Indigene in Mexiko wollen Konflikt um verwüsteten Tempel selbst lösen
In Mexiko dauert die Debatte um religiös motivierte Verwüstungen in der antiken Tempelanlage Mayonikha an, über die mexikanische und internationale Medien ausführlich berichteten. Mitglieder einer religiösen Gruppe hatten die Anlage der indigenen Volksgruppe der Otomi nahe der Stadt Hidalgo in Zentralmexiko vor einigen Wochen massiv beschädigt, weil die dort praktizierten Riten nicht ihren christlichen Vorstellungen entsprochen haben. Auch wenn die Meldungen über den Angriff selbst bestätigt werden konnten, handelte es sich bei den Angreifern nach neueren Erkenntnissen nicht um die Zeugen Jehovas.
Der betroffene Ort, der seit tausenden Jahren von indigenen Einwohnern genutzt werden soll, befindet sich in San Bartolo, Hidalgo. Die Angreifer hatten demnach schon einige Monate zuvor schwere Zerstörungen verursacht, ohne dass die lokale Polizei oder lokale wie nationale Regierungsstellen sich dazu geäußert hätten. Erst die Medienberichte hatten die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fall gelenkt.
Die antike Anlage wird bis heute von Indigenen für religiöse Riten genutzt. Zerstört wurden Altäre und Opfergaben.
Der mexikanische Anthropologe und Otomi-Experte Luis Pérez Lugo sieht in den Taten einen „enormen sozialen Schaden“ für die indigene Gemeinschaft. Es handele sich um ein „Attentat gegen die Identität und die religiösen Riten der (indigenen) Völker“, so Pérez Lugo gegenüber amerika21. Solche Angriffe auf indigene Kultstätten durch religiöse Gruppen gebe es auch in anderen Teilen Mexikos, fügte der Anthropologe von der Universität Chipango an. In Mexiko sind vor allem evangelikale Gruppierungen in den vergangenen Jahren massiv auf dem Vormarsch. Mit dem Erstarken dieser Gruppierungen kommt es – wie auch im benachbarten Guatemala – zu teilweise gewalttätig ausgetragenen Konflikten in der Bevölkerung.
„Es ist wichtig festzustellen, dass die Verantwortlichen für die Zerstörungen nicht der Gruppe der Zeugen Jehovas angehörten“, sagte Pérez Lugo nun, um diese Gruppe für die falsche Anschuldigung um Verzeihung zu bitten. Die Verwechslung sei dadurch zu erklären, dass die verantwortliche „Splittergruppe der katholischen Kirche einen ähnlichen Namen benutzte“. Den Zeugen Jehovas sei man dafür dankbar, dass sie die Jahrtausende alten Riten der indigenen Gruppen in Wort und Tat respektieren, stellte Pérez Lugo klar.
Der Zwischenfall und die mediale Debatte hat vor allem ein Schlaglicht auf die lebendige indigene Kultur in Mexiko geworfen. Umgehend nach Bekanntwerden der Übergriffe hatten Mitglieder und Würdenträger der Otomi darum gebeten, dass sich die mexikanischen Bundesbehörden wie das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) aus dem Fall heraushalten. Bei der Mayonikha handele es sich nicht um einen archäologischen Ort, sondern um ein aktives religiöses Zentrum, hieß es von ihrer Seite. Das INAH hatte nach ersten Medienberichten mit der These für weitere Verwirrung gesorgt, es habe gar keine Zerstörungen gegeben. Zugleich musste das Institut eingestehen, dass der Ort nicht zu den betreuten antiken Stätten gehört und das INAH keine Experten vor Ort habe.
Ausführlich meldeten sich indes Aktivisten indigener Gruppen aus mehreren Teilen des amerikanischen Kontinents zu Wort, die im Juni in Mexiko zu einem Kongress zusammengekommen waren. Die Kultstätte Mayonikha „leidet seit längerem unter Kulturraub, der sich aus der Präsenz von Wissenschaftlern erklärt, die Steine und Metallgegenstände entwenden“, heißt es in einer Erklärung. Die Stätte selbst sei ein aktives religiöses Zentrum. „Jede Institution, die sich einmischt, wird nur weitere Konflikte verursachen.“ Die indigenen Gruppen könnten selbst für den Schutz des Ortes sorgen, so die Autoren.
Unklar bleibt, welche Gruppe die Übergriffe verübt hat. Während Pérez Lugo eine Abspaltung der katholischen Kirche verantwortlich macht, sprechen die indigenen Aktivisten von einer „protestantischen Sekte“.
Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de am 21. Juli 2016
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