JASTA: U.S.-Kongress beendet Immunität für Staatsverbrecher, aus dem Ausland
Fünfzehn Jahre nach Beginn des Terrorkrieges und den Attentaten vom 11. September 2001 bröckelt die internationale Doktrin der „Staatenimmunität“.
Gestern Nacht fügte der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika dem Präsidenten eine schwere Niederlage zu. Mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit überstimmten beide Kammern, Repräsentantenhaus und Senat, das Veto von Barack Obama gegen den „Justice Against Sponsors of Terrorism Act“ (JASTA). Damit tritt dieses Gesetz nun in Kraft (wir berichteten).
Das Gesetz greift ein in das bisherige Prinzip der „Staatenimmunität“ („State immunity“). Grob erklärt besagt diese Doktrin, dass ausländische Regierungen und deren Geheimdienste, Militärs, Söldner, Spione für ihre Verbrechen wie Massenmorde, Folter, Attentate oder Massenüberwachung nicht von den Betroffenen verklagt werden dürfen.
Beispiel: Im Februar 2012 entschied der internationale Strafgerichtshof, dass aufgrund der „Staatenimmunität“ die Regierung von Deutschland wegen der Verbrechen des deutschen Militärs in der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg keine Entschädigungen an Bürger von Italien zahlen muss. (Ob und wie die Republik als Rechtsnachfolge des faschistischen Deutschlands gilt, soll hier einmal beseite gelassen werden; Thema ist die Doktrin der Immunität für staatliche Verbrecher.)
Konkret verändert nun der gestern gegen den U.S.-Präsidenten durchgesetzte „Justice Against Sponsors of Terrorism Act“ (JASTA) den „Foreign Sovereign Immunities Act“. Bislang gibt dieser allen ausländischen Verbrechern auf dem Planeten Erde faktisch eine Carte Blanche für Verbrechen gegen die eigenen U.S.-Bürger, solange diese Verbrechen bloß im Auftrag eines ausländischen Staates erledigt werden.
Einzige Ausnahme: der im Jahre 2008 hinzugefügte Zusatz §1605 erlaubt es U.S.-Amerikanern bzw deren Hinterbliebenen andere Regierungen und deren Angestellte wegen „Akten der Folter, außergerichtliche Tötungen, Sabotage an Luftfahrtzeugen und Geiselnahmen“ zu verklagen, aber nur, wenn diese Staaten auf der Liste des State Department (U.S.-Außenministerium) als „Sponsoren von Terrorismus“ stehen.
Das wiederum sind ganze drei: Iran, Syrien und Sudan.
Es liegt nahe, wie nervös Mörder, Folterer, Spione, im staatlichen Auftrag handelnde Verbrecher überall auf dem Planeten bezüglich dieses neuen Gesetzes in den Vereinigten Staaten von Amerika sein müssen, wenn sie im Auftrage eines anderen Staates als Iran, Syrien oder Sudan agieren. Saudi-Arabien ist da nur ein Beispiel.
Gerade in Deutschland wird ja in der letzten Dekade einer ganz großen Koalition nach Morden, Attentaten und „Vorfällen“ besonders darauf geachtet – Adam Smith würde jetzt sagen: „mit unsichtbarer Hand“ – sich bloß keine ganz normalen Gerichtsverfahren einzufangen. Denn das würde ja eine Beweisführung der Anklage verlangen, anstatt dass sich „Opposition“, Presse, Funktionäre, etc, kollektiv den Anklägern aus dem Staat und seinem international engmaschig vernetzten geheimdienstlichen Komplex vor die Füße werfen und dessen Tatversionen ohne Gerichtsverfahren übernehmen.
Man stelle sich jetzt nur mal eine Zivilklage der Opfer bzw Angehörigen von Würzburg (18.7.), München (22.7.), Reutlingen und Ansbach (24.7.) nicht nur gegen ausländische staatliche Stellen vor.
Grundsätzlich bricht das neue U.S.-Gesetz mit einer für den Terrorkrieg und dessen Kriegslogik essentiellen Doktrin, die zynischerweise als Teil des Völkerrechts verkauft wird: der Unantastbarkeit von Regierungen gegenüber der zivilen Gerichtsbarkeit. Bislang konnten so Regierungen über Bande spielen, Verbrechen im eigenen Land durch Handlanger anderer Regierungen ausüben lassen mit denen sie selbst zusammen arbeiteten und so Gewaltenteilung und Gerichtsbarkeit umgehen.
Natürlich gibt es im „Justice Against Sponsors of Terrorism Act“ die üblichen Lücken: der U.S.-Justizminister, der gleichzeitig auch leitender Staatsanwalt ist (Attorney General), kann jedes entsprechende zivile Gerichtsverfahren 180 Tage lang blockieren, mit Zustimmung des Gerichts weitere 180 Tage.
Trotzdem schafft dieses Gesetz einen Präzedenzfall und löst bei gewissen Kräften, namentlich den bisherigen Profiteuren des fünfzehnjährigen Terrorkrieges, große Besorgnis aus. Das Kultblatt aller Kapitalisten „Forbes“ schrieb, Obama habe gewarnt, dass „Untersuchungen“ der Regierungen nach Attentaten durch Klagen von U.S.-Bürgern „gefährdet“ werden könnten, weil diese die zivilen Gerichte dazu benutzen könnten
„mit Zeugen und Beweisen herum zu pfuschen.“
Das Gesetz gilt für alle „Verletzungen einer Person, von Eigentum oder Geschäft am oder nach dem 11. September 2001“.
(…)
Anm.: In diesem Artikel wurde die Abkürzung „JASTA“ nicht als solche durch Punkte gekennzeichnet.