Hamburg: Welcome to Starker G20-Staat

Radio Utopie hat in zwei Artikeln genau davor gewarnt, was in Hamburg während des Treffens der G20-Mächte geschehen ist. Jetzt müssen wir nur noch erklären, was das ist, was da geschehen ist.

Eine Analyse.

a) die im Zuge der „Totalüberwachung“, der totalen Spionage des Staates gegen die eigene Bevölkerung, infiltrierten, durchleuchteten, analysierten („Unfähige gewähren lassen, Fähige kompromittieren“) und über Personen in Schlüsselpositionen strukturell kontrollierten politischen Organisationen im linken / progressiven Spektrum stellen sicher, dass sie die vermeintlich eigenen Ansprüche, Ideen und Konzepte mit maximaler Wucht an die Wand klatschen.

Dafür wird eine möglichst große Zahl von gutwilligen Menschen angelockt. Diese stellt man zum Dank ebenfalls als Höllenbewohner und Teufel hin, welche wiederum die größten Verbrecher der Welt (mutmaßlich aus Eden selbst heran gereist) nur sehr ungern als Besucher dulden. Rechtsgerichteten, egoistischen und reaktionären Kräften, samt deren Trollen und Dreckschleudern, wird jede nur denkbare Munition in die Hand und die bestmögliche Steilvorlage gegeben.

b) das Bundesverfassungsgericht kommt rund eine Woche vor dem Gipfel zum Schluss, dass seit 1949 nie geklärt wurde, ob das Grundgesetz auch Versammlungen erlaubt, bei denen übernachtet wird (Zelte zu „Infrastruktureinrichtungen“). Die Verfassungsrichter erteilen damit der in der staatlichen Hierarchie untergeordneten Bundesregierung, deren Kanzlerin auch noch „Präsidentin“ dieses völkerrechtlich nicht legitimierten imperialistischen Paktes namens „G20“ ist, sowie Stadtregierung, Polizeiführung, regionale Gerichtsbarkeit (Oberverwaltungsgericht, Verwaltungsgericht) einen Freibrief dafür, öffentlichen, zivilen, legitimen, leicht zu beobachtenden Widerstand gegen das Treffen der G20-Mächte durch sadistische Taktiken zu sabotieren.

Durch die entsprechenden Personen in Schlüsselpositionen innerhalb der tatsächlich oder vermeintlich linken und progressiven Gruppen, Lobbys und Organisationen, mit all ihren Juristen, wird sichergestellt, dass dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts weder gelesen noch verstanden wird, geschweige denn, dass er sich rumspricht.

c) die Organisatoren der G20-Proteste stellen sicher, dass genau dann nichts organisiert wird, wenn es darauf ankommt, ganz besonders keine eigenen Medien und damit Gegenöffentlichkeit und schon gar nicht zur ersten Pressekonferenz (1, 2, 3). Stattdessen wird Informationsindustrie und Staatsmedien in jede Kamera und jedes Mikrofon „Welcome to Hell“ getrötet. Als dann ein „Internationales Medienzentrum“ eröffnet, natürlich viel zu spät, sendet es vor allem Standbilder. Auch Dokumentationen der noch folgenden Demonstrationen werden entweder gar nicht oder schlecht organisiert. Unkreatives Chaos wird unter ein großes PappgenossInnen-Schild mit Fanfaren verborgen.

d) nachdem also ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von sämtlichen Organisatoren und Juristen der G20-Proteste weder gelesen noch verstanden wird (im Gegensatz zu irgendwelchen Vorwäldlern von Journalisten), herrscht nun, im Zuge der Sabotage der Camps durch die Polizei, unter den zugereisten Protestierenden völlige Konfusion.

„Welcome to Hell“ verspricht Abhilfe: alles irgendwie besetzen. Die linken Pappenheimer sind begeistert. Andere weniger.

Nachdem im Vorfeld des G20-Gipfels natürlich keiner daran dachte, das Deutsche Schauspielhaus Hamburg oder Kirchengemeinden, oder, oder, oder anzusprechen (weil man ja nicht in der Lage war Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu lesen, sondern stattdessen die Campbesucher in die Knüppel laufen ließ), werden nun von irgendwem auf Twitter irgendwelche aufdringlichen Besetzungsaufrufe losgelassen. Doch Schauspielhaus und Kirchen reagieren gelassen und solidarisch und stellen Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht im Vorfeld Artikel 8 Grundgesetz kafkaesk uminterpretiert bzw eine endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von Übernachten im Zelt bei Versammlungen auf irgendwann in einem Hauptverfahren vertagt. Im Zuge der nun möglichen willkürlichen Camp-Razzien durch die Hamburger Stadtregierung und ihre Polizei wird nun auch noch Artikel 20, die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt („die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“).

Obendrein gibt es auch noch ein Angriff auf Artikel 9 der Verfassung, der u.a. die Koalitionsfreiheit garantiert, was erstaunlicherweise ein deutliches Echo vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.,  der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. hervor ruft.

Am 5. Juli ziehen dann die „1000 Gestalten“ durch Hamburg.

1000 GESTALTEN / G 20 Hamburg Summit from 1000 GESTALTEN on Vimeo.

Der Staat gerät öffentlich unter Druck und die Proteste werden populär.

So geht´s also nicht. Da muss man was machen!

e) Donnerstag, 6. Juli. Die „Welcome to Hell“ Demo. Zur Erinnerung – wir sagten noch…

Ganz wichtig:

  • von der Versammlungsbehörde der erklärten Hölle eine Abschlusskundgebung direkt vor den G20-Staatschefs in den Messehallen genehmigt kriegen, ohne Auflagen und als einzige Demonstration überhaupt…
  • eine Demoroute wählen, die sogar die Veranstalter der seitdem letzten Loveparade in Freudentränen ausbrechen ließe…
  • auf irgendein Gequatsche genau der Polizeiführung hereinfallen, deren angeblicher Todfeind man doch ist (Absprachen über Anzahl von vermummten Demonstranten, die die vermummte Polizei angeblich dulden würde)…
  • noch vor der Demonstration genau abchecken, worauf das hinausläuft..
  • sich nachher bei der „Jungen Welt“ beschweren und das alles logisch finden, was bei der Demonstration und hinterher passiert.

Was nun am Donnerstag zunächst bei der Demo passiert, kann man sich bei diesem Augenzeugenbericht oder beim NDR durchlesen. Oder einfach mal hingucken.

f) was anschließend ab dem Abend des 6. Juli in Hamburg passiert, vor allem im Schanzenviertel, kann man sich auch als noch zu produzierenden Spielfilm „Once upon a time in Aleppo“ vorstellen, um mal ein bisschen zu übertreiben.

19.000 Polizisten, mit 3000 Fahrzeugen, 11 Hubschraubern und einem im Vorfeld aus der Bundesregierung heraus genehmigten Einsatz von Drohnen in Hamburg sind selbstverständlich völlig hilflos. Wie könne es auch anders sein.

Dass die Polizei einfach immer die Wahrheit sagt – und sich dabei vor allem und immer auf ihre lieben Genösschen mit der „Verschwörungstheorie“ und dem „Aluhut“ verlassen kann, die jeden anspringen, der Amtswahrheiten in Zweifel zieht – zeigt sich beim „Warnschuss“ eines verdeckten Polizisten in Zivil, der mit einem lieben Kollegen am Abend des 7. Juli mitten in der „Anarchie im Schanzenviertel“ in der Wohlwillstraße/ Ecke Rosenhofstraße bewaffnet unterwegs ist.

Die Mitteilung der Polizei Hamburg vom 7. Juli:

„Zeit: 07.07.2017, 19:51 Uhr Ort: Hamburg-Sternschanze, Wohlwillstraße/ Ecke Rosenhofstraße 

Soeben ist es zu einer Warnschussabgabe durch einen Polizeibeamten gekommen.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand wurde der Beamte auf zwei Männer aufmerksam, die auf einen am Boden liegenden Mann einschlugen und eintraten. Der zivile Beamte gab sich als Polizeibeamter zu erkennen und forderte die Männer zum Aufhören auf. In Nothilfe gab der Beamte einen Warnschuss ab.

Der Geschädigte und der Polizeibeamte flüchteten im Anschluss in einen Kiosk. Den mutmaßlichen Tatverdächtigen gelang die Flucht.

Auch der Geschädigte entfernte sich unerkannt vom Ereignisort.“

So. Und jetzt gucken Sie mal:

Nicht dass Sie jetzt durcheinander kommen. Natürlich sehen und lesen Sie davon zum ersten Mal im Zusammenhang.

Weil, wer außer Radio Utopie sollte Ihnen auch eins und eins vor die Nase halten und Sie unverschämterweise zum Zählen auffordern? All die ganzen Zeitungen, Abgeordneten, wichtigen, populären Leutz, die haben eben alle was Anständiges zu tun, so am Sonntag.

Womit wir wieder zu unseren PappenheimerInnen kommen.

Ganz besonders genial, um Verwirrung zu stiften und die ganzen Rechts-Inhaber des Gewohnheits-Kapitalismus so richtig heiß zu machen: aus Basel anreisen, sich geschätzt fuffzich mal durchsuchen lassen, aber dann beim Einmarsch im Hamburger Bahnhof ein Transpi vorneweg halten, wo in präventiv-prophetischer Weise weiß auf dunkelrot draufsteht „Krieg beginnt hier“ (ohne „Der“) und dann in schwarz auf dunkelrot (und damit praktisch unlesbar, außer für besonders Hartnäckige) „Auslandseinsätze beenden“, also eigentlich eine pazifistische Botschaft transportierend, aber für Betrachter irreführend.

Wer solche Transparente so herstellt, oder sich solche Parolen für Zehntausende wie „Welcome to Hell“ ausdenkt, macht das nicht zufällig. Das ist gezielte Sabotage am vermeintlich eigenen Anliegen. Dass das offensichtlich den eigenen Genösschen nicht einmal auffällt, spricht nicht für diese, sondern für sich.

Ein ganz besonders bedenklicher Vorfall: in einer Situation, in der man praktisch die Straßen beherrscht, Personen überfallen und verletzen, weil jemand getwittert hat das seien Nazis.

Und zwar jemand, der das Wort „Verschwörung“ als eine Art Ersatz-Penis braucht wie der Fisch das Wasser: Sören Kohlhuber. Was für ein unverantwortlicher Feigling und Contra! Natürlich meint Kohlhubers Bruder im Geiste, Ulf Poschart, den nicht mit seiner „faschistischen Gewalt der Linken“.

Die Darstellung eines der Überfallenen ist hier zu sehen.

Da ich die Schwatzhaftigkeit meiner PappenheimerInnen kenne: der Begriff „libertär“ ist ein Urbegriff emanzipatorischer, anarchistischer, alternativer und sozialistischer Strömungen und gehört zu dessen Inventar. Wie alles Andere, okkupierten gesteuerte und / oder fiktive bzw rechtsreaktionäre Gruppierungen später auch diesen, von vermeintlich linken, autoritären, zunehmend „pro-europäisch“-„transatlantischen“  Gruppen aufgegebenen Begriff. Ich empfehle hierzu den Aufruf „Links-Libertär“ von Robert Zion aus 2008, übrigens veröffentlicht lange bevor die „Tea Party“ in den U.S.A. entstand.

Ich warne vor der im Augenblick geschürten Konfusion. Trolle und Tarnidentitäten auf vermeintlich allen politischen Seiten versuchen, Spannungen zu schüren und vom eigentlichen politischen Geschehen abzulenken.

Jetzt noch zu diesem Aufmarsch der mit schweren Schusswaffen bewaffneten Sondereinheiten der Polizei in der Nacht vom Freitag (7.) zum Samstag im Schanzenviertel, mit ausländischen bewaffneten Kräften wie der österreichischen „Cobra“-Einheit.

Dazu nochmal der Hinweis: der Aufmarsch von Paramilitärs aus den E.U.-Staaten in Hamburg, von Gendarmerien bzw Polizeieinheiten, die dem Militär unterstellt werden können, war im Vorfeld des G20-Gipfels angekündigt worden. Radio Utopie hatte darüber am 10. Juni berichtet – auch über die österreichische „Cobra“-Einheit und explizit auch zur „Europäischen Gendarmerietruppe“ (Eurogendfor), die im April 2016 auf einer einer privaten Kampfanlage in einer verlassenen Kaserne des britischen Militärs den „Bürgerkrieg in Deutschland“ probte.

Mitten in der Nacht marschierten diese schwer bewaffneten Polizei-Einheiten, genau getimed, vor den Kameras vorbei. Anlass bzw angeblicher Grund waren wechselweise Beschuss mit Stahlkugeln mittels Zwillen oder von einem Baugerüst vor dem Gebäude geworfene Gehwegplatten auf die Uniformierten.

Es ist nachvollziehbar, dass es wieder einmal Niemand wagte, die behördlichen und später also medialen Angaben in Zweifel zu ziehen.

Niemand, das bin Ich.

Ich hatte selbst schon Fototermine. Und ich erkenne welche, wenn ich sie vor mir sehe.

Sowohl Innensenator Grote, als auch sein legendärer Gesamteinsatzleiter Dudde, haben nach der Verwüstung des Schanzenviertels alle nur Tage alten Rücktrittsforderungen mit einem Schlag von der Backe. Und die politische Aussicht ließ Ulf Poschardt von seiner Hofburg herab:

„Diese Bilder werden bleiben, bis zur Wahl im Herbst. Ein Desaster für die politische Linke. Deutschland wird das nicht vergessen.“

Meiner bescheidenen Einschätzung nach gab es in Hamburg keineswegs ein „Scheitern“ der Polizeistrategie beim G20-Gipfel – im Gegenteil. Deren Erfolg war vielmehr „quasi unvermeidbar“.

Und wieder einmal auch Dank meiner Genösschen.

Epilog

Es ist eine Art Mut, sich maskierten, unter Immunität stehenden und brutal in Menschenmengen hinein knüppelnden Polizisten entgegenzustellen und nicht wegzurennen. Respekt dafür.

Es ist eine andere Art von Mut, sich endlich einmal zu fragen, was da eigentlich vor sich geht und die gottverdammte Traute zu haben diesen „Verschwörungs“-FetischistInnen zu sagen, wohin sie sich zu scheren haben, damit man selbst einmal wenigstens in Ruhe nachdenken kann, in all diesem schwachsinnigen Getröte, Gehabe und Geblubber. „Stop and Think!“.

Die Angst, als „Verschwörungstheoretiker“ dazustehen und damit praktisch als Nazi, verschafft gerade den faschistischen Gruppen, ob im Apparat oder „privat“ unterwegs, sowie der in bald sechzehn Jahren weltweitem Terrorkrieg zum Golem herangewachsenen staatlichen und internationalen Hierarchie jedwede Gelegenheit, anonym, im Deckmantel, unter der Tarnkappe und im Windschatten verheerender politischer Fehler, fehlender strategischer Analysen und rationaler Lücken innerhalb der Linken zu operieren.

Es ist genau diese Angst vor dem Denken, welche überwunden werden muss, bevor man an die Überwindung von Krieg, Kapitalismus und Imperialismus denken kann.

(…)

Artikel zum Thema:

04.05.2017 Der „starke“ tiefe Staat
Trotz nach Jahrzehnten schließlich unter den Begriffen „Gladio“ oder „Stay Behind“ bekannt gewordenen geheimen Attentats-Armeen des Staates, eingebunden in Hierarchie und Befehlskette von Nordatlantikpakt und Leit-Imperium Vereinigte Staaten von Amerika, drückt sich die „breite Öffentlichkeit“ in der Republik immer noch um die Tragweite der Staatsaffäre um den durch einen reinen Zufall aufgeflogenen faschistischen Elitesoldaten der Bundeswehr und deren beiseite geschaffte Munition und Sprengstoff.
Dabei ist dessen „Netzwerk“ offensichtlich der „starke Staat“ selbst.