Erprobungen mit Aolept und Megaphen: Heimkinder mussten BAYER-Arzneien testen

Bei den Medikamenten-Versuchen in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien, die in den 1950er und 1960er Jahren stattfanden, kamen auch Arzneien des Leverkusener BAYER-Konzerns zum Einsatz. Das ergaben Recherchen des NDR auf Basis der Forschungen der Pharmazeutin Sylvia Wagner.

So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung des ehemaligen Schleswiger Landeskrankenhauses zwei Pharmazeutika des Pharma-Riesen. Das Neuroleptikum Megaphen testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum Aolept mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“.

Die Ergebnisse der Pillen-Prüfungen publizierten die DoktorInnen in der Schriftenreihe des Hospitals, nicht ohne sich den Pharma-Firmen gegenüber erkenntlich zu zeigen. „Aufrichtig möchte ich den Bayer-Werken und den Ciba-Werken für die großzügige Überlassung von Versuchsmengen danken“, heißt es am Ende eines Artikels.

Weder die Kinder noch ihre Erziehungsberechtigten haben ihre Einwilligung zu den Tests erklärt. Zudem unterzogen die MedizinerInnen oftmals völlig gesunde Heranwachsende der Prozedur. Auch führten die ÄrztInnen in der Regel keine Voruntersuchungen durch.

„Das ist ethisch problematische Forschung. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: ‚Das ist ethisch unzulässige Forschung’“,

sagt die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx deshalb. Selbst damaligen Standards habe das Vorgehen der ÄrztInnen nicht entsprochen, konstatiert die Wissenschaftlerin.

„Arznei-Tests mit den Schwächsten der Schwachen haben bei BAYER leider eine unrühmliche Tradition. Der Konzern hat während des Dritten Reichs Medikamente gegen Fleckfieber und andere Präparate an KZ-Häftlingen ausprobiert. Und noch heute führt er klinische Erprobungen in armen Ländern wie Indien durch, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken“,

kritisiert Antonius Michelmann. Allein in dem Zeitraum von 2007 bis 2010 starben in dem Staat 138 Menschen bei den Erprobungen von Mitteln des Leverkusener Multis, so der Geschäftsführer der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Die Coordination fordert BAYER auf, Konsequenzen aus den Enthüllungen zu ziehen und die Opfer zu entschädigen.

„Der Konzern muss sich seiner Verantwortung stellen“,

mahnt Michelmann. Überdies stehen die Unternehmen dem Chemiker zufolge in der Pflicht, ihren Teil zur vollständigen Aufklärung des Skandals beizutragen.

http://www.cbgnetwork.org/6964.html

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