Zivil-militärische Zusammenarbeit: ZITiS
Artikel von Matthias Monroy, veröffentlicht auf Informationsstelle Militarisierung e.V.
Spionagebehörde des BMI zieht auf den Bundeswehr-Campus
Die neue Zentralstelle ZITiS versorgt das Bundesinnenministerium mit digitalen Werkzeugen gegen „Terrorismus, Cybercrime und Cyberspionage“. Die Einrichtung soll mit einem militärischen Forschungszentrum in München zusammenwachsen. Im Januar hatte das Bundesinnenministerium Details zur Einrichtung der seit längerem angekündigten Spionagebehörde ZITiS (Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich) mitgeteilt.(1) Erst auf Nachfrage der Gruppe Freiheitsfoo teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mit, dass die Einrichtung auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität in Neubiberg bei München angesiedelt wird.(2) In der früheren Pressemitteilung des Ministeriums war vom gemeinsamen Standort mit der Bundeswehr keine Rede.
Die ohne Errichtungsgesetz(3) geschaffene ZITiS wurde zur Entwicklung von „technischen Werkzeugen im Kampf gegen Terrorismus, Cybercrime und Cyberspionage“ ins Leben gerufen. Sie soll die Anstrengungen von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz zusammenführen. Unter anderem sucht die ZITiS Möglichkeiten, Verschlüsselungstechnologien aufzubrechen oder zu umgehen.
Zu den weiteren Aufgaben gehören die Entwicklung neuer Methoden der digitalen Forensik, der Telekommunikationsüberwachung und der digitalen Massendatenauswertung. Auch alle anderen „technischen Fragen von Kriminalitätsbekämpfung, Gefahrenabwehr und Spionageabwehr“ können an die ZITiS delegiert werden. Besonders umstritten ist die Aufgabe, Schwachstellen in Apps und Diensten zu finden oder einzukaufen und diese zur Spionage zu nutzen.
ZITiS würde auf diese Weise den Schwarzmarkt für solche Sicherheitslücken fördern. Außerdem arbeitet die Behörde damit dem Prinzip zuwider, dass der Staat die gefundenen Sicherheitslücken eigentlich sofort veröffentlichen müsste, um die Hintertüren zu schließen und NutzerInnen vor Angriffen zu schützen.
„Anbindung“ an die Bundeswehr-Universität geplant
Die ZITiS könnte dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zufolge in einem späteren Stadium bis zu 400 Stellen umfassen. Laut der Präsidentin der Universität(4) soll die Anlage im Landkreis München zunächst 120 Stellen unterbringen. Für den konkreten Flächenbedarf der ZITiS verhandelt das Bundesinnenministerium jetzt unter anderem mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium. Zunächst sollen Räumlichkeiten der Bundeswehr mitgenutzt werden, später könnten weitere Gebäude angemietet werden. Die Kooperation beschränkt sich aber nicht nur auf die Unterbringung. Die Wahl fiel auf die Bundeswehr, um „Ressourcen und Energien“ zu bündeln und dadurch „Synergie-Effekte“ zu erzielen. Wie die Bundeswehr-Universität ist auch ZITiS Bestandteil der „Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland“.
Perspektivisch ist sogar die „Anbindung“ der ZITiS an die Bundeswehr-Universität geplant. Eine derartige Verzahnung von Wissenschaft, Sicherheitsbehörden und Nichtregierungsorganisationen an einem Standort sei laut dem Bundesministerium ein „Meilenstein“ im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus.
Mit der ZITiS wird auch das im Aufbau befindliche „Cyber-Cluster“ an der Militäruniversität aufgewertet. Bis zu 120 Bundeswehr-Angehörige werden dort für einen neu geschaffenen Master-Studiengang gesucht. Das ebenfalls auf dem Campus angesiedelte militärische Cyber-Forschungszentrum CODE wird bis 2022 neue Gebäude in der Universität beziehen.(5) In dem Neubau soll dann auch die ZITiS untergebracht werden. Die beiden Stellen könnten dann gemeinsam die zivil-militärische Cyber-Strategie der Bundesregierung umsetzen.
CSU-Abgeordneter will Strippen gezogen haben
In einer Pressemitteilung(6) zeichnet sich der außen- und sicherheitspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Florian Hahn, für die Ansiedelung der ZITiS auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität verantwortlich. Zusammen mit den Abgeordneten Reinhard Brandl und Stephan Mayer (beide CSU) habe er den Prozess seit Juni 2016 „vorangetrieben“. Hahn gilt als enger Vertrauter der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie. Report Mainz und der Spiegel hatten im Oktober recherchiert, dass der Abgeordnete im Aufsichtsrat der Firma IABG tätig ist. Der Rüstungsdienstleister ist der Hauslieferant der Bundesregierung für Studien zur Beschaffung neuer militärischer und ziviler Sicherheitstechnologie. Hahn könnte über seine Tätigkeit im Verteidigungsausschuss zu den guten Geschäften der IABG beigetragen haben.(7)
Über den vor vier Jahren in Ottobrunn gestarteten „Bavarian International Campus Aerospace & Security“ kooperiert die IABG unter anderem mit der Bundeswehr-Universität im benachbarten Neubiberg. Auch diese zivil-miltärische Zusammenarbeit geht dem Abgeordneten Hahn zufolge auf seine Initiative zurück. In der ZITiS dürften weitere Aufträge für die IABG winken: In der Vergangenheit hat sich das Bundeskriminalamt bereits Anwendungen zum Data Mining von der IABG vorführen lassen.
Anmerkungen und Quellen
(1) „Startschuss für ZITiS“, Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 20.01.2017 (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/01/zitis-vorstellung.html).
(2) „ZITiS“ (https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.ZITiS#toc17).
(3) Martin Kaul: Backdoor im Gesetz, taz.de vom 09.11.2016 (https://www.taz.de/Spionagebehoerde-Zitis-in-Deutschland/%215355502/).
(4) „Großes Interesse am Cyber-Cluster“, Mitteilung der Universität der Bundeswehr München vom 23.01.2017 (https://www.unibw.de/praes/universitaet/aktuelle-meldungen/grosses-interesse-am-cyber-cluster).
(5) „Über CODE“, https://www.code.unibw-muenchen.de/ueber-code
(6) „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) auf dem Geländer der Universität der Bundeswehr München“, Pressemitteilung von Florian Hahn vom 20.1.2017 (https://www.florian-hahn.de/aktuelles/meldungen/artikel/zentrale-stelle-fuer-informationstechnik-im-sicherheitsbereich-zitis-auf-dem-gelaender-der-univers.html).
(7) SWR: „Darf ein Verteidigungspolitiker Geld von der Rüstungsbranche nehmen?“, Report Mainz vom 1.11.2016, sowie: Sven Becker: CSU-Politiker im Verdacht der Kungelei, Spiegel online vom 29.10.2016 (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/florian-hahn-nebenjob-von-csu-verteidigungspolitiker-sorgt-fuer-aufregung-a-1118782.html).
Veröffentlicht auf Informationsstelle Militarisierung e.V. am 27. März 2017