Terrorkrieg: Türkei, Deutschland, Syrien – ein Überblick
Geheimdienst-Apparate in Türkei und Deutschland weiter ohne Opposition. Geheimdienstchef und faktischer Machthaber in der Türkei Hakan Fidan weiter im Amt, neues Attentat auf Kurden. U.S.A. drohen Syrien offen mit Angriffskrieg, benutzen in Syrien von U.S.-Zentralkommando geführte kurdische Verbände.
Nach dem Scheitern des offenkundig vom „Westen“ insgesamt und operativ mutmaßlich vom U.S.-Zentralkommando (Centcom) gestützten Militärputsches in der Türkei, hat diese die U.S.-Hegemonie (Nordatlantikpakt, „Europäische Union“, etc) faktisch verlassen. Nichtsdestotrotz bleibt der „neben Erdogan als der mächtigste Mann im Staat“, M.I.T.-Präsident Hakan Fidan, weiter im Amt, obwohl er für Nichtblinde die operative Schlüsselfigur des Militärputsches repräsentiert.
Informationsindustrie und etablierte Massenmedien, explizit in der Berliner Republik, versuchen alles um die tatsächliche Entwicklung zu verschleiern. Und weder in der angeschlagenen, aber sich für eine Reform der von der Militärdiktatur im Jahre 1980 erlassenen Verfassung gerade aufstellenden Republik Türkei, geschweige denn in der Berliner Republik, gibt es irgendeine Opposition gegen den Geheimdienste-Apparat, obwohl sich dieser unleugbar massiv in die Regierungspolitik einmischt und im Zuge des fünfzehnjährigen weltweiten Terrorkrieges ein Eigenleben führt.
Die Demokratische Volkspartei H.D.P. („Halkların Demokratik Partisi“) der Türkei, in Deutschland regelmäßig als „Kurdenpartei“ verkürzt, repräsentiert die einzige linksdemokratische Kraft im Parlament in Ankara, die es bei der letzten Wahl sogar über die extra für sie installierte Zehn-Prozent-Hürde geschafft hat. Zudem stellt die H.D.P. die einzige Schutzmacht in der Türkei dar, die sich vor die überall auf dem Planeten notorisch gefährderten Minderheiten stellt, wie die Mitglieder der in Deutschland gerade noch legalen Klugscheißer-Partei, die es allerdings auch hierzulande immer noch nicht über die 0,5 Prozenthürde geschafft hat.
Wie selbst die konservative „Hurriyet“ in einem von mehreren erstaunlich liberalen Artikeln der letzten Zeit feststellte, war die H.D.P. in der Putschnacht die erste Parlamentspartei, die sich gegen den Militärputsch stellte – frontal und „aus Prinzip“. Zwölf Prozent der in der Putschnacht auf den Straßen befindlichen Demokratieanhänger waren H.D.P.-nah, Kurden.
Nichtsdestotrotz kann die H.D.P., ausgerechnet in diesen so entscheidenden Tagen, offensichtlich nicht aufhören vom Gesundheitszustand Abdullah Öcalans zu reden, dem seit 1999 in der Türkei Haft sitzenden ehemaligen Führer der P.K.K.
Noch dümmer geht es nicht.
Es ist nicht nachzuvollziehen, dass a) irgendjemand ernsthaft angebliche Äußerungen von Öcalan für relevant hält, die Fidan und der Geheimdienst M.I.T. selbst nach draußen dringen lassen und b) dass es immer noch Leute gibt, die das Prinzip des „bewaffneten Kampfes“ der P.K.K. für rational oder sinnvoll halten.
Gerade in den letzten Tagen muss jedem denkenden Menschen mit politischen Grundkenntnissen klar geworden sein, dass die P.K.K. zum tausendsten Male die Interessen des Militärs, des Kriegs-und Spionage-Apparats (darunter C.I.A., M.I.6, B.N.D., M.I.T., etc) bedient und gleichzeitig die kurdischen Interessen – auch und gerade die der H.D.P. – massiv schädigt; übrigens nicht nur in der Republik Türkei, sondern darüber hinaus.
Das heutige, gewohnt skrupellose und heimtückische Attentat gegen eine auf den Straßen tanzende kurdische Hochzeitsfeier in Gaziantep spricht die Sprache und befördert die Dynamik des Terrorkrieges. Nützen tut dieses Massaker, meiner bescheidenen Ansicht nach, neben den üblichen Kriegsgewinnlern vor allem dem in der Türkei immer noch an der Macht befindlichen Fidan und dessen Kumpanen aus der „intelligence community“ der U.S.-Hegemonie, die sich aus der Türkei derzeit so ungewohnte, lästige Fragen stellen muss: wie gestern die C.I.A. und der Bundesnachrichtendienst und dessen Informationsglucken im Auswärtigen Amt von Mr. Frank-Walter „ich flieg demnächst in die Politluft“ Steinmeier.
Da schafft so ein Attentat natürlich Luft, vor den in der Luft liegenden drohenden Schwierigkeiten; gerade dann, wenn man angesichts des Ausbüchsens der Türkei aus der eigenen Hegemonie, dem Scheitern von „Flüchtlingspakt“ und E.U.-Expansionsstrategie hin zur Mittelmeerunion und dem Scheitern des dafür elementaren „Regime Change“ in Syrien wenigstens den Staat Syrien noch irgendwie sprengen will und nun – ohne die bisherigen Umwege über geführte Söldnerheere und Milizen („Islamischer Staat„, „Al Nusra“, „Freie Syrische Armee“ etc, etc) – Syrien direkt mit Krieg droht.
Dabei kann die faktisch vom Militär dominierte U.S.-Administration, mit ihrem vorgeschobenen Garderobenständer und Unterschriftenautomaten Barack Obama, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten der Y.P.G. in Syrien benutzen, welche so dumm war, sich im Oktober 2015 unter das Dach dieser „Syrian Democratic Forces“ S.D.F. (#SDF) zu begeben, die offensichtlich vom U.S.-Zentralkommando geführt werden.
Die militärische Lage in Syrien ist für die Meisten in der Öffentlichkeit verworren. Die syrische Armee ist bereits vor geraumer Zeit dazu übergegangen, in den Regionen neue Verbände als Milizen aufzustellen, die unter dem Kürzel N.D.F. („National Defense Force“) operieren. Deren Feldkommandeure operieren meist unabhängig.
Wer nun die derzeitigen Kämpfe zwischen den U.S.-geführten S.D.F.- Verbänden (in die wie gesagt die kurdischen Y.P.G-Einheiten integriert wurden) und den syrischen Regierungsmilizen der N.D.F. in Hasakah begonnen hat? Alles deutet auf die U.S.-geführten S.D.F.-Verbände. (Wie zu lesen ist, wird derzeit wieder verhandelt).
Warum nun die Regierung in Damaskus, wie auch die Russische Föderation, dieser für sie gefährlichen Entwicklung so bizarr zuarbeitet und auch noch kurdische gebiete bombardiert, ist wieder einmal nicht nachzuvollziehen. Wie wir bereits mehrfach geschrieben haben, scheint die Politik des Kreml eher darin zu bestehen den Krieg in Syrien weiterlaufen zu lassen, anstatt ihn zu beenden. Das ist, was passiert. Seit fünfeinhalb Jahren, mit Hunderttausenden von Toten, ohne das Syrien irgendein anderes Land angegriffen hätte.
Von Absprachen zwischen dem Kreml und Ankara muss nach dem Besuch von Tayyip Erdogan und den entsprechenden Ankündigungen von gemeinsamen Vorgehen in Syrien ausgegangen werden. Zu lösen ist diese neue Situation um Hasakah nur durch direkte Kontakte von Damaskus und Moskau mit der kurdischen Mutterpartei der Y.P.G.-Milizen, der P.Y.D. („Partiya Yekitîya Demokrat“).
Deren Vorsitzender Saleh Muslim hat in den letzten Jahren, jedenfalls bisher, rational und geschickt agiert; einerseits hat er keinen Krieg mit der syrischen Regierung begonnen und nicht zu deren Sturz beigetragen, was den „Verantwortungsbereich“ des U.S.-Zentralkommandos von Bagdad bis Gaza praktisch explodieren und in das von U.S.-Regierung und U.S.-Militär seit 2006 in Spieltheorien anvisierte Chaos mit anschließender „Neuordnung“ versinken lassen würde (wir berichteten 1, 2, 3)
Andererseits hat sich Saleh Muslim und die Partei P.Y.D. sowohl mit ihrer faktischen Unterstellung ihrer Y.P.G.-Einheiten unter die S.D.F. und damit das U.S.-Zentralkommando im Oktober 2015, als auch mit ihrem Ausrufen eines Gebildes namens „Rojava“ in Syrien im März 2016 genau auf diese imperialistische Agenda des U.S.-Imperiums eingelassen.
Die kurdische P.Y.D. wäre im eigenen Interesse gut beraten, ganz schnell wieder einen Ausgleich mit der Regierung in Damaskus herzustellen. Ein souveränes Kurdistan in der Region wird es nicht geben. Es bleibt der legitime Anspruch auf eine föderale, eine Bundesrepublik Syrien, die eine Selbstverwaltung der kurdischen Gebiete einschliesst, bis an die Grenze des für den Bundesstaat Erträglichen (Beispiel Bayern).
Diese Chance sollte sich die syrische P.Y.D. nicht entgehen lassen; genauso sollte die türkische H.D.P., im Interesse der Kurdtürken und ihrer Wählerinnen und Wähler in der Türkei, dem „bewaffneten Kampf“ und der P.K.K. endgültig eine Absage erteilen und dafür von der türkischen Regierung, namentlich Ministerpräsident Binali Yildirim, die von diesem bereits in Aussicht gestellte Mitarbeit beim Entwurf der neuen Verfassung einfordern. Ebenso bietet es sich für die H.D.P. an, nicht nur die Repression gegen die ihr nahestehende Zeitung „Özgür Dündem“ zu beklagen, sondern das Bündnis mit anderen Zeitungen zu suchen, wie z.B. der „Hürriyet“, deren Autor Arda Akin nur deswegen in Haft sitzt, weil er es wagte darauf hinzuweisen, dass M.I.T.-Präsident Fidan der Kollaboration beim Militärputsch verdächtigt und von der Istanbuler Staatsanwaltschaft vorgeladen wurde.
Zur „Opposition“ in Deutschland bleibt zu sagen, dass es sie nicht gibt. Jedenfalls nicht im Parlament, nicht einmal in irgendeinem Länderparlament.
Zehn Tote und vier „Vorfälle“ in Deutschland im Zuge einer von uns bereits nach dem Würzburg-Attentat identifizierten psychologischen Kriegführung zwecks Akzeptanz von Krieg, politischer Verfolgung und Massenüberwachung, die bemerkenswerte Interview-Hellseherei des bayrischen Innenministers Joachim Herrmann vor dem „Amoklauf“ in München, der hemmunglose Erpressungsversuch von Staat und Regierung gegen die Republik einen Militäreinsatz der Bundeswehr im Inneren durchzusetzen, mitsamt einer Welle neuer repressiver „Überwachungs“– und „Sicherheits“-Gesetze im Zuge einer nun „gezielten“ Totalüberwachung und damit einhergehenden politischen Verfolgung, das alles reichte diesem Parlament mit der Selbstbezeichnung „Bundestag“ nicht aus, um nur ein einziges Mal zu tagen.
Auch von den zuständigen Gremien – wie Innenausschuss, Verteidigungsausschuss, parlamentarisches Kontrollgremium, G-10 Kommission – tagte nicht ein einziges.
Dass die Abgeordnete Sevim Dagdelen („Die Linke“) nun, wo die Türkei geostrategisch den Kurs gewechselt und dem von allen Parteien in Deutschland anvisierten neuen „Heiligen Römischen Reiches Europäischer Nation“ eine Absage erteilt hat, plötzlich Auskunft vom Bundesnachrichtendienst über die Türkei als „zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ erhält (Achtung Sachbearbeiter!), scheint nur für die Mitglieder der erwähnten Klugscheißerpartei nachvollziehbar.
Dass es sich dabei seinerseits um einen bemerkenswerten Kurswechsel des B.N.D. handelt, der in enger Kooperation mit dem Auswärtigen Amt und mutmaßlich in jahrelanger Zuarbeit mit seinen türkischen „Kameraden“ im geheimdienstlichen Komplex, diese Gruppen der „syrischen Opposition“ selbst herangezüchtet hat, wird der deutschen Öffentlichkeit gerade durch die „Opposition“ in Deutschland mutwillig verschwiegen. (22.05.2013, Syrien: The Day After für den Bundesnachrichtendienst)
Natürlich war Sevim Dagdelen, Kollege Rolf Mützenich („Sozialdemokratische Partei Deutschlands“), und allen anderen verhinderten Teppichvertretern auch diese Angelegenheit keine Sondersitzung des Bundestages oder eben jener „zuständigen Gremien“ wert.
Noch einmal in Zeitlupe: die Regierung veröffentlicht auf eine plötzlich in der ansonsten streng eingehalten Urlaubs- / Friedhofsruhe des Parlaments eingereichte Kleine Anfrage der „Linken“ im Bundestag Dokumente, die nahelegen, ein N.A.T.O.-Staat decke Terrorismus, beherberge aber gleichzeitig deutsche Luftwaffen-Einheiten im Krieg „gegen den Terror“ in Syrien und Irak – und keiner Partei ist das auch nur eine Sitzung eines einzigen parlamentarischen Gremiums wert, geschweige denn des Bundestages insgesamt.
Und was noch viel erbärmlicher ist – keiner in der Öffentlichkeit, mit Ausnahme von uns, verlangt das überhaupt noch.
An der Politik- und Demokratiefähigkeit fast der gesamten deutschen Bevölkerung sind ernsthafte Zweifel zugelassen. Von diesbezüglicher Kritik an den Türken, die selbst für die Reste ihrer Demokratie immerhin ihr Militär in die Flucht geschlagen haben, sollten die Deutschen tunlichst absehen. Stattdessen sollten sie zusehen, sich und ihre Demokratie nicht schon wieder wahlweise zu Pottwal oder Petunientopf machen.