Gerichtsbeschluss: Verfassungsschutz muss Hinweise auf weitere Attentäter beim Oktoberfest 1980 zugeben
Erst nach einer Klage der „Bild“-Zeitung muss der Inlandsgeheimdienst Hinweise auf weitere Attentäter beim Oktoberfest 1980 zugeben.
Am 26. September 1980 explodiert eine Woche vor der Bundestagswahl auf dem Münchner Oktoberfest ein Sprengsatz. Er tötet 13 Menschen und hinterlässt 211 Verletzte. Noch in der Nacht versucht der Kanzlerkandidat von C.D.U. und C.S.U., Franz-Josef Strauß, dass Attentat als Werk der „Roten Armee Fraktion“ darzustellen und mittelbar auch dem damaligen liberalen Innenminister Gerhart Baum anzulasten. Das aber scheitert (anschließend verliert Strauß die Bundestagswahl). Danach wird das Attentat einem vermeintlichem alleinigen rechtsextremen Täter angelastet, Gundolf Köhler. Köhler hatte vor der Tat an paramilitärischen Übungen der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ teilgenommen, die zum Zeitpunkt des Attentats von einem V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterwandert war, Peter Weinmann. Weinmann arbeitete teilweise gleichzeitig für mehrere Geheimdienste, u.a. für die Staatssicherheit der DDR (Stasi) und für den italienischen Militärgeheimdienst SISMI. Agenten der SISMI waren, nur einige Wochen vor dem Oktoberfest-Attentat in München, in den Bombenanschlag im Bahnhof von Bologna am 2.August 1980 verstrickt, der 85 Menschen das Leben kostete. In das Bologna-Attentat waren neben der SISMI ausführend die rechtsradikale Guerilla NAR und die nationalistische Mutterorganisation „Terza Posizione“ verstrickt, während die Freimaurer Sekte „P2“ mit ihrem Mitglied und SISMI-Vize General Pietro Musumeci die Fäden gezogen hatte. In Deutschland wird der Rechtsextremist Heinz Lembke, der in 33 Depots automatische Waffen, 14.000 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten aus militärischen Beständen gebunkert und diese laut Zeugenaussagen zwei Mitgliedern der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Deutsche Aktionsgruppen“ (mit engen Verbindungen zur „Wehrsportgruppe Hoffmann“) angeboten hat, am 1. November 1981 erhängt in seiner Zelle gefunden, in Polizeigewahrsam, nachdem er angekündigt hat über seine Hintermänner auszupacken. Ein weiterer Zeuge, Frank Lauterjung, der u.a. ausgesagt hatte, der angebliche Einzeltäter Gundolf Köhler habe kurz vor der Explosion gegenüber dem Haupteingang auf der Brausebadinsel hektisch mit zwei Männern diskutiert, verstirbt im Zuge von „Ermittlungen“ des bayrischen Landeskriminalamtes LKA im Alter von 36 an Herzversagen. Als geprüft wird, ob sein Tod in einem Zusammenhang mit dem Attentat stehen könnte, machen das dieselben Leute, die ihn zuvor vernommen haben. (DER TERROR-STAAT: Das Oktoberfest-Attentat von München, 20.Juni 2008)
Diese Ermittlungen stellt der Generalbundesanwalt im November 1982 ein.
Ende 2014, zweiunddreißig Jahre später, nimmt die Behörde des nun amtierenden Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen wieder auf. Daraufhin, nach entsprechenden Presseberichten und Aufmerksamkeit, fordern die Parlamentsfraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ von der Regierung Informationen über eine mögliche Verwicklung der Geheimdienste und deren „Vertrauensleute“ am Attentat. Sie kriegen diese nicht. Daraufhin „drohen“ diese Parteien, mit den üblichen Ankündigen vor der Presse, mit einer Verfassungsklage gegen die Regierung.
Der Rechtsanwalt Konstantin von Notz („Bündnis 90/Die Grünen“) am 10. April 2015:
Bundesregierung weigert sich noch immer,vollständig zum #Oktoberfestattentat Auskunft zu erteilen.Wir werden klagen. http://t.co/eM4kCBaKUp
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) 10. April 2015
Die Antwort von Radio Utopie dazu, in Kenntnis der Tragfähigkeit irgendwelcher Aussagen von Parteifunktionären, gerade denen seitens Konstantin von Notz:
@KonstantinNotz Eure Exzellenz, das ist ja hervorragend. Und das nur 35 Jahre später. Sagen Sie uns nur schnell: wo ist sie denn, die Klage?
— Radio Utopie (@RadioUtopie_de) 11. April 2015
Die Klage wurde nie eingereicht.
Korrektur 13.40 Uhr: das ist falsch. Laut einem heutigen Artikel der Abgeordneten Martina Renner („Die Linke“) zur Sache wurde die Klage beim Bundesverfassungsgericht im Mai 2015 eingereicht. Hier ein damaliger Pressebericht dazu. Die Klage mit dem Aktenzeichen 2 BvE 1/15 taucht auch in der Jahresvorschau der zu erledigenden Verfahren des Bundesverfassungsgerichts für 2016 und 2017 auf. Anmerkung des Autors: Mir war das nicht bekannt und ich entsinne mich nicht, derartiges bei meinen mehrfachen Erkundigungen beim Bundesverfassungsgericht gehört zu haben. Leider habe ich, was Erkundigungen zu diesem Verfahren angeht, diesbezüglich nichts Schriftliches. Änderungen am Artikel werden nicht vorgenommen, der Irrtum bleibt dokumentiert. Festzuhalten ist: ein Antrag auf Einstweilige Verfügung (Eilantrag) wurde offensichtlich nicht gestellt.
Wer in 2015 Klage einreichte, war die „Bild“-Zeitung. Und zwar gegen den Inlandsgeheimdienst des Bundesinnenministeriums, das Bundesamt für Verfassungsschutz, auf Auskunft nach dem Pressegesetz.
Wie die „Bild“-Zeitung nun am heutigen Samstag morgen (rechtzeitig zur Wochenendflucht der lieben Bürokraten vor Nachfragen) berichtet, hat das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen einen Beschluss mit dem Aktenzeichen 15 B 1112/15 gefasst. Dieser ist auf der Webseite des Gerichts nicht zu finden. Es gibt keine Pressemitteilung zur Sache. Stattdessen heisst es dort:
„Anonymisierte Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts NRW werden grundsätzlich nicht mehr in Schriftform übermittelt, sondern im Falle einer Anforderung in die Rechtsprechungsdatenbank NRWE eingestellt. Wenn eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW noch nicht in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE veröffentlicht worden ist, können Sie die Einstellung in die Datenbank – am einfachsten per E-Mail email unter Angabe des Aktenzeichens – beantragen.
Sollten Sie gleichwohl eine Entscheidungsübersendung wünschen, geben Sie in Ihrer Anforderung unbedingt an, dass die Entscheidung unabhängig von der Einstellung in NRWE an Sie übersandt werden soll. Für die Übersendung von anonymisierten Entscheidungsabschriften per E-Mail, per Telefax oder per Post entsteht grundsätzlich eine Gebühr von 12,50 € je Entscheidung (Nr. 4 der Anlage 2 zu § 124 JustG NRW).“
Wie die „Bild“ mitteilt, musste das Bundesamt für Verfassungsschutz laut dem Beschluss des Oberwaltungsgerichts von allen Fragen und Anforderungen nach Auskunft genau eine beantworten.
Eine.
Aus der Antwort auf genau diese eine Frage, die der Inlandsgeheimdienst nun beantworten musste zitiert die „Bild“ den Verfassungschutz wie folgt:
„Es gibt in der beim BfV geführten Sachakte ,Sprengstoffanschlag am 26. September 1980′ Hinweise auf und Recherchen nach weiteren Tätern außer Gundolf Köhler.„
Radio Utopie schlägt nun folgendes vor: die denkenden Menschen im linken verfassungstreuen Spektrum in der Republik machen zusammen eine Bootsfahrt, lassen solche Exemplare wie Frank Rieger oder Markus Beckedahl in der Mitte stehend zurück und machen es sich auf den vielen leeren Plätzen bequem.
Und nach der Flut wird dann von vorne angefangen.
(…)
Artikel zum T
16.03.2017 BGH folgt BVerfG: Untersuchungsausschuss und Opposition bei mehr als Dreiviertelmehrheit der Regierung im Bundestag rechtlos
Während der Staat weiter die Republik durch Uminterpretation der Verfassung zersetzt, leiden Öffentlichkeit und Bürgerrechtler offensichtlich unter einer sie gefährdenden Wahrnehmungsstörung.