Syrien, Iran: Trump dreht wieder auf Kriegskurs
Eine Analyse.
Einen Tag nach dem denkbar größten Gefallen für die Invasoren Syriens, dem vermeintlichen oder tatsächlichen Chemiewaffen-Einsatz in der syrischen Stadt Khan Sheikhoun (Ḫān Šayḫūn, Chan Schaichun), der zu Beginn der von „Europäischer Union“ und „Vereinten Nationen“ getragenen Syrien-Konferenz der Invasionsmächte mit insg. 70 Staaten am Dienstag erfolgte, besucht am gestrigen Mittwoch der König von Jordanien, Abdullah II bin Al-Hussein, das Weiße Haus.
Anschließend stellt sich U.S.-Präsident Donald Trump, dessen Administration noch wenige Tage zuvor nach sechs Jahren und Hunderttausenden von Toten ein Ende des blutigen Umsturzversuches in Syrien verkündet hatte, gemeinsam mit dem König von Jordanien vor die Presse und verkündet eine erneute Kehrtwende.
In einem abgelesenen Statement spricht Trump gleich zu Anfang über den (bislang von keinem unabhängigen Beobachter vor Ort bestätigten) Vorfall in Khan Sheikhoun. Er bezeichnet diesen als
„chemischen Angriff / Anschlag“ („chemical attack“) gegen unschuldige Menschen, Frauen, kleine Kinder und sogar wunderschöne kleine Babies. Ihr Tod war ein Affront gegen die Menschheit. Diese abscheulichen Handlungen des Assad-Regimes können nicht toleriert werden. Die Vereinigten Staaten stehen ihren Verbündeten rund um den Globus bei darin, diesen entsetzlichen Angriff zu verdammen und alle anderen entsetzlichen Angriffe, was das angeht.“
Danach lobt Trump den König von Jordanien, einen in der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien ausgebildeten ex-Kommandeur von Sondereinsatzkräften des jordanischen Militärs, über den grünen Klee als „großartigen Krieger“ und anderes. König Hussein blättert beizeiten unauffällig in dem auch ihm vorliegenden Statement vor ihm um, wendet aber den Kopf Trump zu, als würde er diesem zuhören müssen, und kann sich in seiner diebischen Freude das Lachen kaum verkneifen.
Später folgen die üblichen Nachfragen der Presse-Lobby hinsichtlich einer Eskalation des „Engagements“ der von Trump bereits auf 2000 Soldaten / Soldatinnen verstärkten U.S.-Bodentruppen im Syrien-Krieg. Die Fragen der Journalisten lauten in etwa: wann der Präsident denn endlich in einen richtigen Krieg gegen Syrien ziehen würde, wie in der guten alten neuen ewigen heiligen Zeit endlosen orwellschen Krieges, z.B. im Irak seit 2003, usw.
Trump weicht diesen Suggestivfragen nur bedingt aus und weigert sich lediglich, militärische Aktionen vorher anzukündigen.
Stattdessen nennt der U.S.-Präsident die 2014 aus Ruinen der U.S.-Besatzungszonen auferstandenden Milizen des „Islamischen Staates“ („I.S.I.S.“) in einem Atemzug mit der Islamischen Republik Iran und dessen Milizen im verbündeten säkularen Syrien, das selbst gegen den „Islamischen Staat“ kämpft. Und abermals erzählt Trump, wie schlecht er das Internationale Atomabkommen mit dem Iran findet, „einen der schlimmsten Deals“ deren Zeuge er je geworden sei. Trump ab 23.23 min:
„Ich werde tun was ich tun muss, hinsichtlich des Iran-Deals. Was I.S.I.S. angeht, werden die Vereinigten Staaten zusammenarbeiten mit wem auch immer es angemessen ist zusammenzuarbeiten, um I.S.I.S. und andere Terroristen total auszulöschen. Und übrigens: I.S.I.S. ist eine Gruppe, aber andere sind entstanden. Offen gesagt, die sind überall. Wir werden tun was wir tun müssen, um den Terrorismus auszulöschen.“
Als eine Reporterin mit offenkundig texanischem Akzent *Monarchie-Ironie aus* daraufhin das Thema iranischer Truppen im Syrien-Krieg anspricht, also im Land gleich neben dem Land des Gastes vom Tage, und Trump fragt, welche Botschaft er für diese iranischen Milizen habe, sagt Trump:
„Sie werden sehen. Die werden ihre Botschaft bekommen. Sie werden sehen, was die Botschaft sein wird, okay? Danke.“
und schließt die Pressekonferenz.
Praktisch alle Beobachter sind sich darin einig, dass die gleichzeitig von Trump abgesegnete Umgruppierung im U.S.-Regierungsapparat kein Zufall sind. Unabhängig von der politischen Einschätzung einzelner Akteure deutet alles auf eine Stärkung der klassischen, militaristischen, globalistischen und interventionistischen Kräfte hin – also eine „Normalisierung“, eine Akzeptanz der realen Machtverhältnisse, jedenfalls für die gängige „westliche“ Presse nach fünfzehn Jahren weltweitem Terrorkrieg.
Der Nationalist und Ultra Stephen Bannon wurde gestern aus dem „Principals Committee“ des Nationalen Sicherheitsrates ausgeschlossen und ist damit nicht mehr ständiges Mitglied. Stattdessen wurden der Leiter des Generalstabes, Joe Dunford, und der Oberste Geheimdienstdirektor (D.N.I.) Dan Coats wieder als deren ständige Mitglieder eingesetzt.
Eine vorhergehende Änderung Trumps Ende Januar war aus dem Apparat heraus scharf kritisiert und ausgerechnet von der ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaterin seines Vorgängers Barack Obama, Susan Rice, als „völlig verrückt“ bezeichnet worden.
Susan Rice selbst geriet nun mit dieser Rücknahme von Trumps Umbau im mächtigsten Gremium der U.S.A. wieder aus der Schusslinie. Kurz bevor die Meldung vom vermeintlichen Giftgas-Angriff der weltweiten Kriegsmaschinerie wieder die Initiative zuspielte, war Rice vom Trump-nahen TV-Sender „Fox News“ schwer belastet worden. Laut „Fox News“ hatte Rice bereits ab Juli 2016 detaillierte Auflistungen von Telefonaten und anderer Kommunikation des konkurrierenden Teams vom damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump erstellen lassen, eventuell sogar von Trump selbst. Laut „Fox News“ hatte Rice ihre Machtkompetenzen als Nationale Sicherheitsberaterin dahingehend genutzt, im Zuge vermeintlicher Auslandsüberwachung durch Geheimdienste kontinuierlich „zufällig“ erfasste Daten von U.S.-Bürgern auf Daten von Mitgliedern des Trump Teams zu sieben und deren Daten dann „entmaskieren“ zu lassen, damit diese persönlich zuzuordnen waren.
Durch die Entwicklungen im Syrien-Krieg verschwand die für die U.S. Nomenklatura und den gesamten geheimdienstlichen Komplex, auch in Großbritannien, vorerst wieder in der Versenkung.
Stattdessen stieg der Stern von Jared Kushner weiter, der nun durchaus als der mächtigste Schwiegersohn der Welt bezeichnet werden kann (in so ein Amt muss man erstmal gewählt werden). Vor dem Start der Affäre um den vermeintlichen Giftgas-Angriff in Syrien – in die offensichtlich wieder einmal viel Momentum investiert wurde, ein Lieblingswort protegierter skrupelloser „Think Tank“-Schwätzer und Kriegslobbyisten an grünen Tischen – war Kushner drei Tage mit dem nun wieder als ständiges Mitglied in den Nationalen Sicherheitsrat eingesetzten Generalstabschef Joe Dunford im Irak. Kein Zufall, wie informierte Beobachter feststellten.
Die herzliche Abneigung zwischen dem nationalistischen Stephen Bannon (ex-Goldman Sachs Banker, ex-Hollywood Produzent, aber aus armen Verhältnissen und Jared Kushner (hier die informative Breitseite von Stephen Colbert) ist zumindest von einigem Unterhaltungswert.
Selbst das kann man nicht mehr über die Politik der Russischen Föderation sagen, die nun – wieder einmal – überwältigt, überrumpelt und bis auf die Knochen blamiert dasteht.
Ergänzung 19.50 Uhr
Wie „Reuters“ meldet, antwortete heute ein „leitender Regierungsbeamter“ der Regierung Trump auf die Frage, ob eine „militärische Option“ gegen Syrien vom Tisch sei, mit „Nein“.
Ergänzung 20.55 Uhr
Gestern versuchten die sattsam bekannten Invasionsmächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wieder einmal eine Resolution durch und damit einen Fuß in die Tür zur offenen, völkerrechtlich legitimierten Invasion Syriens bekommen. Dankenswerterweise stellte sich die Russische Föderation wieder einmal quer.
Das Statement der neuen U.S.-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, war austauschbar mit vorhergehenden Aussagen der unsäglichen Samantha Power, ihrer Vorgängerin. Wie „RT“ zur Sitzung berichtete, bezeichnete Haley,
„die syrische Regierung als illegitim und Assad als einen Mann ohne Gewissen, der seit über sechs Jahren mit Gräueltaten gegen sein eigenes Volk vorgehe. Zudem sei weder die syrische Regierung, noch jene im Iran oder Russland, an Frieden in Syrien interessiert.“
Einerseits repräsentiert Haleys Statement den üblichen maximalen Zynismus der gescheiterten Invasoren und Imperialisten. Andererseits stellt sich die Frage, wer diesen Angriff denn nun verübt hat und was vor Ort wirklich vorgefallen ist. Aus der Staats- oder Militärführung Russland kam dazu bislang nichts Plausibles, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Hier der Ausschnitt der Sitzung des U.N.-Sicherheitsrates von „RT“ mit obigem Zitat, hier die vollständige Aufzeichnung auf dem Webserver der Vereinten Nationen.
Ebenfalls bemerkenswert: wie der Kreml in seinem Statement vom heutigen Donnerstag (6.) meldet , hat sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu um ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bemüht. Im Telefonat kondolierte demnach Netanyahu zum Attentat in St. Petersburg am 3. April und wünschte den Verletzten baldige Genesung. Danach, so der Kreml,
„tauschten Mr. Putin und Mr. Netanyahu Ansichten über den Vorfall mit chemischen Waffen am 4. April in der syrischen Provinz Idlib aus.
Mr. Putin unterstrich, im Besonderen, dass es inakzeptabel ist unbegründete Beschuldigungen gegen irgendeine Partei zu erheben, bis eine gründliche und objektive internationale Untersuchung durchgeführt worden ist.“
Ergänzung 23.05 Uhr
Im Laufe des Abends (bzw Nachmittags amerikanischer Zeit) haben U.S. Regierungsbeamte massiv alle möglichen Gerüchte über ihre Presse gestreut. In der stillen Post des abendländischen Hinterlands kam dies als Nachricht an, U.S.-Verteidigungsminister James Mattis habe Präsident Trump bereits Optionen bzw Pläne des Militärs bezüglich Militärschläge in Syrien vorgelegt, darunter auch Luftangriffe. In der „Los Angeles Times“ wird dagegen berichtet, entsprechende Pläne würden Trump erst vorgelegt und zwar bei einer heutigen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, im Mar-a-Lago Palästle von Trump in Florida – ganz nebenbei, während er dort den Präsidenten von China bewirtet.
Außenminister Rex Tillerson wiederum äußert, es gäbe seiner bescheidenen Meinung nach „keine Rolle“ mehr für den Präsidenten von Syrien beim Regieren von Syrien, kann aber nicht erklären welche Rolle seine eigenen Worte spielen. Und in der „Bild“-Zeitung starten sie eine Klickstrecke, ob man dafür oder ausnahmsweise dagegen sei, dass Deutschland an einer Kriegskoalition gegen Syrien teilnehme.
Ganz ehrlich: Das ist eine Lachnummer.
Deutschland ist bereits in einer Internationalen Kriegskoalition, die im August 2016 offiziell in Syrien einmarschiert ist und an deren Luftangriffen in Syrien, in Irak und mittelbar auch in der Türkei selbst die Bundeswehr seit über einem Jahr beteiligt ist.
Realistisch äußerte sich heute der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman bezüglich der Frage, ob Israel sich an einem Krieg gegen Syrien offiziell beteiligen sollte:
„Warum müssen wir die Kastanien aus dem Feuer holen? Das ist die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft. Ich bin nicht bereit der Schmock zu sein, den die ganze Welt anpi**t.“
Offensichtlich hat Lieberman seit seinem kleinen Reinfall im Sommer 2014 dazu gelernt. (Wie prognostiziert: Israel will deutsche „Inspektoren“ in Gaza und droht anderenfalls mit neuem Massaker)
Der Theaterdonner, der jetzt in Washington und anderen Hochburgen der intelligence gestart wird, dient dazu die Herde aufzuscheuchen und Aufmerksamkeit zu kassieren, die (zumindest in der Politik) wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts. Gleichzeitig sollen die Risse in der Machtarchitektur Washingtons zugepflastert und wieder Größe, Größe, Grööööße demonstriert werden, oh lasset uns singen das Abenlandlied..
Am 12. April ist Tillerson in Moskau. Wohlgemerkt: nicht als kaugummikauender Cowboy hoch zu Roß vor den Indianern, sondern als Gast.
Und dann darf Rex sich schön hinsetzen und zuhören.
Und dann sehen wir weiter.