Göttingen und die „Salafisten“: Gewaltensammler testen Justiz aus
Nachdem sich die Polizeidirektion Göttingen gestern mit ihrem am 9. Februar gemeldeten „möglicherweise konkret bevorstehenden terroristischen Anschlag“ akkurat blamierte und die Generalstaatsanwaltschaft Celle weder Anklage gegen die Festgenommen erhob, noch Untersuchungshaft anordnete, zieht die Polizeidirektion Göttingen heute einen neuen „Salafisten“ aus der Tasche – einen „gebürtigen Deutschen ohne bekannten Migrationshintergrund“.
Dessen plötzliche Festnahme (war der gestern, vorgestern oder am 9. Februar noch nicht gefährlich?) habe einen Bombenanschlag auf Soldaten und Polizeibeamte verhindert.
Ergänzung 24.02.2016: „Nach Informationen des Spiegel konvertierte der Rechtsextremist etwa im Jahr 2014 zum Islam.“ Soso.
Das ist keine Ermittlungstaktik. Das ist Polizeitaktik, die sich gegen die ordentliche Justiz und die Grundbausteine jeder Demokratie richtet. Ein Kommentar.
Es ergibt sich hier der Eindruck, dass nach ihrem ersten Reinfall und dem wenigen diesbezüglich sichtbaren Gemecker an den „Sicherheitskräften“ (wo stehn die im Grundgesetz?) die Gewaltensammler ruckzuck ihren zweiten Verdächtigen aus der Tasche zogen, erstens um der Generalstaatsanwaltschaft mal zu zeigen zu wem sie hier gehört (und ihr gleich noch eine gemeinsame Erklärung aufzudrücken), zweitens um jedes historisch-nostalgische Gerede um die Hauptverdächtigen namens „Unschuldsvermutung“ und „Gerichtsprozess“ irgendwie totgetrampelt zu bekommen und drittens den laufenden, schleichenden Putsch gegen diese starke Republik und für einen „starken Staat“ weiter vor sich hin gletschern zu lassen. (3.Januar 2017, Terror-Thomas vorgelesen: Massenmord in Berlin für den „Starken Staat“ benutzen)
Nur zur Erinnerung: wir hatten hier in Berlin ein Attentat mit 12 Toten, was genauso wie die vier „Vorfälle“ im Sommer 2016 (Würzburg 18.7., München 22.7., Reutlingen, Ansbach 24.7.) wieder einmal keinen Gerichtsprozess wert war, weil diesmal zwei italienische Faschisten in Uniform den von einem V-Mann mehrfach nach Berlin gefahrenen mutmaßlichen V-Mann und Tatverdächtigen in Italien mitten in der Nacht auf einem Bahnhof auf der Flucht erschossen (und natürlich prompt für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurden).
Wer jetzt Angst hat vor den beiden nicht angeklagten Verdächtigen in Göttingen, die ja nun leider nicht gleich wie in der guten alten Zeit zur „Berufsausbildung“ (bitte langsam lesen, das ist Ihr Präsident!) in Guantanamo bekamen: damit die bloß nicht freikommen und vielleicht noch irgendwas der Presse erzählen (sie hätten eine Mutter und andere Legenden),
„teilte das Innenministerium mit, das Amtsgericht Braunschweig habe die beiden Männer in Abschiebehaft genommen.“ (NDR.de)
Gestern hieß es nach der Totalblamage der Göttinger Polizeidirektion, von der ich ja schon immer der größte Fan war, seitens Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier gegenüber NDR.de (und nur da, keiner anderen Zeitung war dieses Zitat einer Erwähnung wert):
„Ob das gefundene Beweismaterial eindeutig den Verdächtigen zugeordnet werden kann, müssten die weiteren Ermittlungen der Polizei ergeben“
Ach von denen, ja? Man stelle sich jetzt mal vor, da liefe irgendein Verteidiger rum. Nur schnell weg mit denen. Also, mit den Verdächtigen, nur, natürlich.
Was jetzt die Klarstellung der faktischen Hackordnung in diesem Superstaatle angeht und diesem Dingens mit Beweisen in Göttingen und Northeim angeht (immerhin mal wieder „Beweise“, ich höre dieses schmutzige Wort ja immer gerne), bin ich mal gespannt an welchem Grauen Northeim, abgesehen von seiner Fussballmanschaft, mal wieder vorbei geschlittert ist.
Aber nicht vergessen: das mit dem Gerichtsprozess. Ist nicht alles schlecht, das, mit der Gewaltenteilung, da. Sie wissen schon.
Ach und wenn Sie irgendwo eine sabbernde Flachpfeife sehen, die mit irgendeinem Mikrofon redet: lassen Sie sich gleich den Multiparteienausweis zeigen.
Zur Sicherheit.