Die Liste der mehrheitlich islamischen Staaten, deren Bürgerinnen und Bürgern jetzt durch den Präsidentenbefehl („Executive Order“, vernebelnd „Dekret“ genannt) von Donald Trump die Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika verwehrt wird, taucht im Präsidentenbefehl nicht auf. Vielmehr wurde diese Liste noch in der Amtszeit des damaligen Präsidenten Barack Obama im Februar 2016 durch das sogenannte Heimatschutzministerium angefertigt, welches nun qua Präsidentenbefehl darüber entscheidet, aus welchen Ländern des Planeten Menschen in die U.S.A. einreisen dürfen.
Im Detail.
Die „Weltpresse“, vorneweg solche Hinterlandlampen wie die „Süddeutsche“, meldete gestern:
„Trump verhängt Einreisestopp für Menschen aus sieben muslimischen Ländern“
Weiter im Kleingedruckten hieß es dann:
„Die Staaten werden in der Anordnung nicht aufgelistet, es ist lediglich von Ländern die Rede, die „bestimmten Anlass zur Sorge“ hinsichtlich Terrorismus gäben. Dem Heimatschutzministerium zufolge sind Iran, Sudan, Syrien, Libyen, Somalia, Jemen und Irak betroffen.“
Auf der Webseite des Weißen Hauses, dem Präsidentenpalast der U.S.A.: keine Executive Order. Übrigens bis jetzt nicht. Das bemerkt auch „Lawfare“, welches den Präsidentenbefehl mit der Überschrift „Protecting the Nation from Foreign Terrorists Entry into the United States“ schließlich ins öffentlich zugängliche World Wide Web des Internets stellt. Der „Guardian“ stellt die Exekutive Order (ExO) ebenfalls ins Weltinformationsnetz und merkt dazu an, dass es durch die Pressestelle des Weißen Hauses versendet worden sei.
Außer Syrien wird keiner der überall erwähnten mehrheitlich islamischen Staaten in der ExO namentlich aufgeführt.
Trotzdem schwatzen alle, aber auch wirklich alle Nachrichtenmedien, Informationsportale, egal ob klein, groß, mächtich oder supermächtich, und natürlich die etablierten Nachrichtenagenturen nach, was ihnen irgendwelche Pressesprecher vorsprechen. Es bleibt sogar unklar, ob Inhaber der „Green Card“ unter den Befehl fallen. Dazu werden sich verändernde Statements aus dem „Heimatschutzministerium“ zitiert, welche via email versendet werden („said in an email.„).
Keine der Myraden von Flachpfeifen auf dem Planeten, die sich „Juristen“ nennen, gibt dabei zur Sache irgendeine sachlich informative und zutreffende Analyse ab – von „Journalisten“ oder Funktionären ganz zu schweigen.
Bei „Yahoo“ heisst es:
„Offizielle beeilten sich die neue Executive Order zu verstehen“
Bei „CBS“ bzw einer Meldung der „associated press“ (ap) heisst es, es sei
„vom im Befehl zitierten Gesetz her unklar welche Länder betroffen seien“.
Interessanterweise wird auf einen vorab von „ap“ eingesehenen Entwurf der Executive Order verwiesen, in dem wiederum auf eine juristische Bestimmung verwiesen worden sei, in der Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen aufgelistet seien. D.h.: die ExO wurde vor Versendung durch das Weiße Haus verändert – mutmaßlich, um dessen tatsächlichen Inhalt und die ausführende Rechtswirkung zu verschleiern.
Noch heute zitiert die „New York Times“ in einer Analyse den entscheidenden Passus der ExO bezüglich der vom Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten betroffenen Länder:
„. . . I hereby proclaim that the immigrant and nonimmigrant entry into the United States of aliens from countries referred to in section 217(a)(12) of the INA, 8 U.S.C. 1187(a)(12), would be detrimental to the interests of the United States, and I hereby suspend entry into the United States, as immigrants and nonimmigrants, of such persons for 90 days from the date of this order . . .“
Dazu schreibt die „New York Times“ dann:
„Die Länder sind Irak, Syrien, Iran, Sudan, Libyen, Somalia und Jemen“
Wie die „New York Times“ darauf kommt, sagt sie nicht. Wahrscheinlich weiß es die Redaktion einfach nicht.
Das Gleiche im „Atlantic“:
„Diese sieben Länder sind aufgelistet unter Section 217(a)(12) vom INA, 8 U.S.C. 1187(a)(12) vom U.S. Code (Anm.: Gesetzgebung), und es ist diese Gesetzgebung, die Trumps Executive Order zitiert, während sie die Bürger dieser Nationen bannt.“
Das ist Mist. Die genannten sieben Länder werden in Section 217(a)(12) des „Immigration and Nationality Act“ (INA) nicht aufgeführt. Namentlich aufgeführt werden dort lediglich Irak und Syrien.
Der Hintergrund ist eine verschleierte Rückwirkung der ExO.
Auf der Webseite des Heimatschutzministeriums hat INA Section 217(a) interessanterweise nur elf Unterpunkte. Einen Unterpunkt 12 gibt es dort nicht.
Zu finden ist Unterpunkt 12 von Section 217(a) des „Immigration and Nationality Act“ (INA) aber auf dieser Universitätsquelle. Unterpunkt 12 hat die Bezeichnung:
„Not present in Iraq, Syria, or any other country or area of concern“
Und in Unterpunkt D („Countries or areas of concern“) von Unterpunkt 12 von Section 217(a) des „Immigration and Nationality Act“ geht es dann zur Sache: dort wird, unter Bezug auf das im Dezember 2015 vom Kongress beschlossene Gesetz namens „Visa Waiver Program Improvement and Terrorist Travel Prevention Act of 2015“, das Heimatschutzministerium ermächtigt selbst jedes andere Land oder Gebiet der Liste von „Countries or areas of concern“ hinzufügen, unter „Konsultation“ mit dem obersten Geheimdienste-Direktor (DNI) und dem Außenministerium (State Department).
Und am 18. Februar 2016 gab das Heimatschutzministerium dann bekannt, dass es Libyen, Somalia und Yemen dem Iran, Irak, Sudan and Syrien auf der Liste der Länder von Besorgnis („concern“) hinzugefügt habe und entsprechende Reisebeschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger dieser Länder damit in Kraft seien.
Es ist also diese fast ein Jahr alte Definition des Heimatschutzministeriums, die sich natürlich jederzeit wieder ändern kann, auf die sich Trumps Executive Order bezieht und diese Länder auch namentlich aufführt. (Danke an @yoavgo für die Hilfe bei der Recherche)
Wer hat diese von Trump unterschriebene Executive Order geschrieben? Er selbst sicher nicht, was ihn natürlich weder weniger gefährlich macht, noch aus seiner Verantwortung entlässt. Wie Cenk Uygur in einer weiteren sehr sehenswerten Reportage von „The Young Turks“ beschreibt, ist Trump umzingelt von Manipulatoren und faktischen Babysittern, die ihm u.a. versuchen beizubringen nicht zuviel fernzusehen.
„Politico“ verweist auf den „Einflüsterer“ Stephen Miller und Steve Bannon („Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht.“), die auch die Rede Trumps bei dessen Amtsantritt geschrieben haben. Es wird gemurmelt von „Landing Teams“, die nicht dem Weißen Haus angehören, dort aber großartige „Ideen“ landen können. „Politico“ schreibt dazu:
„Im Westflügel (des Weißen Hauses“ ist es für manche Mitarbeiter fast unmöglich zu wissen, was die Executive Orders enthalten, sagen Stabsangehörige“.
Tja. Augen auf bei der Berufswahl.
Ergänzung 19.00 Uhr
Auch der Stabschef des Weißen Hauses, Reince Priebus, hat heute zur allgemeinen Verwirrung seinen Beitrag geleistet. Er verkündete, Inhaber einer „Green Card“ könnten in die U.S.A. einreisen, auch aus den genannten sieben Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Gleichzeitig redete Priebus aber von „Autorität zur Handlungsfreiheit“ des Grenzpersonals „verdächtige“ Reisende zu befragen und festzunehmen. Die „New York Times“ dazu:
„Dieses Statement schien zur Unsicherheit darüber beizutragen wie die Executive Order in den kommenden Tagen interpretiert und durchgesetzt werden wird.“
Mindestens ein Bundestagsabgeordneter fällt wegen der Herkunft seiner Eltern unter das Einreiseverbot, der in Wuppertal geborene Niema Movassat.
Wie die „Washington Post“ berichtet, hat ausgerechnet ein leitendes Mitglied im Ausschuss für Heimatsicherheit des Senats, Rob Portman (Partei „Republikaner“), nun öffentlich zugegeben, dass die von Trump unterzeichnete Executive Order zur „extremen Prüfung“ von einreisenden Ausländern („extrem vetting“) offensichtlich selbst nicht ausreichend geprüft worden ist.
Senator Rob Portman gegenüber „CNN“:
„Ich denke, sie wurde nicht richtig geprüft. Sie haben eine Vorgabe zur extremen Prüfung, die nicht die Prüfung erhalten hat die sie erhalten hätte sollen.“
(…)
Artikel zum Thema:
01.09.2014 „Executive Order“: Geheime Macht einer imperialen Präsidentschaft
Weder in der 1788 in Kraft getretenen Verfassung, noch in den bis heute 27 Verfassungszusätzen der Vereinigten Staaten von Amerika, wird solch eine Macht des Präsidenten auch nur erwähnt; geschweige denn in den Verfassungen der Demokratien und Staaten im U.S.-Einflussbereich, deren Menschen und (Staats)Völker Befehlen eines auf 4 Jahre gewählten faktischen Imperators zu Washington ausgesetzt sind, mit allen Konsequenzen.
Ein Rechtschreibfehler korrigiert am 11.02.2017