Genau so war es!
AUF MEINEN letzten Artikel hin, in dem ich schrieb, dass die Araber nach der Teilungs-Resolution der UN den Krieg von 1948 angefangen hätten, bekam ich einige wütende Mitteilungen.
Die Schreiber, die (vermute ich) nach den Ereignissen geboren sind, beschuldigen die Zionisten, sie hätten den Krieg angefangen, um die arabische Bevölkerung zu vertreiben.
Da ich an den Ereignissen teilgenommen habe – ich war damals 24 Jahre alt – denke ich, dass es meine Pflicht ist, so wahrheitsgetreu wie möglich zu berichten, was damals wirklich geschehen ist. (Ich habe zwei Bücher darüber geschrieben, eines während des Krieges und eines unmittelbar danach.)
UM DIE ATHMOSPHÄRE im Land direkt vor dem Krieg zu beschreiben, möchte ich von einem der großen Augenblicke in meinem Leben erzählen.
Im Spätsommer fand ein jährlich wiederkehrendes Volkstanzfest in einem natürlichen Amphitheater im Karmel statt. Etwa 40-tausend junge Männer und Frauen waren dort versammelt, das waren sehr viele, wenn man bedenkt, dass unsere Gesamtbevölkerung nur etwa 635.000 betrug.
Zu dieser Zeit reiste eine Kommission der Vereinten Nationen (UNSCOP) durchs Land, um eine Lösung für den jüdisch-arabischen Konflikt zu finden.
Wir sahen den Tanzgruppen zu, unter denen eine aus dem benachbarten arabischen Dorf war. Sie tanzte den Debka mit so großer Begeisterung, dass sie einfach nicht aufhören konnten, als durch die Lautsprecher angekündigt wurde, dass uns Mitglieder der UN-Kommission besuchten.
Spontan standen die Tausende junger Männer und Frauen auf und stimmten die Nationalhymne mit solcher Kraft an, dass das Echo von den Bergen um uns widerhallte.
Es war das letzte Mal, dass meine Generation versammelt war. Innerhalb eines Jahres waren Tausende von denen, die damals dort waren, tot.
DIE GENERALVERSAMMLUNG der UN folgte der Empfehlung dieser Kommission und beschloss am 29. November 1947, Palästina zwischen einem jüdischen und einem arabischen Staat zu teilen. Jerusalem sollte als getrennte Einheit unter internationaler Herrschaft stehen.
Zwar war das Gebiet, das dem jüdischen Staat zugewiesen worden war, klein, aber die jüdische Bevölkerung erkannte die immense Bedeutung der Staatlichkeit. Es war erst drei Jahre nach dem Ende des Holocaust.
Die ganze arabische Welt war gegen die Resolution. Sie sahen es so: Warum sollte die arabische Bevölkerung von Palästina für den Holocaust bezahlen, den Europäer begangen hatten?
Ein paar Tage nach der Resolution wurde auf einen jüdischen Bus geschossen. Das war der Beginn der Phase 1 des Krieges.
Um die Ereignisse zu verstehen, muss man sich die Situation vor Augen führen. Die beiden Bevölkerungen im Land waren eng miteinander verflochten. In Jerusalem, Haifa und Jaffa-Tel Aviv lagen arabische und jüdische Viertel dicht nebeneinander.
Jedes jüdische Dorf war von arabischen Dörfern umgeben. Für die Existenz der jüdischen Dörfer war es notwendig, dass die Dorfbewohner die von den arabischen Dörfern beherrschten Landstraßen benutzten. Mittlerweile wurde im ganzen Land geschossen. Die Briten waren nur noch dem Namen nach verantwortlich und versuchten, so wenig wie möglich hineingezogen zu werden.
Die jüdische paramilitärische Untergrundorganisation Haganah („Verteidigung“) war dafür verantwortlich, die Straßen offenzuhalten. Der jüdische Verkehr bewegte sich in Konvois, die von männlichen und weiblichen Angehörigen der Haganah verteidigt wurden. Die Frauen wurden gebraucht, denn sie konnten die illegalen Waffen unter ihren Kleidern verstecken.
Die arabische Seite hatte kein Zentralkommando. Angriffe wurden von Dorfbewohnern durchgeführt, von denen viele alte Gewehre zu Hause hatten. Da einige dieser Fellachen sehr primitiv waren, geschahen Gräueltaten. Unsere Seite rächte sich auf dieselbe Weise. Daraus ergab sich ein sehr grausamer Kampf.
Eine aus Universitätsstudenten zusammengesetzte Gruppe Haganah-Kämpfer, die zur Verteidigung eines jüdischen Siedlungsblocks unterwegs war, geriet in einen Hinterhalt und wurde bis auf den letzten Mann getötet. Wir sahen Fotos davon, wie ihre abgeschlagenen Köpfe in den Straßen des arabischen Teils Jerusalems zur Schau gestellt wurden.
Die unvermeidliche Strategie der jüdischen Seite war, die arabischen Dörfer entlang der Hauptstraßen zu entfernen. Den Bewohnern der jüdischen Dörfer wurde befohlen, nicht zu weichen; nur einige der am meisten gefährdeten jüdischen Dörfer wurden evakuiert.
Im Februar 1948 evakuierten die Briten das Tel-Aviv-Gebiet und es wurde zum Kern des jüdischen Staates. Zur selben Zeit verließen die Briten auch einige dichtbevölkerte arabische Gebiete. Ende März hatten beide Seiten bereits schwere Verluste erlitten. Phase 2 begann.
AM 1. APRIL wurde meine Kompanie schnellstens in den improvisierten Hafen von Tel Aviv verlegt, um eine große Schiffsladung Waffen aus dem sowjetischen Block in Empfang zu nehmen. Ein Jahr zuvor hatte der sowjetische Block in den UN den Überraschungsschritt unternommen, die zionistische Seite zu unterstützen. Stalin, der so antizionistisch war, wie er nur hätte sein können, hatte wahrscheinlich entschieden, dass ein jüdischer Staat in Palästina besser sei als eine britisch-amerikanische Militärbasis.
Wir verbrachten den Tag damit, das Schmierfett von den Gewehren zu schaben. Sie waren von den Tschechen für Hitlers Armee produziert worden, kamen dann aber für den Zweiten Weltkrieg zu spät. Das war der Beginn der Phase 2 des Krieges.
Die jüdischen Viertel von Jerusalem wurden von den arabischen Dörfern an der Landstraße abgeriegelt. Das Ziel unserer Operation, der ersten großen Operation des Krieges, war es, die Straße zu öffnen.
Ein einige Kilometer langer Straßenabschnitt führte durch eine enge Schlucht mit steilen Bergen auf beiden Seiten. Bab-al-Wad (arabisch „Tor des Tales“) war der Schrecken eines jeden Soldaten. Wenn wir von oben beschossen würden, würden wir aussteigen, unter Gewehrfeuer die Berge hinaufklettern und oben kämpfen müssen. Das waren keine sehr angenehmen Aussichten.
Ein riesiger Konvoy von 135 Lastwagen wurde zusammengestellt und unsere Aufgabe war es, ihn nach Jerusalem zu bringen. Meinem Trupp war ein Lastwagens mit Käse zugeteilt und wir suchten Schutz zwischen den Kisten. Glücklicherweise kamen wir durch, ohne angegriffen worden zu sein. Wir kamen an einem Schabbat in Jerusalem an, Massen religiöser Juden verließen die Synagogen und empfingen uns mit großer Freude, es war wie de Gaulles Einzug in Paris. (Zufällig fotografierte mich dort ein Fotograf.)
Wir waren heil zurückgekommen. Unser Konvoi war der letzte, der durchkam. Der nächste wurde angegriffen und musste umkehren. Einige verlustreiche Schlachten um die Öffnung der Straße, die nun von einer ungeregelten arabischen Freiwilligentruppe blockiert wurde, verliefen erfolglos. Wir verloren hundert Menschenleben.
Jahrzehntelang blieb die Straße gesperrt. Unsere Armee fand eine andere Route. Wir nannten sie nach der britischen Route von Indien nach China im Zweiten Weltkrieg die Burma-Straße.
ZU DIESER Zeit wurde deutlich, dass die Berufsheere der umgebenden arabischen Länder im Begriff waren, in den Krieg einzutreten. Das änderte den Charakter des Kampfes ganz und gar.
In Vorbereitung der Schlacht „säuberte“ die israelische Armee weite Landstriche von arabischen Bewohnern, um keine Massierungen von Arabern hinter unseren Linien zu haben. Das konnte immerhin als taktische Notwendigkeit gerechtfertigt werden.
Am 14. Mai zogen die letzten Briten ab und am Tag darauf traten die Berufsheere von fünf arabischen Staaten – Ägypten, Jordanien, Syrien, Irak und Libanon mit etwas Hilfe von Saudi Arabien – in den Krieg ein. Es waren Berufsheere, die von ihren ehemaligen britischen und französischen Lehnsherren trainiert und ausgerüstet worden waren. Sie besaßen Artillerie und eine Luftmacht, die uns noch fehlten.
Auf dem Papier genoss die arabische Seite eine riesige Überlegenheit an Bewaffnung, Training und (da bin ich mir nicht sicher) Zahl. Aber wir hatten drei Vorteile. Erstens wussten wir, dass wir ganz buchstäblich mit dem Rücken zur Wand um unser und das Leben unserer Familien kämpften. Zweitens hatten wir ein einheitliches Kommando, während die arabischen Armeen miteinander konkurrierten. Und drittens hatten die Araber tiefe Verachtung für uns. Wer hat je gehört, dass Juden kämpfen können? Außerdem hatten wir in taktischer Hinsicht den Vorteil der „inneren Linien“, das heißt, wir konnten Truppenteile schnell von einem Frontabschnitt an einen anderen verlegen.
In den folgenden Wochen – Phase 3 – geschah das verzweifelte Kämpfen des ganzen Krieges, es waren Schlachten, die denen des Ersten Weltkrieges ähnelten. Ich habe Schlachten gesehen, in denen fast alle unsere Kämpfer getötet oder verwundet waren, und doch feuerte ein einsames letztes Maschinengewehr immer weiter. Es gab Stunden, in denen es so aussah, als wäre alles verloren.
Aber dann wendete sich das Kriegsglück allmählich. Am Ende dieser Runde lebten und kämpften wir und behaupteten uns.
In Phase 4 gab es noch einige offene Feldschlachten, sogar einen Angriff mit Bajonetten. Aber unsere Seite erahnte den Sieg. Damals wurde die Massenvertreibung der Bevölkerung aus arabischen Städten und Dörfern offensichtlich zur bewussten Regierungspolitik. Zu diesem Zeitpunkt verließ ich schwer verwundet die Front.
Als auf beiden Seiten alle erschöpft waren, endete der Krieg mit einer Reihe von Waffenstillständen, durch die die Grüne Linie geschaffen wurde, die heute die anerkannte Grenze Israels ist.
Innerhalb dieser Grenzen waren noch einige Araber übriggeblieben. Aber eine fast vergessene Tatsache ist, dass kein einziger Jude in den Gebieten übrig war, die die arabische Seite erobert hatte. Zum Glück für uns waren es nur wenige und kleine Gebiete im Vergleich zu den großen Gebieten, die unsere Seite erobert hatte. Der Ausdruck „ethnische Säuberung“ war noch nicht erfunden.
DAS SIND die Tatsachen. Jeder kann auf ihnen nach Lust und Laune jede Interpretation und jede Ideologie aufbauen.
Aber bitte keine trump’schen „alternativen Tatsachen“!
11. Februar 2017
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler