Brutale Polizeigewalt in der Türkei: Ärzteorganisation protestiert gegen Verhaftung von Bürgermeistern
Mitteilung der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) vom 27.10.2016
Bürgerkrieg droht zum Flächenbrand zu eskalieren
Die deutsche Sektion der IPPNW protestiert auf das Schärfste gegen die Verhaftungen und die exzessive Polizeigewalt in Diyarbakir im Südosten der Türkei. Am Abend des 25. Oktober 2016 wurden die Ko-Oberbürgermeister der mehrheitlich von Kurden bewohnten Großstadt im Südosten des Landes verhaftet. Gültan Kisanak und Firat Anli, die sich den Posten des Oberbürgermeisters teilen, wie es in den kurdisch regierten Kommunen üblich ist, haben wir auf unseren Delegationsreisen als offene und besonnene GesprächspartnerInnen kennengelernt, die ihre ganze Kraft in die Entwicklung ihrer Stadt und in die Bemühungen um Frieden investieren. Sie genießen in der Bevölkerung hohes Ansehen.
Ihre Verhaftung, die Besetzung des Rathauses durch die Polizei und die Installation eines staatlichen Verwalters statt der gewählten Bürgermeister gießen Öl ins Feuer der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden.
Wir sind in großer Sorge um die Gesundheit der Verhafteten. Gerade erst hat Human Rights Watch Beobachtungen veröffentlicht, nach denen der Verdacht besteht, dass in Polizeigewahrsam in der Türkei wieder gefoltert wird wie in den 90er Jahren. Auch deutsche Fernsehzuschauer mussten sich nach dem Putschversuch im Juli diesen Jahres davon überzeugen, da die Verhafteten mit deutlichen Folterspuren der Presse präsentiert wurden. Viele Menschen, die mit der brutalen Politik der türkischen Regierung nicht einverstanden sind, warten verzweifelt und bisher vergeblich auf Signale aus Europa. Die europäischen Regierungen ducken sich weg, weil sie in der Türkei eigene Interessen verfolgen.
Das, was im Südosten der Türkei geschieht, ist schon längst keine innere Angelegenheit des NATO-Partners mehr. Es herrscht ein gnadenloser Bürgerkrieg, der neue Flüchtlingsströme erzeugt und in dieser instabilen Region zum Flächenbrand zu eskalieren droht.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen in der Türkei, die sich für Frieden und Aussöhnung und die Umsetzung der Menschenrechte einsetzen und sehen mit Sorge, wie sich ihre Situation immer weiter verschlechtert und ihr Leiden kaum noch eine öffentliche Stimme findet.