Autoren: Victoria Kropp und Jürgen Wagner
Bereits 2014 wurde in den deutschen Medien eine „Schrotthaufen-Debatte“ losgetreten, in der ein Artikel nach dem anderen die angeblich mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr mit Verweisen auf eine unzureichende finanzielle Ausstattung verknüpfte. Schon damals hieß es u.a. die Bundeswehr sei „stahlgewordener Pazifismus“ (Die Zeit), sie sei „Schrott“ (Bild), was kein Wunder sei, schließlich sei sie „chronisch unterfinanziert“ (Deutschlandfunk). Dennoch ist es auffällig, dass diese Kernbotschaften in der jüngsten Zeit von nahezu der gesamten deutschen Medienlandschaft noch einmal deutlich penetranter widergekäut werden. Typisch hierfür ist etwa ein Kommentar der Tagesschau, in dem von einem „zwei Jahrzehnte dauernden, ruinösen Sparkurs“ die Rede ist, um dann direkt zur Forderung überzuleiten: „Wer sagt, dass Deutschland militärisch mehr Verantwortung übernehmen soll, kann das nicht mit Kleingeld und warmen Worten untermauern. Die Bundeswehr muss ordentlich finanziert werden.“
Solche Reden vom „ruinösen Sparkurs“ sind umso ärgerlicher, weil sie jeder Grundlage entbehren. Deshalb hier nochmal in Zahlen: Im Jahr 1999 belief sich der Militärhaushalt auf umgerechnet 24,3 Mrd. Euro und stieg bis 2017 auf 37 Mrd. Euro an. In absoluten Zahlen handelt es sich hier um eine Steigerung um über 50 Prozent – selbst inflationsbereinigt stieg der Haushalt um etwa 28 Prozent an. Auch für die kommenden Jahre liegen die geplanten Budgetsteigerungen deutlich über der Inflationsrate – aktuell sind für das Jahr 2021 satte 42,3 Mrd. Euro vorgesehen.
Schon allein die nackten Zahlen haben also mit der politisch und medial vermittelten Realität überhaupt nichts gemein. Und hier ist noch nicht einmal eingepreist, dass es eigentlich einmal 2010 einen Sparbeschluss gab, demzufolge der Haushalt der Bundeswehr von damals 31,1 Mrd. Euro auf 27,6 Mrd. Euro bis 2014 hätte abgesenkt werden sollen. Dieser Beschluss wurde stillschweigend einkassiert, worüber aber niemand in Rage zu geraten scheint. Auch dass die Bundeswehr aufgrund einer deutlichen Reduzierung von Personalstärke und Liegenschaften in diesen beiden Bereichen weniger Fixkosten hat, scheint keine Erwähnung wert. Lediglich was das Verhältnis der Militärausgaben zum Bruttoinlandsprodukt anbelangt, könnte davon die Rede sein, die Bundeswehr sei „relativ kaputtgespart“ worden. Das liegt aber einmal an den extrem hohen deutschen Wachstumsraten und außerdem ist auch jede Argumentation, die Höhe des Verteidigungsetats müsse sich proportional zur Wirtschaftsleistung verhalten, doch irgendwie von jeder Sachdebatte entkoppelt.
Jedenfalls findet sich aktuell fast nirgends ein Hinweis auf die absoluten und relativen Steigerungen des Militärbudgets. Stattdessen wird bereitwillig auf einen Zug aufgesprungen, der zuletzt aufgrund der Berichterstattung über ein „vertrauliche[s] Papier“ der Bundeswehr in der Welt vom 15. Februar 2018 noch einmal richtig Fahrt aufgenommen hat. Woher das Papier stammen dürfte wird daran ersichtlich, dass es Thorsten Jungholt zugespielt wurde, einem der wohl bundeswehraffinsten Schreiber in der deutschen Medienlandschaft. Das Papier belege die „Überforderung“ der Bundeswehr, Deutschland habe deshalb „große Probleme, seine Zusagen an die Nato zu erfüllen.“ Diejenigen, die das Papier durchstachen, wussten natürlich, dass von Jungholt keine Grundsatzkritik an der Bundeswehr zu erwarten war. Sie konnten sich auch sicher sein, dass er wohl kaum die Frage stellen würde, wie eine solche Situation angesichts saftiger Budgetsteigerungen denn entstehen konnte – und sie lagen damit richtig. Stattdessen wird das Problem primär auf die fiktive Unterbudgetierung zurückgeführt, was dann auch von nahezu allen anderen Medien aufgegriffen wurde.
Augenscheinlich soll hier ein Stimmungsteppich ausgebreitet werden, um der starken Skepsis in der Bevölkerung entgegenzuwirken: Einer repräsentativen Allensbach-Umfrage vom Februar 2018 zufolge sprechen sich lediglich 27 Prozent der Bevölkerung für höhere Rüstungsausgaben aus. Möglicherweise ist es das Ziel, die Debatte in Richtung eines „Kompromisses“ zu lenken, der vom Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, unlängst formuliert wurde: Der von den USA und anderen geforderte Anteil der Militärausgaben von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei unrealistisch – wohl möglich und wünschenswert seien aber 1,5 Prozent. Auch hier noch einmal abschließend die Zahlen, sollte es tatsächlich in diese Richtung gehen. In dem Fall wäre der hätte der deutsche Militärhaushalt im Jahr 2017 nicht 37 Mrd., sondern 49 Mrd. betragen – ziemlich genau 100 Prozent über dem Ausgangspunkt von 1999, an dem angeblich laut Tagesschau und anderen damit begonnen worden sein soll, die Bundeswehr „kaputt zu sparen“!
Veröffentlichung am 22. Februar 2918 auf Informationsstelle Militarisierung e.V.