Brasilien: Deutsche Entwicklungsgelder begünstigen Korruption und Steuersenkung

Kritik an 17,5-Millionen-Euro-Darlehen von KfW-Tochter DEG an brasilianisches Unternehmen Rima Industrial. Konzern nimmt direkten Einfluss auf Politik und Gesetze

In Brasilien werden fragwürdige Unternehmen und mutmaßlich kriminelle Akteure offenbar durch Darlehen aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit begünstigt. Die Millionenkredite der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) waren bereits Thema bei einem Fachgespräch im Bundestag und parlamentarischen Anfragen. Doch das Entwicklungsministerium unter Leitung von Minister Gerd Müller (CSU) wiegelt ab: Man habe keine entsprechenden Informationen und sehe keinen Handlungsbedarf. Trotz entsprechender Hinweise aus dem südamerikanischen Land und Kritik aus den Reihen der deutschen Opposition will sich die Bundesregierung mit dem Thema nicht befassen.

Grund für die Debatte sind DEG-Kredite für Eukalyptusplantagen des brasilianischen Bergbau- und Forstunternehmens Rima Industrial. Der von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit einem 17,5-Millionen-Euro-Darlehen geförderte Konzern hat in den vergangenen Jahren zugleich erheblich Einfluss auf die brasilianische Politik genommen. Nach Informationen brasilianischer Medien hat Rima nicht nur den inzwischen wegen Korruption inhaftierten Ex-Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, von der rechtsliberalen Partei PMDB im vergangenen Wahlkampf massiv finanziell unterstützt. Der Konzern soll in der Kampagne 2014 insgesamt rund 3,5 Millionen Reais – etwa eine Million Euro – an mehrere Kandidaten gezahlt haben. Die Nutznießer dieser Geldflüsse gehörten vor allem dem rechtsgerichteten und neoliberalen Lager an. Gegen einige der Profiteure laufen inzwischen Verfahren wegen Geldwäsche, fast alle waren in den parlamentarischen Putsch gegen die demokratisch gewählte Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2016 verstrickt.

Neben Cunha erhielt Ronaldo Caiado, der Anführer der extremen Rechten im brasilianischen Parlament, Gelder von Rima Industrial für seine Wahlkampagne. Die Finanzierung von mehreren Kandidaten zahlte sich für das Unternehmen dabei auch mittel- und langfristig aus: Mehrere der Zahlungsempfänger haben in der aktuellen Legislaturperiode Gesetzesvorschläge mit dem Ziel eingebracht oder blockiert, eine stärkere Regulierung von Bergbauunternehmen sowie eine höhere Besteuerung zu verhindern.

Auch unabhängig von der Wahlkampffinanzierung und dem damit einhergehenden direkten Eingriff in das Gesetzgebungsverfahren steht das Unternehmen in der Kritik. Nichtregierungsorganisationen werfen Rima Industrial vor, sich Waldflächen illegal angeeignet zu haben. Pachtverträge im Bundesstaat Minas Gerais, die noch während der Militärdiktatur (1964-1985) entstanden sind, wurden gegen den Willen der Staatsanwaltschaft von mutmaßlich korrupten Beamten zu lächerlich geringen Pachtzahlungen verlängert. Der Verdacht liegt nahe, dass das Unternehmen von der Landraubpolitik unter der Junta bis heute profitiert und diese Privilegien durch Bestechung zu wahren versucht.

Für die DEG, ein Tochterunternehmen der KfW-Bankengruppe, ist die Unterstützung heikel, weil die Politik von Rima Industrial offensichtlich den eigenen Ansprüchen entgegensteht. In den Antworten auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Niema Movassat bestätigt auch die Bundesregierung, dass zu diesen entwicklungspolitischen Zielen gehört, zu höheren Steuereinnahmen des Ziellandes beizutragen. Man nehme aber keinen Einfluss auf die entsprechende Gesetzgebung, schreibt die Bundesregierung weiter, um kritischen Nachfragen des Abgeordneten weitgehend auszuweichen. Dass mit Rima Industrial ein Nutznießer von DEG-Millionenkrediten gegen die eigenen entwicklungspolitischen Ziele arbeitet, scheint man in Berlin nicht weiter problematisch zu finden.

Die Bundesregierung, meint der Linken-Abgeordnete Movassat, versage bei der Kontrolle der DEG im Fall des brasilianischen Unternehmens komplett. Man sei in Berlin weder bereit noch fähig zu prüfen, ob die DEG ihrem entwicklungspolitischen Auftrag in der Praxis auch wirklich nachkommt. „Vorwürfen wegen illegaler Landaneignungen eines DEG-finanzierten Unternehmens geht sie ebenso wenig nach wie Hinweisen zur Bestechung von Abgeordneten – und das in einem Land wie Brasilien, in dem Korruption und Landkonflikte die zentralen Entwicklungshemnisse darstellen“, sagte Movassat gegenüber amerika21. „Bundesregierung und DEG sehen im Agieren von Rima Industrial keinerlei Probleme, weil sie keine Probleme sehen wollen“, so Movassat weiter: „Mit dieser Vogelstrauß-Methode verspielen beide ihre letzte entwicklungspolitische Glaubwürdigkeit.“

Erstveröffentlichung am 18. Mai 2017 auf Portal amerika21.de