Nizza-Attentat: Wenn die Justiz dem Bürgermeisteramt befiehlt, 24 Stunden Aufzeichnungen zu zerstören

Es folgt die Übersetzung eines Artikels der französischen Zeitung „Le Figaro“ vom 21. Juli 2016.

Nach Information des Figaro ist am Mittwoch, den 20. Juli eine dringende gerichtliche Anforderung an das städtische Überwachungszentrum von Nizza ergangen. Die Pariser Staatsanwaltschaft bringt ihre Besorgnis der „unkontrollierten Verbreitung dieser Bilder“ zur Sprache.

Panik und Unverständnis im Bürgermeisteramt von Nizza. Am Mittwoch um 11 Uhr hat die Antiterroristische Unterabteilung (SDAT) unter Berufung auf die Artikel 53 und L706-24 der Strafprozeßordnung, sowie dem Artikel R642-1 Strafgesetzbuch die Angestellten, welche die Videoüberwachung der Stadt managen, angewiesen, 24 Stunden von Aufnahmen, die von sechs angegebenen und nummerierten Kameras stammen, vollständig zu löschen, sowie alle Szenen seit dem Beginn des Attentats, die am 14. Juli von der „Promenade des Anglais“ herstammen.

Grund genug, die Angestellten des städtischen Überwachungszentrums Nizza in einen Zustand der Hilflosigkeit zu versetzen. „Es ist das erste Mal, daß man uns befiehlt, Beweise zu vernichten, präzisiert eine Quelle nahe am Geschehen. Das Videoüberwachungscenter und die Stadt Nizza könnten dafür verfolgt werden und übrigens haben die dadurch belasteten Angestellten keine Befugnis zur Teilnahme an solchen Vorhaben.“

Das Verlangen erscheint umso erstaunlicher, als die SDAT seit letztem Freitag Bedienstete (envoyer des serveurs) ausgesandt hat, um 30.000 Stunden Videoüberwachung beizutreiben, die mit den Geschehnissen zu tun hat. Eine Sicherungsoperation, die sich mehrere Tage hinziehen wird. „Wir wissen nicht, ob ein Zerstörungsbefehl das ganze Verfahren zuhängen wird, bevor wir alles gesichert haben“, bekümmert man sich im Umfeld des Geschehens.

Die vom Figaro kontaktierte Pariser Staatsanwaltschaft hat die Information bestätigt und präzisiert: „Dies wurde in genau diesem Fall getan, um die unkontrollierte Verbreitung dieser Bilder zu unterbinden.“ Vonseiten der Police National erinnert man daran, daß „unter den Tausend in Nizza installierten Kameras 140 (davon) Elemente von Belang präsentierten. Die Kriminalpolizei hat 100% der zurückliegenden Ereignisse beigetrieben. Die PJ (Kriminalpolizei) und die Staatsanwaltschaft haben also die Löschung der Aufnahmen dieser 140 Kameras eingefordert, weil sie um die Würde der Opfer besorgt sind und um die Verwertung dieser Aufnahmen von jihadistischen Internetseiten zu Propagandazwecken zu unterbinden.“

An den Kanzler gerichtet, wird schlussendlich präzise deutlich, daß das Verlangen nach einer kompletten Löschung sich aus der Unmöglichkeit einer teilweise durchgeführten Zerstörung in dieser Angelegenheit ergibt.

Von mehreren Diensten geteilte Aufnahmen

Am Folgetag des tragischen Dramas der „Promenade des Anglais“ waren Beamte der Kriminalpolizei gekommen, um eine erste Erfassung von Kameras, die das Geschehen direkt aufgenommen hatten, vorzunehmen. Dies war der Anlaß für einen ersten Bericht, der an den Innenminister gesandt wurde. Befremdlicherweise wären dies die selben Kameras, die von der Beschlagnahme des SDAT angepeilt wurden.

Bereits Samstag hatte das Élyssée Kopien der Bilder des Attentates eingefordert. Eine gemeinsame Ermächtigung durch die Pariser Staatsanwaltschaft. „Es ist nicht schockierend, daß der Präsident der Republik das Attentat hätte ansehen wollen.“ (letzter Absatz weggelassen)

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