Gedenken an Putsch in Chile, Rechte sorgt für Eklat im Parlament
Tausende Menschen haben am Sonntag in Chile in Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen an den Putsch gegen die gewählte Regierung von Präsident Salvador Allende vor 43 Jahren erinnert.
Der größte Demonstrationszug formierte sich in Santiago de Chile, wo Aktivisten, Opfer der Diktatur und Menschenrechtsaktivisten am Jahrestag des Putsches traditionell an den Sturz der Regierung Allende und die Folgen erinnern. „Gefangene und verschwundene Genossen, ihr seid unter uns. Genosse Salvador Allende, du bist unter uns. Für jetzt und immer, für jetzt und immer“, skandierten die Teilnehmer, die schwarz-weiße Fotos der Mordopfer auf Schildern trugen. Am Präsidentenpalast La Moneda legten die Demonstranten, unter ihnen viele Künstler und Intellektuelle, ein Blumengesteck nieder. Am Eingang der Straße Morandé 80 hatte Allende das Gebäude üblicherweise betreten. Der sozialistische Politiker kam bei dem Putsch im Präsidentenpalast ums Leben. Während der Pinochet-Diktatur wurden laut offiziellen Zahlen 3.200 Menschen getötet und mehr als 38.000 gefoltert. Der Großteil der Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt.
Am Vorabend des 11. September 1973 haben mehrere Dutzend Angehörige von Verschwundenen die ehemalige Colonia Dignidad besucht. In einem entlegenen Waldstück innerhalb der Deutschensiedlung gedachten sie ihrer ermordeten Familienmitglieder. An jener Stelle hatte ein chilenischer Ermittlungsrichter im Jahr 2006 Massengräber gefunden, wo dutzende politische Gefangene nach ihrer Hinrichtung verscharrt worden waren. Die Leichen der dort begrabenen Personen waren jedoch einige Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod von Mitgliedern der Colonia Dignidad wieder ausgegraben und verbrannt worden, so dass die Opfer bis heute nicht identifiziert werden konnten. Ehemalige Mitglieder der Colonia Dignidad hatten dem Richter von den Erschießungen berichtet, ohne jedoch Namen von Tätern und Opfern zu nennen. Myrna Troncoso, Sprecherin der Angehörigenverbände der Region, forderte in ihrer Rede die chilenische und deutsche Regierung auf, konkrete Schritte zu unternehmen, um dem Tourismus in der Siedlung ein Ende zu setzen. „Es ist unerträglich, dass an einem der wichtigsten Mord- und Folterstätten der Diktatur heute Feste gefeiert werden.“ Die Siedlung heißt heute Villa Baviera (Bayerisches Dorf) und richtet jährliche unter anderem ein Oktoberfest aus.
Im chilenischen Abgeodnetenhaus hatte die rechtsgerichtete Partei UDI bereits vor dem Tag des Putsches für einen handfesten Skandal gesorgt. 30 Jahre nach einem Attentat auf Diktatur Pinochet setzte der UDI-Abgeordnete Ignacio Urrutia eine Gedenkminute für fünf Leibwächter durch, die den Angriff mit ihrem Leben bezahlt hatten. „Heute jährt sich der Mordversuch gegen meinen General Pinochet zum 30. Mal, bei dem fünf Leibwächter starben. Alle Mörder sind frei, auch der Hintermann, der heute hier anwesend ist.“ Obwohl die Einlassung zu einem Eklat führte, konnte der sozialdemokratische Parlamentspräsident Osvaldo Andrade die Gedenkminute mit Verweis auf die Geschäftsordnung nicht verhindern. Der Antrag auf ein Gedenken für Widerstandskämpfer der Gruppierung MIR und ermordete Mitglieder der Kommunistischen Partei konnte hingegen nicht durchgesetzt werden.
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04.08.2016 Deutsche Botschaft in Chile hat Verantwortliche der Colonia Dignidad mit Absicht eingeladen
Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de am 12. September 2016
Quelle: nodal