Bundesverfassungsgericht will Pipeline-Gesetz nicht prüfen: Krasse Fehlentscheidung

Pressemitteilung der Coordination gegen BAYER-Gefahren vom 17. Januar 2017

Das Bundesverfassungsgericht hat es in der vergangenen Woche abgelehnt, das nordrhein-westfälische Rohrleitungsgesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Eine entsprechende Richter-Vorlage zu dem Paragrafen-Werk, das den von der BAYER-Tochter COVESTRO verantworteten Bau einer Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld regelt, hatte das Oberverwaltungsgericht Münster gestellt. „Er begründet die angenommene Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nur unzureichend“, urteilte die 2. Kammer des Ersten Senats über den Antrag.

Das Bundesverfassungsgericht monierte unter anderem, das OVG habe dem weiten Spielraum, den die Verfassungsregelungen zu Enteignungen einräumen, nicht genügend Rechnung getragen. Überdies hätte es die Gründe nicht ausreichend gewürdigt, die das Pipeline-Gesetz zur Legitimation der Eingriffe anführt. Die drei Karlsruher RichterInnen selber ließen hingegen Sympathie für die Darlegungen erkennen, wonach die Rohrleitung zum Allgemeinwohl beitrage und Inbesitznahmen fremden Eigentums deshalb gesetzeskonform erfolgen könnten. So hielten die JuristInnen etwa in Übereinstimmung mit dem NRW-Gesetzgeber fest, „dass die vom Rohrleitungsgesetz zugelassene Enteignung nicht nur dem die Anlage betreibenden Unternehmen dient, sondern einer Vielzahl von Kohlenmonoxid verarbeitenden Betrieben in der Region zugutekommt“.

„Das Bundesverfassungsgericht will nicht über die Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes entscheiden, macht dann aber doch recht eindeutige Aussagen dazu“, kritisiert Antonius Michelmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Und dabei offenbarte sich Michelmann zufolge noch dazu ein eklatanter Mangel an Sachkenntnis. „Von der CO-Pipeline profitiert zum größten Teil, wenn nicht sogar ausschließlich die BAYER-Tochter COVESTRO. Und wenn es denn in Krefeld tatsächlich noch einen anderen Abnehmer für das Gas gäbe, so könnte ihn das Unternehmen bequem durch vor Ort per Steam Reformer produziertes Kohlenmonoxid bedienen, statt hochgefährliches Giftgas quer durch Nordrhein-Westfalen zu leiten.“

Mit der Möglichkeit, eine solche Vorrichtung zu bauen, hätte sich das BVG nach Meinung des CBG-Geschäftsführers unbedingt befassen müssen. Das Pipeline-Gesetz selber erklärt nämlich Enteignungen nur für zulässig, wenn „der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise, insbesondere aus Grundbesitz des die Anlage errichtenden und betreibenden Unternehmens, nicht erreicht werden kann“. Eben dies kann die COVESTRO aber durch einen Steam Reformer erreichen, wie sie am Standort Dormagen schon unter Beweis gestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht erachtet den Röhren-Verbund in Unkenntnis der Lage jedoch als alternativlos. Noch dazu schreibt es der CO-Leitung „eine vergleichsweise geringe Belastungsintensität“ zu und verharmlost damit das Kohlenmonoxid in unverantwortlicher Weise.

Nach dem Votum des BVG fällt die Zuständigkeit in Sachen „Rohrleitungsgesetz“ nun wieder dem Oberverwaltungsgericht Münster zu. Es hat die Möglichkeit, entweder seine Richter-Vorlage nachzubessern und erneut in Karlsruhe vorzulegen oder aber selbst ein Urteil darüber zu fällen, ob der Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline tatsächlich dem Allgemeinwohl dient und daher Enteignungen rechtfertigt oder aber nicht. „Schon allein die von der Pipeline ausgehenden Risiken sprechen jedem Verweis auf das Allgemeinwohl Hohn“, konstatiert Antonius Michelmann. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren erwartet deshalb, dass das Münsteraner Oberverwaltungsgericht das Verfahren wieder an sich reißt und den Klagen gegen die Enteignungen stattgibt.

Weitere Informationen zur CO-Pipeline hier.

Erstveröffentlichung am 17. Januar 2017 auf Coordination gegen BAYER-Gefahren

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