teleSUR / Rolando Segura: Danke Herr Präsident, dass Sie uns empfangen.
Präsident Bashar al-Assad: Ich heiße Sie und teleSUR in Syrien willkommen. Wir freuen uns, dass Sie da sind.
teleSUR: Beginnen wir direkt mit den jüngsten Entwicklungen. Russland hat gewarnt, dass weitere angebliche chemische Attacken stattfinden könnten. Welche vorbeugenden Maßnahmen hat Syrien getroffen, um das zu verhindern?
Präsident Bashar al-Assad: Fürs erste haben Terroristen chemische Materialien in den letzten Jahren öfter als einmal und in mehr als einer Region in Syrien benutzt. Wir haben die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ersucht, spezialisierte Missionen zu schicken, um herauszufinden, was geschehen ist. Und jedesmal verhinderten die Vereinigten Staaten von Amerika diese Untersuchungen oder verhinderten, dass derartige Kommissionen geschickt wurden, um solche Untersuchungen durchzuführen. Das geschah auch in der letzten Woche, als wir Untersuchungen des angeblichen Einsatzes chemischer Waffen in der Stadt Khan Sheikhoun forderten.
Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten hinderten die OPCW daran, diese Entscheidung zu treffen. Was uns betrifft, so bestehen wir nach wie vor auf einer Untersuchung, und wir und unsere russischen und iranischen Verbündeten versuchen, die OPCW dazu zu bewegen, ein Team zu schicken, um zu untersuchen, was geschehen ist, weil, wenn sie das nicht machen, die Vereinigten Staaten von Amerika das gleiche Theater wiederholen könnten, indem sie den Einsatz falscher chemischer Waffen an einem anderen Ort in Syrien inszenieren, um militärischen Eingreifen zugunsten der Terroristen zu rechtfertigen. Andererseits kämpfen wir weiterhin gegen die Terroristen, weil wir wissen, dass das Ziel all dieser amerikanischen und westlichen Anschuldigungen betreffend chemische Waffen die Unterstützung von Terroristen in Syrien ist. Deswegen werden wir weiterhin diese Terroristen bekämpfen.
teleSUR: Aber das Pentagon sagt, dass Syrien chemische Waffen besitzt. Stimmt es, dass Syrien ein Prozent der Waffen zurückbehalten hat, zu deren Übergabe und Vernichtung es sich vor vier Jahren verpflichtet hat?
Präsident Bashar al-Assad: Sie und ich erinnern uns noch gut daran, was 2003 geschah, als Colin Powell der Welt in der UNO-Vollversammlung das zeigte, von dem er behauptete, dass es der Beweis dafür sei, dass Präsident Saddam Hussein chemische, nukleare und andere Waffen besaß. Als dann jedoch die amerikanischen Streitkräfte den Irak überfielen, da wurde bewiesen, dass alles, was er gesagt hatte, eine Lüge war. Powell selbst gab zu, dass die amerikanischen Geheimdienstbehörden ihn mit diesen falschen Beweisen täuschten. Das war nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein. Das bedeutet, dass man ein hervorragender Lügner sein muss, falls man ein Politiker in der Vereinigten Staaten von Amerika sein will. Das ist das, was amerikanische Politiker charakterisiert: sie lügen tagtäglich und sagen das eine und tun das andere. Deshalb sollten wir nicht glauben, was das Pentagon oder eine andere amerikanische Institution sagen, weil sie Dinge sagen, die ihrer Politik dienen, und nicht Dinge, die die Realität und die Tatsachen wiedergeben.
teleSUR: Was steckt hinter Syriens Wunsch, von Russland die neueste Generation von Raketenabwehrraketen zu bekommen?
Präsident Bashar al-Assad: Wir befinden uns bereits in einem Kriegszustand mit Israel, und Israel hat gegen seine benachbarten arabischen Staaten seit seiner Gründung 1948 Aggressionen begangen. Daher ist es natürlich, dass wir solche Systeme haben sollten. Allerdings haben die Terroristen, die nach Anleitungen Israels, Amerikas, der Türkei, Qatars und Saudiarabiens handeln, einige dieser Systeme zerstört. Und es liegt nahe für uns, mit den Russen über die Verstärkung dieser Systeme zu verhandeln, um israelischen Gefahren aus der Luft oder der Bedrohung durch amerikanische Raketen etwas entgegenzusetzen. Diese Möglichkeit wurde zur Wirklichkeit nach der neulichen amerikanischen Aggression gegen den Luftwaffenstützpunkt al-Shairat in Syrien.
teleSUR: Welche Rolle hat Israel im Besonderen in diesem Krieg gegen Syrien gespielt? Wir wissen, dass israelische Angriffe gegen die Positionen der Syrischen Arabischen Armee in den letzten Wochen weitergegangen sind.
Präsident Bashar al-Assad: Es spielt eine Rolle in verschiedenen Formen: erstens durch direkte Aggression, besonders durch den Einsatz von Kriegsflugzeugen, Artillerie oder Raketen gegten Positionen der syrischen Armee. Zweitens unterstützt es Terroristen auf zweifache Weise: einerseits durch die Bereitstellung direkter Unterstützung in Form von Waffen, und andererseits durch die Bereitstellung von logistischer Unterstützung, indem es sie zum Beispiel militärische Übungen in den Gebieten durchführen lässt, die es kontroolliert. Es stellt ihnen auch medizinische Hilfe in seinen Krankenhäusern zur Verfügung. Das sind nicht nur Behauptungen oder Annahmen. Das sind Tatsachen, verifiziert und veröffentlicht im Internet, die man leicht als Beweise für die israelische Rolle bei der Unterstützung der Terroristen in Syrien abrufen kann.
teleSUR: Wie beurteilen Sie die derzeitige Politik Donald Trumps in der Welt und in Syrien im Besonderen?
Präsident Bashar al-Assad: Der amerikanische Präsident hat keine Politik. Es gibt eine Politik, die von amerikanischen Institutionen festgelegt wird, die das amerikanische Regime kontrollieren, nämlich die Geheimdienstbehörden, das Pentagon, die großen Waffen- und Erdölkonzerne und Finanzinstitutionen, die noch zu einigen anderen Lobbies dazukommen, die den amerikanischen Entscheidungsprozess beeinflussen. Der amerikanische Präsident setzt diese Politik nur mehr um, und es gibt Beweise , dass Trump, als er versuchte, während und nach seiner Wahlkampagne auf einer anderen Spur zu fahren, nicht dazu imstande war. Er kam unter wilde Attacken. Wie wir in den letzten paar Wochen gesehen haben, änderte er seine Rhetorik komplett und unterwarf sich den Bedingungen des verborgenen („deep“) amerikanischen Staates, oder des verborgenen amerikanischen Regimes. Aus diesem Grund ist es unrealistisch und eine komplette Zeitverschwendung, eine Beurteilung der Außenpolitik des amerikanischen Präsidenten abzugeben, da er zwar das eine oder andere sagen mag, letztlich aber macht, was diese Institutionen ihm diktieren. Das ist nicht neu. Das war laufende amerikanische Politik seit Jahrzehnten.
teleSUR: Die amerikanische Administration hat jetzt einen neue Front zu Nordkorea eröffnet. Ist es möglich, dass das den amerikanischen Zugang zu Syrien beeinflussen wird?
Präsident Bashar al-Assad: Nein, die Vereinigten Staaten von Amerika trachten immer danach, alle Staaten der Welt ohne Ausnahme zu kontrollieren. Sie akzeptieren keine Verbündeten, egal ob es sich um entwickelte Staaten wie die im Block des Westens handelt oder um andere Staaten auf der Welt. Jeder Staat sollte ein amerikanischer Satellit sein. Aus diesem Grund zielt das, was gegenüber Syrien, Korea, Iran, Russland und vielleicht Venezuela geschieht, auf die Wiederherstellung der amerikanischen Oberherrschaft über die Welt, weil sie glauben, dass diese Hegemonie jetzt in Gefahr ist, was in der Folge die Interessen der amerikanischen wirtschaftlichen und politischen Eliten bedroht.
teleSUR: Russlands Rolle im Konflikt um Syrien ist sehr klar, aber welche Rolle spielt China, diese andere große Weltmacht?
Präsident Bashar al-Assad: Zwischen Russland und China gibt es gute Zusammenarbeit, was politische Aktionen oder politische Positionen betrifft. Die Standpunkte sind ähnlich und es besteht eine Kooperation im UN-Sicherheitsrat. Wie Sie wissen, haben die Vereinigten Staaten von Amerika und deren Alliierte einige Male versucht, den UN-Sicherheitsrat zu benützen, um die Rolle der Terroristen in Syrien zu legitimieren und um ihre Rolle bei der unrechtmäßigen und aggressiven Intervention in Syrien zu legitimieren. Deswegen standen Russland und China zusammen, und Chinas Rolle zusammen mit der Rolle Russlands war in dieser Beziehung wesentlich. Darüber hinaus sind einige der Terroristen chinesische Staatsbürger, die durch die Türkei nach Syrien kamen. Sie stellen eine Bedrohung für uns in Syrien dar, bedrohen aber in gleicher Weise auch China. China ist sich der Tatsache bewusst, dass Terrorismus sich von jedem Ort der Welt an jeden anderen bewegt, und folgerichtig diese Terroristen, seien sie chinesischer oder anderer Abstammung, nach China zurückkehren könnten und dort zuschlagen wie sie es in Europa, Russland und in Syrien getan haben. Wir arbeiten jetzt mit China in Sicherheitsangelegenheiten zusammen.
teleSUR: Westliche und amerikanische Medien sprechen jetzt von gemäßigten Terroristen und extremistischen Terroristen. Gibt es in der Realität einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen?
Präsident Bashar al-Assad: Für die US-/westlichen Medien ist ein gemäßigter Terrorist der, der Köpfe abschneidet und mordet, dabei aber keine al-Qaeda-Fahne trägt und nicht „Allah Akbar“ sagt, während ein extremistischer Terrorist der ist, der die Fahne trägt und Allah Akbar sagt, wenn er Köpfe abschneidet und mordet. Das ist der einzige Unterschied. Für die Vereinigten Staaten von Amerika gelten alle, die ihren politischen Absichten gegen andere Staaten dienen, als gemäßigte Opposition und nicht als extremistisch und terroristisch, auch wenn sie die schlimmsten terroristischen Akte begehen. Sie sind Freiheitskämpfer und nicht Kämpfer in Sachen Destruktion und Sabotage.
teleSUR: Der Krieg in Syrien dauert nun schon sechs Jahre. Wie steht es jetzt um Syrien, besonders wo es keine Statistiken über Verluste von Menschen gibt?
Präsident Bashar al-Assad: Der schmerzlichste Verlust in jedem Krieg ist der Verlust an Menschen, das Leiden, das jede Familie trifft, wenn sie eines ihrer Mitglieder verliert, weil die ganze Familie lebenslang an dem Verlust zu leiden hat. Das ist das natürliche Gefühl in einer Region wie der unseren, wo die familiären Beziehungen sehr stark sind. Nichts ersetzt diesen Verlust, und nichts übertrifft die Schmerzen, die er verursacht. Natürlich gibt es gewaltige Verluste bei Wirtschaft und Infrastruktur, aber diese Infrastruktur wurde seit nicht viel mehr als fünfzig Jahren durch syrische Hände errichtet, nicht ausländische. Und wir haben die Kapazität, diese Infrastruktur wiederaufzubauen. Dasselbe gilt für die Wirtschaft, da die syrische Wirtschaft in erster Linie und hauptsächlich auf syrische Fähigkeiten aufgebaut ist und unsere wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Westen immer beschränkt waren. Wenn der Krieg vorbei ist, wird alles wiederaufgebaut werden. Damit haben wir kein Problem. Es stimmt, dass es Zeit brauchen wird, aber es ist nicht unmöglich. Der größte und schmerzlichste Verlust für Syrien ist der menschliche Verlust.
teleSUR: Sind unter den 86 Staaten, die die Allianz bilden, die Krieg gegen Syrien führt, einige dabei, die sich an dem Prozess des Wiederaufbaus beteiligen würden?
Präsident Bashar al-Assad: Nein, natürlich nicht. Fürs erste wollen sie Syrien nicht wieder aufbauen, aber einige Unternehmen in diesen Ländern sind sicher dazu bereit, wenn sie sehen, dass das Rad der Wirtschaft und des Wiederaufbaus sich zu drehen begonnen hat und da sie Oppportunisten sind, zu kommen und einen Anteil am Wiederaufbau Syriens zu ergattern, um Geld zu verdienen. Das syrische Volk wird das sicher nicht akzeptieren. Alle Staaten, die sich gegen das syrische Volk gestellt haben und sich an der Zerstörung und Sabotage beteiligt haben, werden niemals am Wiederaufbau Syriens teilnehmen. Das ist endgültig.
teleSUR: Aber wie war das Leben in den vergangenen sechs Jahren in diesem belagerten Land?
Präsident Bashar al-Assad: Das Leben war sicher schwer für jeden syrischen Bürger. Die Terroristen haben die Infrastruktur zerstört. In bestimmten Gebieten gibt es elektrischen Strom nur für eine oder zwei Stunden, und es gibt Gebiete, in denen es überhaupt keinen Strom gibt. Es gibt Gebiete, in denen der elektrische Strom vor zwei oder drei Jahren abgeschnitten wurde. Die Menschen haben kein Fernsehen, Kinder können nicht in die Schule gehen, es gibt keine medizinischen Kliniken oder Krankenhäuser und niemand behandelt die Kranken. Dank den Terroristen leben sie in prähistorischen Zuständen. Da gibt es Gebiete, in denen es seit Jahren kein Wasser gibt, wie es etwa in Aleppo der Fall war, das jahrelang kein Wasser hatte. Manchmal benutzten sie verschmutzes Wasser zum Trinken, Waschen und für andere Zwecke. Das Leben war sehr schwer.
teleSUR: Eines der Hauptziele in diesen Jahren war die Person Bashar al-Assad. Haben Sie sich jemals in diesen Jahren gefürchtet?
Präsident Bashar al-Assad: Wenn man sich mitten in einem Krieg befindet, fühlt man keine Furcht. Ich glaube dass das bei allen Menschen so ist. Aber man hat generell Sorgen um das Heimatland, denn was ist es wert sicher zu sein, als Individuum, als Bürger, wenn das Land bedroht wird. Man kann sich nicht sicher fühlen. Ich glaube, dass das Gefühl, das wir in Syrien haben, im Großen und Ganzen die Sorge um die Zukunft Syriens ist als persönliche Angst. Der Beweis dafür ist, dass Mörsergranaten überall fallen, auf jedes Haus, trotzdem sieht man, dass das Leben in Syrien weitergeht. Der Lebenswillen ist viel stärker als die individuelle Angst. Als Präsident beziehe ich Stärke aus den Gefühlen der allgemeinen Öffentlichkeit, nicht aus meinen eigenen Gefühlen. Ich lebe nicht isoliert von den anderen.
teleSUR: Westliche Medien haben eine Medienkampagne gegen Sie geführt. Sitze ich jetzt mit dem Teufel beisammen, der von den Medien proträtiert wird?
Präsident Bashar al-Assad: Ja, aus einer westlichen Perspektive sitzen Sie mit dem Teufel beisammen. So verkaufen sie das im Westen. Aber das ist immer so, wenn ein Staat, eine Regierung oder ein Individuum sich nicht ihren Interessen unterwerfen wollen und nicht für ihre Interessen gegen die Interessen ihres Volkes arbeiten. Das waren die kolonialen Forderungen des Westens die Geschichte hindurch. Sie sagen, dass diese bösartige Person die guten Menschen tötet. Okay, wenn er die guten Menschen tötet, die ihn die letzten sechs Jahre hindurch unterstützt haben? Weder Russland noch der Iran noch sonst ein befreundeter Staat können ein Individuum gegen das Volk unterstützen. Das ist unmöglich. Wenn er das Volk tötet, wie kommt das Volk dazu, ihn zu unterstützen? Das ist das widersprüchliche Narrativ des Westens, und das ist auch der Grund, warum wir unsere Zeit nicht für westliche Narrative verschwenden sollten, weil diese schon die ganze Geschichte hindurch voller Lügen waren und nichts daran neu ist.
teleSUR: Was kann auch Syrien machen, um diesem Krieg vor der sechsten Runde der Genfer Gespräche ein Ende zu bereiten?
Präsident Bashar al-Assad: Wir sagten, dass es zwei Achsen gibt: die erste ist der Kampf gegen die Terroristen, und um diese geht es bei keiner Diskussion, und wir haben keine andere Wahl im Umgang mit den Terroristen, außer sie zu bekämpfen. Die zweite Achse, die politische, beinhaltet zwei Punkte: erstens den Dialog mit den verschiedenen politischen Kräften über die Zukunft Syriens, und zweitens: lokale Aussöhnungen in dem Sinne, dass wir mit den Terroristen in einem bestimmten Dorf oder Stadt verhandeln, je nachdem von Fall zu Fall getrennt. Das Ziel dieser Aussöhnungen ist, dass sie ihre Waffen niederlegen und eine Amnestie vom Staat bekommen und in der Folge in ihr normales Leben zurückkehren. Diese Vorgangsweise wurde in den letzten drei oder vier Jahren eingesetzt, hat sich bewährt und wird jetzt weiter geführt. Das sind die Achsen, auf denen wir arbeiten können, um eine Lösung für die syrische Krise zu finden.
teleSUR: Wie sehen Sie aus der Perspektive eines Landes im Kriegszustand die Situation in Lateinamerika, besonders in Venezuela, wo eine Reihe von Vorgängen aufgetaucht sind, die denen sehr ähnlich sind, die den Konflikt in Syrien verursacht haben?
Präsident Bashar al-Assad: Natürlich sollten sie sich gleichen, ist es doch dieselbe Partei, die diese Vorgänge plant und betreibt. Es sind die Vereinigten Staaten von Amerika als Dirigent und die westlichen Staaten, die den Chor bilden. Lateinamerika im Allgemeinen und Venezuela im Besonderen wurden jahrzehntelang als Hinterhof der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtet. Durch diesen Hinterhof pflegten westliche Staaten, besonders Nordamerika oder die Vereinigten Staaten von Amerika, ihre Wirtschaftsinteressen durch den Einfluss der großen Unternehmen in euren Ländern zu sichern. Militärische oder politische Staatsstreiche in Lateinamerika in den 1960ern und 1970ern zielten auf die Aufrechterhaltung der amerikanischen Vorherrschaft über die Interessen eurer Völker. Aber Lateinamerika befreite sich selbst während der letzten 20 Jahre und gewann seine unabhängige Selbstbestimmung. Regierungen begannen, die Interessen ihrer Völker zu verteidigen, was für die Vereinigten Staaten von Amerika unerträglich ist. Das ist es, warum sie ausnützen, was in der Welt geschieht, beginnend mit der Orangen-Revolution in der Ukraine bis zu dem Staatsstreich dort vor wenigen Jahren, und was vor sich geht in den arabischen Ländern, in Libyen, Syrien, Jemen und in anderen, um es in Lateinamerika umzusetzen. Sie haben in Venezuela mit dem Ziel begonnen, die Regierung zu stürzen, und das wird sich dann auf andere lateinamerikanische Länder ausweiten.
teleSUR: Einige Menschen, besonders einfache Bürger in Lateinamerika denken, dass ein Szenario ähnlich dem, was in Syrien passiert, in Lateinamerika wiederholt werden könnte. Was denken Sie?
Präsident Bashar al-Assad: Das ist wahr. Deshalb sage ich, dass es natürlich ist, wenn das Szenario nicht nur ähnlich, sondern identisch ist, wenn die planende und ausführende Partei dieselbe ist. Einige lokale Elemente können vielleicht abweichen. In Syrien sagten sie am Anfang, dass es friedliche Demonstrationen gab, aber tatsächlich brachten sie Individuen ins Spiel, die auf beide Seiten feuerten, auf die Polizei und auf die Demonstranten, als sich diese friedlichen Demonstrationen nicht weit genug verbreiteten, sodass es Tote gab. Sie begannen zu sagen, dass der Staat die Menschen tötet, und dieses Szenario wird überall wiederholt. Dasselbe Szenario wird in Venezuela wiederholt werden. Aus diesem Grund muss das Volk Venezuelas sehr vorsichtig sein. Es gibt einen Unterschied zwischen gegen die Regierung zu sein und gegen das Heimatland zu sein, einen riesigen Unterschied. Auf der anderen Seite kann sich kein fremder Staat mehr Sorgen um die Interessen Venezuelas machen als die Menschen in Venezuela selbst. Glaubt nicht dem Westen, denn dieser kümmert sich weder um Menschrechte noch um die Interessen von Staaten. Das einzige, worum er sich kümmert, sind die Interessen eines Teils der herrschenden Eliten in seinen Ländern. Und diese herrschenden Eliten sind nicht zwangsläufig Politiker, sie sind auch Wirtschaftsunternehmen.
teleSUR: Ich spreche über Lateinamerika, Venezuela, die Bolivarische Revolution, die Ihr starker Verbündeter war. Wie erinnern Sie sich an den verstorbenen Hugo Chavez?
Präsident Bashar al-Assad: Präsident Chavez war eine hervorragende Persönlichkeit von Weltformat. Wenn wir über Lateinamerika sprechen, dann denken wir sofort an den verstorbenen Präsidenten Chavez und an den verstorbenen Fidel Castro, den Anführer der kubanischen Revolution. Sie sind hervorragende Persönlichkeiten, die das Antlitz Lateinamerikas verändert haben. Präsident Chavez kannte ich persönlich und habe ihn getroffen, als er uns zweimal in Syrien besuchte und ich ihn in Venezuela. Wenn man ihn traf, dann merkte man sofort, dass er ein Sohn des Volkes ist. Man hatte nicht den Eindruck, einen Präsidenten oder Politiker zu treffen, sondern einen Menschen, dem die Nöte seines Vokes am Herzen lagen. Alles, was er sagte, stand immer in Zusammenhang mit den Menschen in seinem Land. Und wenn er mit dem Oberhaupt oder mit dem Vertreter eines anderen Staates sprach, dachte er ständig daran, wie er gemeinsame Interessen schaffen konnte, die sich positiv auf sein Volk auswirkten. Er war ein wahrhaftiger und sehr charismatischer Anführer. Und er war eine extrem genuine Persönlichkeit.
teleSUR: Davor dämonisierten sie Chavez, und es ist klar, dass jetzt Nicolas Maduro an der Reihe ist.
Präsident Bashar al-Assad: Natürlich, solange Präsident Maduro die gleiche patriotische Linie verfolgt, nämlich die Linie der Unabhängigkeit Venezuelas, und im besten Interesse der Menschen seines Landes handelt, ist es natürlich, dass er an oberster Stelle der Abschussliste der Vereinigten Staaten von Amerika steht. Das versteht sich von selbst.
teleSUR: Wie stellt sich Bashar al-Assad das Ende des Kriegs vor?
Präsident Bashar al-Assad: Abgesehen von der ausländischen Intervention in Syrien ist heute das Problem nicht kompliziert, da die Mehrheit der Syrer vom Krieg genug haben und eine Lösung wollen. Sie wollen zu Sicherheit und Stabilität zurückkehren. Es gibt einen Dialog zwischen uns als Syrer, es gibt Treffen, und Menschen leben miteinander, das heißt, es gibt keine wirkliche Barriere. Das Problem zur Zeit ist, dass mit jedem Schritt, den wir einer Lösung und Wiedererlangung der Stabilität näher kommen, die terroristischen Banden mehr Geld und Waffen bekommen, um die Situation hochzutreiben. Das ist es, warum ich sagen kann, dass die Lösung in der Einstellung der Unterstützung für die Terroristen aus dem Ausland bestehen soll. Was uns in Syrien betrifft, sind die Versöhnung unter allen Syrern, sowie Vergessen und Vergebung all dessen, was in der Zeit dieses Kriegs geschehen ist, der Weg zur Wiederherstellung der Sicherheit für Syrien. Sie können sich sicher sein, dass Syrien dann viel stärker sein wird, als es vor dem Krieg war.
teleSUR: Sind Sie bereit, sich auch mit denen zu versöhnen, die Waffen gegen das syrische Volk erhoben haben?
Präsident Bashar al-Assad: Natürlich, und das ist tatsächlich in vielen und unterschiedlichen Orten geschehen, und einige von ihnen haben an der Seite der syrischen Armee gekämpft, einige sind als Märtyrer gefallen, und einige kehrten in ihre Städte zurück und leben in dem Teil, der von der Regierung kontrolliert wird. Wir haben kein Problem. Toleranz ist wesentlich, um jeden Krieg zu beenden. Und auf diesem Weg machen wir Fortschritte.
teleSUR: Herr Präsident, was ist Ihre Botschaft für Lateinamerika und die Welt?
Präsident Bashar al-Assad: Erhaltet eure Unabhängigkeit. Wir in der arabischen Region feiern Unabhängigkeit in mehr als einem Land. Aber diese Unabhängigkeit bedeutete in einer Reihe von Ländern in der Region nur den Abzug von Besatzungskräften. Wirkliche Unabhängigkeit besteht nur, wenn man über seine nationalen Entscheidungsprozesse bestimmen kann. Für uns war Lateinamerika ein Modell für Unabhängigkeit in dem Sinne, dass Besatzer evakuiert wurden, falls fremde Kräfte anwesend waren, aber zur gleichen Zeit gab es nationale Entscheidungsprozesse, Offenheit und Demokratie. Sie haben der Welt ein wichtiges Modell beschert. Behalten Sie es also bei, denn wenn die Länder der Dritten Welt und Entwicklungsländer sich entwickeln wollen, dann sollten sie dem Modell folgen, das in Lateinamerika eingerichtet worden ist.
teleSUR: Herr Präsident, wir danken Ihnen, dass Sie teleSUR dieses Interview gegeben haben, danke für Ihre wertvolle Zeit und für alle die Informationen, die sie uns gegeben haben.
Präsident Bashar al-Assad: Danke für Ihr Kommen, und ich heiße Sie noch einmal in Damaskus willkommen.
Orginalartikel veröffentlicht am 27. April 2017 auf teleSUR und am 27. Mai 2017 auf Information Clearing House
Quelle: http://antikrieg.com/aktuell/2017_05_28_vollstaendiges.htm