Jemen auf dem Weg ins Desaster?
Autor: Jacqueline Andres
Am 26. März 2018 fängt das vierte Kriegsjahr in Jemen an. Seither hat die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition mehr als 16.000 Luftschläge durchgeführt und mittlerweile erreichte eine von den Houthis abgefeuerte Rakete die saudische Hauptstadt Riad und forderte ein Todesopfer. Zudem zeichnet sich eine mögliche von den VAE gestützte Abspaltung des Südjemen von Nordjemen ab, die erst seit 1990 gemeinsam den aktuellen Staat Jemen bilden.
Zwar heißt es im Koalitionspapier der schwarz-roten Bundesregierung: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ Doch bereits in dem folgenden Satz, der in dem Sondierungspapier noch nicht vorhanden war, relativierten CSU, CDU und SPD ihre Entscheidung: „Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben.“[1]
Nun wurden Ende März 2018 acht weitere von der zur Lürssen-Gruppe gehörenden Peene-Werft in Wolgast gebaute Patrouillenboote an den saudischen Küstenschutz geliefert, welcher diese vermutlich zur Aufrechterhaltung der desaströsen Seeblockade gegen Jemen einsetzen wird. Im Jahr 2017 genehmigte die gleiche schwarz-rote Regierung laut des Wirtschaftsministeriums Rüstungsexporte in Höhe von 1,3 Mrd. Euro an die am Jemen-Krieg beteiligten Länder.[2] Dieses Jahr werden zudem saudische Grenzschützer_innen und sieben Soldat_innen in Deutschland ausgebildet.
Die schlimmste humanitäre Situation der letzten 50 Jahre
Die Lage ist weiterhin katastrophal: Die Anzahl der registrierten Toten liegt zwischen 10.000 und 17.000, 8.4 Mio. Menschen sind am Verhungern und 17 Mio. leiden Hunger – die Zahl derjenigen, die humanitäre Hilfe benötigen, ist im Gegensatz zu 18 Mio. Anfang 2017 auf ganze 22.1 Mio. gestiegen.[3] Mehr als 1 Mio. leiden an der durch den Krieg ausgebrochenen Choleraepidemie und seit März 2018 muss der Jemen zusätzlich gegen die schnelle Verbreitung der Infektionskrankheit Diphtherie mit einer Letalitätsrate von 5,6% kämpfen.[4] Nach Angaben von Geert Cappelaere, dem UNICEF–Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika, sterbe alle zehn Minuten ein Kind in Jemen an den Folgen des Krieges und den einhergehenden vermeidbaren Krankheiten.[5] Der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock bezeichnete die Lage im Januar 2018 als die schlimmste humanitäre Situation der gesamten letzten 50 Jahre.
Die katastrophale Lebensmittelversorgung hat zahlreiche Gründe: Seit März 2015 verhängte die Koalition eine Land-, See- und Luftblockade gegen den Jemen, welche auch die Lieferung humanitärer und kommerzieller Güter unterbindet. Dies ist besonders gravierend für ein Land, das bereits vor dem Krieg 90% seiner Nahrungsmittel importierte. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Luftschläge mehr als 57 Fabriken zerstört wurden – darunter auch Produktionsorte der bereits unzureichenden Nahrungsmittelindustrie. Der Krieg und der Hunger treiben immer mehr Minderjährige in die bezahlten Reihen der unterschiedlichen bewaffneten Gruppierungen, wo sie mittlerweile ein Drittel der Kämpfer_innen stellen.
Verschärfen wird sich die Lage voraussichtlich in den kommenden Monaten, nachdem das saudische Königshaus siebzehn Berufsverbote für nicht-saudische Staatsangehörige ausgesprochen hat, um den lokalen Arbeitsmarkt mit Saudis zu füllen. Betroffen sind davon auch rund 2 Mio. Jemenit_innen, die nun sukzessive in den Jemen zurückkehren müssen. D.h. nicht nur weitere 2 Mio. Menschen finden sich in den Kriegswirren wieder, sondern auch den Angehörigen in Jemen fehlen künftig 2 Mio. Einkommensquellen, wodurch sie vor neuen großen Schwierigkeiten stehen.
Brüchige Bündnisse
Die Lesart, es handele sich bei den bewaffneten Auseinandersetzungen um einen Stellvertreterkrieg Saudi Arabiens gegen den Iran und somit um eine zwischen Sunnis und Shia verlaufende Konfliktlinie greift bei Weitem zu kurz. Besonders deutlich wird dies bei Betrachtung der aktuellen Bündnisse und Partnerschaften, die weiterhin wenig stabil und vielmehr als Zweckbündnisse denn als politische Zusammenschlüsse langer Haltbarkeit einzuordnen sind. Einer der größten Brüche ereignete sich Anfang Dezember 2017, als Ali Abdullah Saleh, der 2011 gestürzte Präsident Jemens, sich zu Gesprächen mit Saudi Arabien bereit erklärte und sich gegen seine ehemals Verbündeten der Ansar Allah wandte. Daraufhin brachen Kämpfe in Sanaa zwischen beiden Fraktionen aus und Saleh wurde nur drei Tage später bei seinem Versuch die Stadt zu verlassen, getötet. Das Zweckbündnis von Saleh, seiner Anhänger_innen im Militär sowie im Verwaltungsapparat und den Ansar Allah stand schon von Anbeginn auf wackligen Füßen – Saleh führte zwischen 2004 und 2010 sechs militärische Operationen gegen die überwiegend zaiditischen Ansar Allah in Nordjemen durch, wobei ihr Gründer Hussein Badreddin al-Houthi starb. Seither bezeichnen sich Ansar Allah in Erinnerung an ihn auch als Houthis. Unterstützung erhielt Saleh, der selbst Zaidit war, bei seinem militärischen Vorgehen noch von Saudi Arabien. Das zeigt, dass sich nicht alle Zaidit_innen der politischen Bewegung der Houthis anschließen – tatsächlich sind auch nicht alle Houthis Zaidit_innen, vereinzelt sollen sie auch Sunnit_innen umfassen.[6] Saudi Arabien war selbst zu Zeiten des zaiditischen Imamats in Nordjemen bis 1962 mit den Zaidit_innen verbündet, um vergeblich zu versuchen die Abschaffung des Imamats und die Entstehung einer Republik in Nordjemen gemeinsam zu verhindern.
Der erste Bruch in den Bündnissen der in Jemen involvierten Kriegsparteien erfolgte schon etwa zwei Monate vorher rund um die Al Islah Partei.[7] Während die der Moslembruderschaft zugeordnete Al Islah Partei (Reform-Partei) in den ersten Kriegsjahren noch verbündet mit der von Saudi Arabien geführten Militärkoalition gegen die Ansar Allah und für Hadi eintrat, werden sie und ihre hochrangigen Mitglieder mittlerweile von den VAE offen angegriffen, verhaftet und in geheime Foltergefängnisse gebracht. Die Vereinigten Arabischen Emirate ordnen Al Islah als terroristische Gruppierung ein, auch wenn diese sich im Januar 2018 offiziell von der ägyptischen Moslembruderschaft distanzierte, sich hinter die Koalition stellte und erst im Februar 2018 die Mitgliedschaft der Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman suspendierte, nachdem sie die Kriegspolitik der VAE und Saudi Arabiens kritisierte und eine Rückkehr des arabischen Frühlings forderte.
Eine weitere Bruchlinie zeichne sich nach Meinungen einiger Analyst_innen wie z.B. Eleonora Ardemagni vom Istituto Affari Internazionali in Rom zwischen den Verbündeten Saudi Arabien und den VAE ab, deren Interessen in Jemen sich diametral gegenüberzustehen scheinen. Saudi Arabien steht offiziell weiterhin hinter dem international anerkannten Präsidenten Hadi, der sich seit März 2015 in Riad aufhält und auf dessen Forderung Saudi Arabien offiziell die Militärintervention in Jemen begann. Die VAE hingegen unterstützen den Southern Transitional Council (STC) und Milizen wie den Sicherheitsgürtel (Hizam al Amni) oder auch die Spezialkräfte des Hadramaut und der Shabwa-Provinz. Diese fordern eine Abspaltung des Südjemens und erkennen Hadi nicht als Präsidenten an.
Bevorstehende Abspaltung Südjemens?
Nach Berichten von Al Jazeera verwiesen Hizam al Amni Anfang März 2018 unter Gewaltandrohung und teilweise auch durch angewandte Gewalt dutzende als Nordjemenit_innen definierte Menschen aus dem Südjemen.[8] Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht über von den VAE genutzte Foltergefängnisse in Jemen und Eritrea, wo vor allem hunderte Abspaltungsgegner_innen, vermeintliche Anhänger_innen der al Islah Partei und Al Qaida Mitglieder verschwinden.[9] Im Januar gab Aidarous al Zubaidi, ehemaliger Gouverneur Adens unter Hadi bis April 2017 und führende Person des erst 2016 gegründeten separatistisch ausgerichteten STC, der Regierung Hadi eine Woche Zeit, um den Premierminister Ahmed bin Dhagr und sein Kabinett abzusetzen – der Forderung kam Hadi nicht nach. Nur wenige Tage später nahmen dem STC nahe stehende Milizen mithilfe der Luftwaffe der VAE die de facto Hauptstadt Aden ein, welche zuvor gemeinsam mit den Streitkräften Hadis kontrolliert wurde. Damit ist auch das vorherige Bündnis zwischen heterogenen, der Südbewegung (Hirak al Jenoubi) nahe stehenden Kräften und Hadi im Kampf gegen die Al Qaida und Ansar Allah zerbrochen. Zwar erfolgt nun nicht zwangsläufig eine Abspaltung Südjemens, aber die stetige Bewaffnung, Ausbildung und Finanzierung von Milizen in Südjemen durch die VAE ändert das Machtgefüge langfristig und lässt die noch bei den Massenprotesten gegen die korrupte Regierung Saleh im Jahr 2011 realistische Möglichkeit von Demokratisierungsprozessen in weite Ferne rücken.
Doch gemeinsame Nenner?
Obwohl Saudi Arabien und die VAE unterschiedliche Akteure vor Ort unterstützen, lassen die offiziellen Reaktionen des Kronprinzen und de facto König Mohammed Bin Salman (MBS) Zweifel an einem möglichen Bruch aufkommen.
Als sich Hadi im Mai 2017 beschwerte, die VAE würden sich eher wie Kolonisatoren und nicht wie Befreier aufführen, kritisierte das Königshaus seine Worte scharf. Auch nach der Einnahme Adens durch den STC und die loyalen Milizen ertönte keine Kritik aus Riad an den VAE. Nach der Ermordung von Ali Abdullah Saleh überlebten nur wenige Führungspersonen seiner Partei Allgemeiner Volkskongress und seiner Familie. Einer der Überlebenden ist sein Neffe Tariq Saleh, der an seiner Seite als Kommandant der jemenitischen Spezialkräfte zum Schluss gegen die Houthis kämpfte. Dieser steht hinter Saudi Arabien und den VAE, von denen er im Süden des Landes geschützt wird. Hier scheinen die VAE und Saudi Arabien, die Saleh nie aufgegeben haben[10], eine gemeinsame Möglichkeit zu sehen, die Anhänger_innen Ali Abdullah Saleh wieder an sich zu binden und zugleich eine Brücke zum STC zu schlagen, der mit Zubaidi hinter Saleh steht.
Es ist auch fragwürdig, ob Saudi Arabien noch hinter Hadi stehen will oder muss, um nicht die Legitimationsgrundlage, auf der das Königreich diskursiv seinen Krieg errichtet hat, zu verlieren. Bei geheimen Gesprächen in Oman im Laufe der ersten Monate des Jahres 2018 war Hadi nicht einbezogen – die exklusive Runde bestand nur aus saudischen Diplomat_innen und dem Vertreter Mohammed Abdul-Salam der Ansar Allah.[11] Tatsächlich stellt sich die Frage, ob Saudi Arabien mit Nachteilen zu kämpfen hätte, falls Hadi und seine Regierung nicht weiter einen Machtanspruch erheben würde.
Ziele Saudi Arabiens und der VAE
Betrachtet man nicht die unterschiedlichen lokalen Akteure, sondern die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage Saudi Arabiens und der VAE, zeichnen sich zahlreiche gemeinsame Ziele dieser beiden Staaten ab. Offiziell wollen das saudische Könighaus und die VAE den Iran aus dem Jemen drängen. Tatsächlich steckt Saudi Arabien in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise – es ist alles andere als stabil und ist stark auf westliche Unterstützung für die weitere Aufrechterhaltung der Macht des Könighauses angewiesen. Ähnlich verhält es sich mit den VAE, die ebenfalls mit dem niedrigen Ölpreis zu kämpfen haben und wo zur Machterhaltung mit Repression auf jegliche Form des Dissens reagiert wird.
Beide erhofften sich vermutlich durch den Krieg und den erwarteten schnellen Erfolg von den innenpolitischen Problemen ablenken zu können. Die Wiedereinsetzung Hadis bzw. die Unterbindung demokratischer Prozesse in Jemen ist auch aus eigenen machtpolitischen Erwägungen notwendig gewesen: Die Massenproteste von 2011, die Saleh stürzten, wurden von Saudi Arabien und den VAE als Gefahr für die Region begriffen, die mit ihrer Forderung nach politischer Mitsprache selbst die Golfmonarchien ins Schwanken bringen könnten. Umso logischer erscheinen die drastischen Maßnahmen des saudischen Königshauses, im Jahr 2011 zahlreiche Panzer nach Bahrain rollen zu lassen, um auch dort Proteste niederzuschlagen. Selbst im eigenen Staatsgebiet im Osten des Landes, wo einerseits ein Großteil der saudischen Ölquellen liegt und andererseits das Gros der diskriminierten schiitischen Minderheit lebt, ließ der saudische Kronprinz MBS im Sommer 2017 das Militär gegen Demonstrierende vorgehen und die militärisch und polizeilich schwer kontrollierbare, verschachtelte Altstadt von Al-Awamiya zerstören, um den Regimegegner_innen ihren Rückzugsort zu nehmen. Anstatt die Forderungen der Demonstrierenden anzuhören, wurden sie als vom Iran finanziert delegitimiert.[12] Menschenrechtsorganisationen sagen mittlerweile, es gäbe keine freien Menschenrechtsaktivist_innen mehr in Saudi Arabien – diese seien nur noch im Gefängnis zu finden. Ähnlich verhalten sich die VAE gegen Dissens. Im Jahr 2013 wurden 94 Personen – darunter Menschenrechtsaktivist_innen – angeklagt, Mitglieder der Islah Partei in den VAE zu sein. In seiner Anklage warf der Staatsanwalt Salem Kobaish den so genannten UAE94 vor, Teil einer geheimen Organisation zu sein, deren Ziel es sei, die wesentlichen Grundlagen des politischen Systems dieses Staates in Frage zu stellen und die Macht zu ergreifen. Einerseits stritt die Islah der VAE strukturelle Verbindungen mit der ägyptischen Moslembruderschaft ab und andererseits widersprachen viele der Angeklagten dem Vorwurf, mit Islah überhaupt in Verbindung zu stehen.
Abgesehen vom Interesse an einer effizienten Unterbindung demokratisierender Prozesse, teilen Saudi Arabien und die VAE auch geostrategische und wirtschaftliche Sorgen. Saudi Arabien kann sich den teuren Krieg in Jemen, der den Haushalt täglich rund 66 Millionen US-Dollar kostet, nicht mehr lange leisten. Mit dem Plan „Vision 2026“ hofft es, die Wirtschaft zu diversifizieren, um die Abhängigkeit vom Ölpreis zu überwinden und sich durch die Vergabe von milliardenschweren Aufträgen auf der internationalen Weltbühne trotz der Katastrophe in Jemen profilieren zu können. Zur Finanzierung der darin vorgesehenen Megaprojekte ist der Börsengang des größten Unternehmens weltweit geplant: von Aramco, ehemals American Arabian Oil Company. Die Privatisierung von nur 5% des Unternehmens soll mehr als 100 Milliarden US-Dollar in die Staatskasse Saudi Arabiens spülen. Auf Grund unterschiedlicher Schwierigkeiten wurde der Börsengang auf 2019 verschoben.
Auch die Inhaftierungswelle durch MBS im Dezember 2017 zeigte die Instabilität seiner Herrschaft auf. Mehr als 106 Milliarden US-Dollar soll er durch die Verhaftung von mehr als 318 Personen, denen Korruption vorgeworfen wurde, erhalten haben. Nicht nur seine Macht gegenüber Kritikern und Konkurrenten in der eigenen Königsfamilie wollte MBS somit unter Beweis stellen, sondern tatsächlich verschärft der kostspielige Krieg die wirtschaftliche Situation des Landes, welches bereits zahlreiche Subventionen gestrichen hat und auf eine rassistische „Saudisierung“ des Arbeitsmarktes pocht, um potenzielle, sozialen Unruhen zu vermeiden. Es kann Saudi Arabien demnach Recht sein, wenn die VAE momentan den Ton in der eigentlich von Saudi Arabien geführten Militärkoalition angeben und Fakten in Südjemen schaffen, die auch für Saudi Arabien von Vorteil sein können. Mittlerweile haben die VAE mehr als 24.000 Kämpfer trainiert, ausgerüstet und bezahlt – sie schaffen eine parallele Sicherheitsstruktur, die – so lange keine Brüche entstehen – den VAE und nicht der Regierung Hadis unterstehen. Mehr als 3 Milliarden US-Dollar investierten die Emirate in Infrastrukturprojekte und in die Ausrüstung jemenitischer Sicherheitskräfte. Zu dieser Infrastruktur zählen neben den geheimen Gefängnisse in Jemen und Eritrea vor allem der Ausbau und die Sicherung zahlreicher Häfen entlang der Südküste Jemens und auf der Insel Socotra, wo die Emirate mit einem Pachtrecht von 99 Jahren auch eine Militärbasis errichtet haben. Weitere Militärbasen schufen die VAE in der gesamten Region: in Berbera in Somaliland, wobei diese gerade stark von der somalischen Regierung angefochten wird, in Assab in Eritrea und bei Benghazi in Libyen. Auch Saudi Arabien errichtet einen Militärstützpunkt in Djibouti und vermutlich bald auch in Ägypten am Roten Meer. Mehr als 10% des globalen Welthandels durchqueren die Meerenge Bab al Mandeb, wodurch die geostrategische Relevanz dieser Region nicht zu unterschätzen ist. Bislang vertiefen sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Saudi Arabien und den VAE, wobei die beiden Kronprinzen MBS und Mohammed Bin Zayad (MBZ) zusätzlich eine lange Freundschaft verbindet. Sollten die Interessen weiterhin vereinbar und komplementär sein, könnten beide den Jemen zukünftig gemeinsam zu beeinflussen versuchen und damit den arabischen Osten weiter destabilisieren. Doch wie die Geschichte zeigt, sind viele der Bündnisse in der Region brüchig.
Fazit
Fest steht, so lange Saudi Arabien und VAE versuchen, parallele Sicherheits- und Regierungsstrukturen zu schaffen, über die sie Kontrolle ausüben wollen, wird sich die Situation in Jemen verschärfen. Das ist der gleiche Ansatz, den Saudi Arabien seit Jahrzehnten u.a. in Jemen verfolgt hat und der dort zu einer florierenden Korruption und zahlreichen sozialen und politischen Problemen geführt hat. Laut Tawakkol Kerman braucht es wieder etwas wie den arabischen Frühling, der die verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Gesellschaftsklassen Jemens dazu brachte, gemeinsam über die Zukunft des Staates nachzudenken. Immerhin sind die Hintergründe sowohl des Konfliktes mit den Ansar Allah als auch die Unzufriedenheit der Südbewegung und des STC die unter Saleh andauernde wirtschaftliche und politische Marginalisierung, die durch gemeinsame Aushandlungsprozesse behoben werden könnten. Doch weder die von Saudi Arabien und den VAE angeführte Militärkoalition, noch die zahlreichen Staatsoberhäupter der EU und die US-amerikanische Regierung wären erfreut über die Entwicklung von demokratisierenden Prozessen an einer der strategisch wichtigsten Meerengen ihrer Handels- und Militärlogistik.
Anmerkungen
[1] Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, ndr.de, 07.02.18
[2] Kämpfe im Jemen Milliarden-Rüstungsexporte an Kriegsparteien, tagesschau.de, 22.02.2018
[3] Amid Deteriorating Conditions in Yemen, Security Council Presidential Statement Calls for Humanitarian Access, Strict Adherence to Embargo, un.org, 15.03.2018
[4] Yemen: Diphtheria & Cholera Response, Report No.25, reliefweb.int, 10.03.2018
[5] Sima Qunsol: One Child Dies Every 10 Minutes in Yemen, NGO Estimates, albawaba.com, 16.11.2017
[6] Zaidit_innen werden auch nicht von allen als Shiit_innen eingeordnet, sondern oftmals auch als shiitische Sunnit_innen oder auch sunnitische Shiit_innen bezeichnet. Es handelt sich bei der zaiditischen Theologie um eine islamische Sonderform, die am meisten der vorherrschenden sunnitischen Rechtsschule der Hanafiten ähnelt.
[7] Brothers no more: Yemen’s Islah party faces collapse of Aden alliances, middleeasteye.net, 21.10.2017
[8] UAE-backed militia deports Yemenis from southern Yemen, aljazeera.com, 23.03.2018
[9] Yemen: UAE Backs Abusive Local Forces, Resolve ‘Disappearances’, Grant Access to Detention Sites, hrw.org, 22.06.2017
[10] So erlaubte die saudische Luftwaffe russischen Ärzten in den Jemen zu fliegen, um Saleh noch im Oktober 2017 – kurz vor seinem Tod – zu versorgen.
[11] Saudis in secret talks with Houthis to end Yemen’s war: report, aljazeera.com, 15.03.2018
[12] Awamiya: Inside Saudi Shia town devastated by demolitions and fighting, bbc.com, 16.08.2017
Veröffentlicht am 4. April 2018 auf Informationstelle Militarisierung e.V.