Die russische Marine ist zurück
Russlands Entsendung einer aus zehn Schiffen bestehenden Flotte an die syrische Küste hat einige Empörung und jede Menge Spott im Westen hervorgerufen. Besonders als eines der MiG-29K Kampfflugzeuge an Bord beim Start vom einzigen russischen Flugzeugträger, dem veralteten Admiral Kuznetsov, der über keine Katapulte verfügt, ins Meer stürzte.
Mit im Verband der Kuznetsov sollen zwei atomgetriebene Angriffs-U-Boote der “Akula“-Klasse sein, die von der westlichen Marine sehr gefürchtet werden. Auf der Wasseroberfläche befindet sich der kampfstarke mit Raketen bewaffnete Kreuzer „Peter der Große.“ Anders als westliche Kriegsschiffe, die im Wesentlichen zerbrechliche mit Elektronik vollgepackte Blechbüchsen sind, ist „Peter der Große“ gepanzert und gebaut, um Treffer auszuhalten. Weitere russische Raketenfregatten und Versorgungsschiffe liegen ebenfalls vor Syrien.
Washington hasst es, wenn die Russen das zu tun wagen, was die Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg getan haben: eine Kanonenbootpolitik zu betreiben, wie eingeschränkt auch immer.
Da ich mich seit jeher für russische Marineangelegenheiten interessiert habe, verfolge ich den derzeitigen Einsatz von Kriegsschiffen der Nordflotte unter dem roten Banner mit großem Interesse.
Russland wollte seit den Tagen Peters des Großen Anfang des 18. Jahrhunderts eine bedeutendere Seemacht sein, war aber immer konfrontiert mit dem Fluch der russischen Geografie. Trotz des eingeschränkten Zugangs zu den Weltmeeren ist Russland weitgehend ein Binnenland, das sich über ungeheure Entfernungen erstreckt. Russland steht vor grografischen Hindernissen, wohin es sich auch wendet.
Von besonderer Bedeutung ist, dass Russlands größere Flotten – die nördliche, die baltische, die im Schwarzen Meer und die pazifische – aufgrund geografischer Hindernisse nicht imstande sind, sich zu verbinden, um sich gegenseitig zu unterstützen. Vergleichen Sie das mit der mächtigen US Navy, die alle Kriegsschiffe mit Ausnahme der größten vom pazifischen in den atlantischen Ozean verlegen kann und umgekehrt. Alle größeren Marinebasen der Vereinigten Staaten von Amerika gewähren leichten Zugang zum offenen Meer. Die einzigen russischen Häfen, die einen solchen bieten, sind das entlegene Vladivostok und das noch entlegenere Petropavlovsk auf der Kamtschatka – die keine Landverbindung zum restlichen Russland hat.
Kein Russe kann die Katastrophe des russisch-japanischen Kriegs 1904-1905 vergessen. Russlands pazifische Flotte war weitgehend in der Marinefestung von Port Arthur durch einen überraschenden japanischen Angriff blockiert, 38 Jahre vor dem Angriff auf Pearl Harbor.
In der Folge musste Russland seine baltische Flotte um mehr als die halbe Erdkugel in den Nordpazifik 33.000 km weit auf einer Fahrt der Verdammten schicken, die fast ein halbes Jahr lang dauerte. Ein unglückseliger Zusammenstoß im Nebel mit der britischen Heringsflotte provozierte fast einen Krieg mit Großbritannien, das ähnlich aufgeregt reagierte, als neulich Vladimir Putins Flotte auf dem Weg nach Syrien am Vereinigten Königreich vorbeifuhr.
Am 27. Mai 1905 wurde die vereinigte russische Flotte vor Korea bei Tsushima von Japans brillantem Admiral Hideko Togo angegriffen. Nach einer grimmigen Schlacht (ich bin selbst über diese Stelle gefahren) wurde die russische Flotte versenkt oder gefangengenommen – das erste Mal, dass eine westliche Macht geschlagen wurde. Tsushima war der Auslöser für die russische Revolution 1917.
Russlands Unfähigkeit, seine Flotten zusammenzulegen, war eine Gefahr für deren Niederlage in einem größeren Krieg. Im Zweiten Weltkrieg hatten die russischen Flotten mehr zu tun als Marineinfanterie bei Kämpfen an Land als bei Marineoperationen auf hoher See.
Während des Kalten Kriegs konnten die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten Russlands Flotten blockieren, indem die die Lücke zwischen Grönland, Island und dem Vereinigten Königreich verschlossen, dann die Ausgänge aus der Ostsee durch den Skaggerak und den Ausgang aus dem Schwarzen Meer durch den Bosporus. Die US-Navy plante, Russlands Häfen am Pazifik anzugreifen und die Transsibirische Eisenbahn zu unterbrechen, die diese versorgte. Zu guter Letzt konnte das SOSUS Unterwasserabhörsystem der Vereinigten Staaten von Amerika U-Boote der Sowjetunion von dem Zeitpunkt weg orten, da diese ihre Heimathäfen verließen.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion verfiel Russlands vernachlässigte Marine und rostete vor sich hin. Der gegenwärtige Einsatz in syrischen Gewässern ist ein wichtiges Zeichen, dass der Kreml die Absicht hat, einen Teil seiner ehemaligen Seemacht wieder herzustellen und die russischen Interessen in Syrien sicherzustellen, wo er in Tartus seit 1971 ein bescheidenes Nachschub- und Reparaturdepot betrieben hat.
Moskaus Einsatz von Marinekräften zum Abschuss von Raketen und zur Durchführung von Luftangriffen gegen jihadistische Rebellen in Syrien ist sein größtes Marineunternehmen seit 1990. Interessanterweise benützte Moskau sein fast vergessenes Geschwader im Kaspischen Meer, um Raketen gegen diese Jihadisten abzufeuern. Derartige Angriffe hätten nur von Land aus durchgeführt werden können.Der Kreml signalisierte damit, dass seine strategische Reichweite größer geworden ist.
Amerikas Legionen von kriegsgeilen Neokonservativen kreischen jetzt, dass die Entsendung der Roten Marine in syrische Gewässer irgendwie eine schwere Bedrohung für den Westen ist. Ist sie nicht.
Die US-Marine und die landgestützte Luftmacht der NATO könnten es leicht mit den Russen aufnehmen. Was die Neokonservativen wirklich beunruhigt, ist dass die russische Flotte einen israelischen Angriff auf Syrien und den Libanon abschrecken oder behindern könnte.
Und nebenbei bemerkt – darf Russland keine Marine haben? Die Küste Syriens liegt so nahe bei Russland wie Mazatlan in Mexiko bei Texas.
Orginalartikel „THE RUSSIAN NAVY IS BACK“ vom 19.11.2016
Quelle: http://antikrieg.com/aktuell/2016_11_19_dierussische.htm