fällung großer schattenspendender Bäume ist nicht mehr akzeptabel. Ich mahne öffentlich an, dass hier ein Nach- und Umdenken einsetzen muss.

Autorin: Rosa Maria Haschke – Stadträtin der Stadt Jena und Ortsteilbürgermeisterin in Wenigenjena

Foto: privat Jürgen Michel 30.6.2016

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