Mit „Summit Basecamp“ bestimmt Facebook wie und was Schüler an Schulen lernen

Privatsphäre adé: Kommerzielle Organisationen übernehmen die Regie und Aufsicht über die Lehrpläne an öffentlichen U.S.-Schulen und speichern Daten. Welchen Einfluss nehmen sie auf den Inhalt der Aufgaben?

Facebook, Google, die Michael and Susan Dell Foundation, die Bill and Melinda Gates Foundation und andere Organisationen haben einen neuen Coup gelandet, weiter in den persönlichen Bereich der Menschen einzudringen.

Dieses Mal sind das Wissen über den einzelnen Schüler und seine Leistungen das Ziel des Datensammeln zur Vervollkommnung der „Akte Mensch“, die über jede einzelne Person angelegt wird.

Unter dem Deckmantel, dem maroden Schulsystem in den Vereinigten Staaten von Amerika kostenlos unter die Arme zu greifen, wurde für das individuelle Lernen „Basecamp“ entwickelt, welches an „Partnerschulen“ genannten staatlichen, öffentlichen Schulen bundesweit eingeführt und von den Schuldirektionen akzeptiert wurde. Spezielle „Partner-Mentoren“ wurden für jede Schule bereit gestellt.

Vor zwei Jahren als Pilotprogramm an einigen Schulen an der Westküste der U.S.A. eingeführt, sollen über 20000 Schüler in Chicago und Washington D.C. mit der Software „Basecamp“ von Facebook unterrichtet werden. Zur Zeit arbeiten vollzeitbeschäftigt zwanzig Ingenieure, Produktmanager und Designer an dem Programm.

In diesem Kontext dürften die in letzter Zeit vermehrt aufgetretenen veröffentlichten Berichte einzuordnen sein, dass Schüler einkommensschwächerer Eltern weniger Chancen haben, die Hochschulreife zu erwerben und ein Studium aufzunehmen und dass das ganze Bildungssystem der U.S.A. am Boden liegt. Diese Strategen planen im Voraus um Kritik und Widerstände über Bedenken zur Privatsphäre zu minimalisieren.

„Basecamp“ ist ein personalisiertes Lernen, mit dem die Schüler an Einzelplätzen an den Schulcomputern oder jedem anderen, auf dem die Software installiert wurde, Aufgaben in den verschiedenen Schulfächern lösen müssen. Das Programm läuft direkt über Server von Facebook (angeblich nicht) und darin zeigt sich das grosse Datenschutzproblem.

Um die Initiatoren abzusichern, müssen die Eltern ihre Einwilligungserklärung dazu geben, denn die personenbezogenen Daten der Namen, Email-Adressen, Schularbeiten, Noten und Internet-Aktivitäten, der Browser, Cookies, Geräte und Geräteerkennung werden gespeichert. Diese können an Dritte weitergeleitet werden (angeblich nicht).

Eltern, Schüler und Lehrer werden wohl kaum erfahren können, was sich dort hinter den Kulissen abspielt. Und wie reagieren aufgeklärte Eltern, wenn sie von ihrem Kind zu hören bekommen, dass es sich ausgeschlossen fühlt wenn die ganze Klasse daran teilnimmt. Sie stehen unter massiven Druck des Gruppenzwangs.

Mit diesem Jahreslehrplan und den maßgeschneiderten Lektionen werden die kognitiven Fähigkeiten, der jeweilige Stand und Fortschritte erfasst, auf welchem Niveau sich der Schüler befindet (ob er nachlässig oder fleissig ist oder Schwierigkeiten mit der Bewältigung der gestellten Aufgaben hat. Ein gefundenes Fressen, um in der Tat auf bequeme Art ein Persönlichkeitsprofil schon in diesem Alter zu erhalten.

Gegen das Lernen am Computer in der Schule ist nichts einzuwenden solange keine Daten gespeichert und nach ausserhalb gesandt werden.

Ein Lehrplan, zugeschnitten auf persönliches Lernen, ist normalerweise ein herausragendes Merkmal von Eliteschulen und in der Reformpädagogik, welche gute Ergebnisse erzielen. Diesem Ruf, das Schüler nach ihrem eigenen Tempo lernen, bedienen sich ganz raffiniert oben genannte Organisationen und werben mit Vorteilen für Eltern mit geringen Einkünften.

Anstatt ihnen wegen Geldmangel und Beschwatzen auf dem Leim zu gehen, sind genügend gut ausgebildete Lehrer vonnöten. Wenn den Datenkraken die Bildung so am Herzen liegt, sollen sie selbstlos kostenlose Computer für die Klassenzimmer bereitstellen ohne ihre Überwachungs-Schul-Software, deren Erfolg mit besseren Noten bisher nicht nachgewiesen werden konnte.

Eine weitere Frage – und die wichtigste – wirft sich unweigerlich auf. Welchen Einfluss auf den Inhalt der Lernaufgaben haben diese Grossmogule? Bei Naturwissenschaften wie Mathematik, Physik, Chemie oder Geografie kann nicht manipuliert werden, obwohl sich jetzt einige führende U.S.-Politiker mit ihrem Wahlkampfgewäsch auf diesem Gebiet öffentlich so dumm wie Bohnenstroh geoutet haben.

Ganz gefährlich wird es bei Geschichte, Landeskunde, Biologie, Ethik, Umweltfragen, Religion oder Politik, vor allem, wenn die Bill and Melinda Gates Foundation mit im Boot sitzt. Von einer unabhängigen Schulausbildung, wie es die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vorschreibt, kann keine Rede mehr sein. Vielleicht ist das der Hauptgrund, Projekte dieser Art von „nationaler Entwicklungshilfe“ zu starten – unter Umgehung der Constitution.

Facebook wird eine grosse Promotion-Aktion nach der „erfolgreichen Einführung“ in den U.S.A. starten und versuchen, international den Bildungsministerien ihr Ding zu verkaufen. Vielmehr zu verschenken, im eigenen und anderer Interesse, aber nicht der Schüler. Warten wir es ab, es wird nicht lange dauern bis die hiesigen zuständigen Behörden mit diesem oder ähnlichem Vorschlag angetippelt kommen.

Quelle: https://www.washingtonpost.com/local/education/facebook-backed-school-software-shows-promise–and-raises-privacy-concerns/2016/10/11/2580f9fe-80c6-11e6-b002-307601806392_story.html