Türkei entscheidet über Wiedereinführung der Todesstrafe
Die türkische Regierung nutzt den Putschversuch der vergangenen Nacht zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Nachdem fast dreitausend Richter und Staatsanwälte sowie zehn Mitglieder des Hohen Rates (entspricht unserem Verfassungsgericht) vom Dienst suspendiert und zahlreiche Haftbefehle erlassen wurden um Verfahren gegen diese zu eröffnen, wurde in einer Dringlichkeitssitzung noch am 16.Juli 2016 darüber beraten.
Tausende Menschen haben in der vergangenen Nacht für Erdogan demonstriert und bei der Nachricht, dass der Militärputsch zurückgeschlagen wurde, gefeiert.
Mit der möglicherweise bevorstehenden Wiedereinführung der Todesstrafe aus politischen Gründen haben diese nicht gerechnet, als sie für den Erhalt der Demokratie und für Frieden auf die Strasse gingen. Die Bevölkerung wird ein grosses Stück ihrer bisherigen Freiheiten verlieren, wenn die wichtigen Schlüsselpostionen nur mit Personen besetzt sind, die einer Partei zu Gehorsam verpflichtet sind, da sie von dieser ausgewählt wurden. Das ist das Gegenteil einer Demokratie.
Wer wird sich wagen, sich dieser unheilvollen Entwicklung öffentlich entgegenzustellen ohne befürchten zu müssen, als Landesverräter abgeurteilt zu werden?
Als sich in Ägypten der heutige Regierungschef Abd al-Fattah as-Sisi mit Hilfe des Militärs an die Macht putschte, das den rechtmässig gewählten Präsidenten Mohammed Morsi absetzte, mit Gefängnisaufenthalt belegten und die Verhängung von Todesurteilen und ihre Ausführung an missliebigen Personen vollzogen wurde, schwiegen die westlich-demokratischen Regierungen und weigerten sich, diese Ereignisse einen „Putsch“ zu nennen.
Sie werden erst recht darüber hinwegsehen, welche fatale Entwicklung im Justizwesen der Türkei vonstatten geht, nachdem ein rechtmässig gewählter Präsident sich samt seiner Regierung gegen Teile des Militärs behaupten konnte.
Der Beitrittsgesuch und die künftige Verhandlungen zur Mitgliedschaft der Türkei in die Europäische Union haben sich erledigt, falls es eine Rückkehr zur Anwendung der Todesstrafe in der Türkei gibt. Vor den bisherigen Repressalien gegen die kurdische Region und gegen die Presse wurde zugunsten geostrategischer Interessen kein ernstzunehmender Protest geäussert oder deutliche Konsequenzen gezogen.
„Das 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aus dem Jahr 1983 enthält die Abschaffung der Todesstrafe im gewöhnlichen Strafrecht, das 13. Zusatzprotokoll aus dem Jahr 2002 enthält auch die Abschaffung im Kriegsrecht. 43 der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates haben das 13. Zusatzprotokoll ratifiziert. 2010 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Al-Saadoon und Mudfhi gegen Vereinigtes Königreich, dass die Todesstrafe Art. 3 der EMRK widerspreche. Die Europäische Union (EU) hat die vollständige Abschaffung der Todesstrafe wie auch die Einhaltung der Menschenrechte in den Kopenhagener Kriterien zur Aufnahmebedingung für neue Mitgliedsstaaten gemacht. Artikel 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbietet die Todesstrafe. Artikel 53 legt ferner fest, dass die Charta keinen verbesserten Schutz der Menschenrechte durch nationale Verfassungen oder die Europäische Menschenrechtskonvention einschränken kann. Gemäß Artikel 52 können Grundrechte nur im Einklang mit dieser Charta aufgehoben werden. Demnach ist das Recht auf Leben in der EU dreifach geschützt: durch nationale Verfassungen, EMRK und Charta, wobei das für Beschuldigte günstigste Recht anzuwenden ist (Meistbegünstigungsklausel).“ (Wikipedia)
Quellen:
http://tass.ru/en/world/888724
http://www.independent.co.uk/news/world/europe/turkey-coup-latest-news-erdogan-istanbul-judges-removed-from-duty-failed-government-overthrow-a7140661.html