Mitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. vom 26.07.2016
Wie wurde in der Vergangenheit Gorleben durchgesetzt? Diskurs, offene Bürgerforen, Klagerechte und Bürger_innen-Beteiligung? Nein. Es waren harte Polizeieinsätze und es floss Geld in die Kassen klammer Kommunen. Man muss unweigerlich an Knüppel aus dem Sack und Sterntaler denken. Doch hier geht es nicht um Märchen. Hier geht es um die knallharte Realität. Es geht um Geld. Die Gorleben-Gelder.
Unumwunden ließen die kommunalen Vertreter aus Gartow und Gorleben durchblicken, worum es ihnen ging: Geld gegen Wohlverhalten. Neudeutsch: Akzeptanz.
„Hier war keiner, der Freude an den Anlagen hatte. Wenn es dann keine Vorteile gibt, dann kann man vor dem Bürger nicht geradestehen“, sagt der stellvertretende Samtgemeindedirektor Axel Müller in Gartow. Sein früherer Chef Hans Borchardt hatte diese Maxime bereits 1987 Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche unmißverständlich klar gemacht: »Sollte die Landesregierung nicht bereit sein, unseren Weg in Sachen Fremdenverkehr zu unterstützen, sieht sich die Samtgemeinde Gartow außerstande, dem Bau der Pilotkonditionierungsanlage positiv gegenüberzustehen«, sagte Borchardt bei einem Besuch Hirches in Hitzacker. Und sein Bürgermeister Heinz Rathje ergänzte: »Wir holen zum ersten Mal in unsere kleine Heimat eine Heiße Zelle – wir wissen nicht, was aus dem 60 Meter hohen Schornstein herauskommt – wir vertrauen auf die Wissenschaftler, aber wir müssen Gartow dem Gast verkaufen.« Offenbar verhielt sich die Gefahr der Abgase umgekehrt proportional zur Höhe der Geldzahlungen. (Quelle: Gorleben-Millionen – Wie man mit Steuergeldern Zustimmung kauft von Karl Kassel und Jürgen Rehbein, den Text finden Sie hier).
Geld floss nicht wenig in die Region. Mehr als 1,8 Milliarden wurden bisher in den Ausbau des sogenannten Erkundungsbergwerks investiert. Hinzu kamen die Kosten für den Ausbau der oberirdischen Atomanlagen, allein für das Zwischenlager rund 5 Millionen D-Mark (2,5 Mio. Euro). Das Fachpersonal wie die Bergleute kam zwar nicht unbedingt aus der Region, aber Baufirmen, Elektriker, Wachleute, Reinigungskräfte und Küchenpersonal fanden dort Arbeit.
“Gorleben-Gelder”
Und dann sind da noch zwei richtig dicke Brocken. Einmal die sogenannten Gorleben-Gelder: Das Land, der Landkreis und die betroffenen Kommunen rund um Gorleben bekamen zusätzlich Geld, bis die politischen Mehrheiten wechselten. “Kompensationszahlungen” an das Land Niedersachsen betrugen zwischen 1979 und 1992 insgesamt 410 Millionen DM (210 Mio. Euro). Von diesen wurden dem Landkreis Lüchow-Dannenberg rund 86 Millionen DM (43 Mio. Euro) zur Verfügung gestellt.
Das Kreiskrankenhaus wurde erweitert, Sportanlagen kamen. Viele der Ausgaben hatten wenig mit Gorleben zu tun – Kritiker erinnern da gern an die Wendlandtherme, das großzügig dimensioniertes Erlebnisbad in Gartow. “Von einer Zweckbindung nach der Bundeshaushaltsordnung kann in den Verträgen zwischen Bund und Land keine Rede sein”, moniert etwa Karl-Friedrich Kassel. Der Journalist aus dem Wendland hat sich lange mit dem Verbleib der Gelder beschäftigt.
“Strukturmittelhilfe”
Als zweites fließen immer noch bis 2034, dem Ende der Betriebserlaubnis des Transportbehälterlagers – das ist der offizielle Titel des Castor-Lagers – , Extra-Gelder der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS). So bekommt der Landkreis laut GNS – vormals BLG – noch immer 210.000 Euro im Jahr, die Gemeinde Gorleben rund 600.000 und die Samtgemeinde Gartow jährlich sogar 830.000 Euro.
Die “Gegenleistung” liest sich wie eine Unterwerfungserklärung. §4 lautet: “Die Samtgemeinde Gartow wird den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlagen und Einrichtungen der BLG am Standort Gorleben einschließlich der Transporte vom und zum Standort Gorleben im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.”
Hier der Kern des Vertrages im Wortlaut:
§ 3
BLG zahlt für die von der Samtgemeinde Gartow in dieser Vereinbarung übernommenen Verpflichtungen und der mit Wirksamwerden der Vereinbarung abgegebenen Erklärungen zusätzlich zu den derzeit zu leistenden Strukturhilfen in Höhe von 540 TDM aus den Ansiedlungsverträgen von 1980:
1. Im Hinblick auf die erweiterte Nutzung des ALG im Rahmen der jeweils erteilten strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen einmalig an die Samtgemeinde Gartow 600 TDM.
2. Im Hinblick auf die erweiterte Nutzung des TBL im Rahmen der jeweils erteilten atomrechtlichen/strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen rückwirkend ab 1995 an die Samtgemeinde Gartow einen jährlichen Betrag von 900 TDM.
3. Ab dem Jahr, in dem eine Einlagerungsmenge von 1.500 Tonnen Schwermetall im TBL überschritten wird, zusätzlich jährlich an die Samtgemeinde Gartow weitere 600 TDM. Bei der Mischlagerung von Brennelementen und verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung entspricht ein mit Kokillen beladener Behälter einem mit 10 Tonnen Schwermetall beladenen Behälter.
Sobald die aufgrund dieser Vereinbarung jährlich zu zahlenden Strukturhilfen den Gesamtbetrag von 30 Mio DM erreicht haben, vermindern sich die jährlichen Zahlungen für das jeweils folgende Jahr entsprechend, wie sich die am Jahresende eingelagerte Menge Schwermetall gegenüber der eingelagerten Höchstmenge (Index = 100 %) vermindert hat. Die jährlichen Strukturhilfezahlungen erfolgen in zwei Raten jeweils zum 01.02. und 01.10. eines jeden Jahres, erstmals am 01.02.1998. Die rückwirkend an die Samtgemeinde Gartow zu leistenden Strukturhilfen, einschließlich der einmaligen Zahlung gemäß § 3, Nr. 1, werden in drei gleichen Raten jeweils zum 01.02.1998, 01.02.1999 und 01.02.2000 gezahlt. Die zweckgebundene Weitergabe von Strukturhilfemitteln an Dritte ist nur zulässig, wenn sich der Empfänger ebenso wie die Samtgemeinde Gartow für die Erfüllung der Entsorgungsaufgaben der BLG am Standort Gorleben einsetzt. Die pauschale Weitergabe von Strukturhilfemitteln an Dritte ist ausgeschlossen.
Den vollständigen Vertragstext finden Sie hier
Honi soit qui mal y pense! Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
26.05.2015
Text: Wolfgang Ehmke