Syrien-Krieg: Eifriges um-die-Wette-Lügen

Es ist zu befürchten, dass die professionellen LügnerInnen aus Regierungen, Militärs, Dienste und Presse fast die Einzigen sind, die verstehen was in Syrien tatsächlich gespielt wird.

Wie berichtet, erwies am 4. April jemand den U.S.-geführten Invasoren mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Chemiewaffen-Einsatz im syrischen Khan Sheikhoun den denkbar größten Gefallen. Syrischer und russischer Generalstab sagten dazu nichts von Bedeutung oder logen. Die U.S.-Regierung von Donald Trump, die nur Tage zuvor den Umsturzversuch in Syrien nach sechs Jahren und Hunderttausenden von Toten aufgegeben hatte, drehte sich nun derart schnell um 180 Grad, dass sogar den abendländischen Kriegsapologeten ganz schwindlig wurde, nahm die Einladung zum Luftangriff in Syrien in der Nacht zum 7. April dankend an und startete von Kriegsschiffen nach eigenen Angaben 59 Marschflugkörper gegen den syrischen Luftwaffenstützpunkt, von denen aber angeblich 36 irgendwie verschwanden bevor sie ihr Ziel trafen bzw nicht trafen: nach Angaben des russischen Generalstabes blieben bei dem Angriff mit „extrem niedriger“ Effektivität Landebahnen, Zubringer und Stellplätze des syrischen Luftwaffenstützpunktes in Takt, lediglich sechs MIG-Jets in Werkstätten und eine Radarstation wurden demnach zerstört. Nur Stunden später starteten syrische Jets erneut vom so „massiv“ von modernstem U.S.-Luftwaffengerät bombardierten syrischen Stützpunkt. Das hielt U.S.-Verteidigungsminister James Mattis und das Pentagon nicht davon ab, in einem Statement am 10. April von einer Neutralisierung von „20 Prozent der operativen syrischen Luftwaffe“ zu fantasieren.

Wie passend, dass das Pentagon – welches nun in aller Ruhe eine offene Intervention der Internationalen Kriegskoalition von Jordanien aus im Syrien-Krieg bekannt gab, natürlich ohne irgendeine Reaktion aus Moskau oder Damaskus – vor dem Luftangriff am 7. April die russische Seite vom Angriff vorab informiert und die russische Flugabwehr die U.S.-Marschflugkörper nicht abgeschossen hatte (worüber sich Tage später sogar Heise.de wunderte).

Schließlich erklärten russische Stellen, nach allerlei Ausflüchten, es gäbe schlicht keine Vereinbarung über die Verteidigung syrischer „Militärobjekte“ (wie z.B. Hunderte syrischer Elitesoldaten am 17. 09.2016 östlich von Deir Ez-Zor) durch die russische Flugabwehr. Und die russischen Militärs würden auch zukünftig keine syrischen Stützpunkte oder Soldaten gegen Luftangriffe verteidigen. (11.04.2017, Wag the Russki)

Russlands Staatsführung erteilte also nun auch offiziell ausländischen Militärs einen Freifahrtschein für Luftangriffe in Syrien.

Nachdem es daraufhin unter den lieben Freunden der heldenhaften russischen Großmacht und dem großen Verteidiger des syrischen Vaterlandes Bashir Assad offensichtlich etwas Verwirrung gab, versuchten sich diese in in Verkehrsunfällen ähnelnden Ausflüchten.

Als sogar „Sputnik“ (!) es wagte einmal nachzufragen, wann genau denn die bösen Amis die russischen Militärs über ihren Luftangriff auf Syriens Luftwaffenstützpunkt informierte hätten, antwortete Vize-Außenminister und Medienverkehrsunfallopfer Gennadi Gatilow:

„Dies ist auch eine Angelegenheit, die nicht preisgegeben werden darf, dies ist eindeutig eine Frage, die über diplomatische und militärische Kanäle gelöst wird. Deshalb werde ich nicht weiter auf dieses Thema eingehen.“

Schade nur, dass Syriens Präsident bzw Monarch Assad im Interview mit der französischen Nachrichtenagentur „afp“ etwas ganz anderes erzählte:

„Sie (die Russen) konnten uns nicht warnen, weil sie keine Zeit dafür hatten. Denn die Amerikaner haben sie nur wenige Minuten vor dem Schlag oder einigen Berichten zufolge sogar nach dem Schlag davon in Kenntnis gesetzt… Dennoch konnte Damaskus gewisse Maßnahmen ergreifen, weil sich gewisse Informationen über den geplanten US-Raketenschlag auf eine syrische Luftwaffenbasis durchgesickert hatten

Soso.

„Wenige Minuten vor dem Schlag“. Oder auch „Berichten zufolge“ erst hinterher. Aber vorher hatte sich schon was „durchgesickert“, bis nach Damaskus.

Nachher wurden jedenfalls Aufnahmen einer in Tränen aufgelösten Witwe namens Ganea al-Ahmed veröffentlicht, deren Mann namens Firas Hammoud ihren Angaben zufolge kurz vor dem Angriff auf die Basis befohlen wurde. Auf der fundamentalistisch-humanistischen Seite von „Al Masdar News“ zeigte man sich stolz auf die Haltung der Soldatenwitwe, die sagte:

„Ich bin froh darüber, dass innerhalb von Stunden – oder dem nächsten Tag – die Flugzeuge starteten und die Bewältigung begann, als ob nichts geschehen wäre.“

Um noch einen draufzusetzen, erzählte gestern der syrische Generalstab unter Ali Abdullah Ayyoub die Geschichte von einem Luftangriff der Internationalen Kriegskoalition am Mittwoch (12.4.) auf das Dorf Hatla im östlichen Teil der Provinz Deir Ez-Zor (Deir Ezzor). Dabei sei ein Chemiewaffen-Labor des „Islamischen Staates“ (alias „I.S.I.S.“ oder „I.S.I.L.“) getroffen worden. Hunderte Zivilisten seien getötet worden. Dies sei ein Beweis, dass terroristische Organisationen wie der „I.S.“ und „Al Nusra“ über Chemiewaffen und die Möglichkeit verfüge diese zu „transportieren, lagern und zu benutzen“.

Angesichts dieses plumpen Versuchs von Gegenpropaganda konnte man vom Pentagon quasi aus dem Handgelenk ein Dementi absondern. Der russische Generalstab wiederum kam wieder mal ins Stottern, sagte, man wisse davon nichts, aber werde mal Drohnen hinschicken um nachzugucken. Auch das eine Dreistigkeit sondergleichen. Als ob die russischen Luft- und Weltraumstreitkräfte mit ihren Satelliten-Kapazitäten alle auf einmal dem Wodka verfallen seien.

Zudem beschädigte der syrische Generalstab so wieder einmal seinen eigenen Oberbefehlshaber Assad, der sich bemühte in seinem „afp“-Interview das tatsächliche oder vermeintliche Massaker an syrischen Zivilisten im von Invasoren kontrollierten Khan Sheikhoun als deren „hunderprozentige Fälschung“ darzustellen, welche dazu gedient habe den folgenden Luftangriff zu legitimieren.

Ach. Tatsächlich? Da kommt der Herr Präsident jetzt schon drauf? Na wenn der edle Staatsmann mal nicht vor lauter Hektik noch vorne über fällt.

„afp“ ließ das Interview mit Assad übrigens in Windeseile wieder verschwinden.

Dafür erklärte der Held des russischen Außenministeriums, Sergej Lawrow, seinem adäquaten Pendant Walid al-Muallem (dem viel Fleisch gewordenen Grund Bashir Assad nicht als Diktator zu bezeichnen), dass die U.S.-Regierung bzw deren Außenminister Rex Tillerson bei dessem Besuch in Moskau zugesichert habe (so „Reuters“, so „Interfax“), Luftangriffe in Syrien demnächst gnädigerweise zu unterlassen.

Na dann ist ja alles in Ordnung.

Nicht wahr?

Ein Abfall ist das, das einem schlecht wird.

(…)

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Artikel zuletzt aktualisiert um 17.52 Uhr