Venezuela vor der Präsidentschaftswahl
Vier Kandidaten stehen zur Wahl. Opposition tief zerstritten. Internationale Wahlbeobachter bereiten Einsatz am morgigen Wahlsonntag vor.
In Venezuela wird an diesem Sonntag inmitten einer schweren Wirtschaftskrise ein Präsident gewählt. Für das Amt bewirbt sich erneut der amtierende Staatschef Nicolás Maduro, unmittelbarer Nachfolger des 2013 verstorbenen Hugo Chávez. Neben Maduro haben sich drei weitere Kandidaten aufstellen lassen. Von ihnen hat der ehemalige Chavist Henri Falcón nach aktuellen Umfragen die besten Chancen. Falcón führt die Teile der Opposition an, die sich gegen einen Wahlboykott entscheiden haben. Er distanziert sich damit deutlich von radikalen Teilen der Opposition um die rechtspopulistischen Parteien Volkswille (Voluntad Popular, VP) und Zuerst Gerechtigkeit (Primero Justicia, PJ). In den USA und Europa wird Falcón wegen seines Boykottbruchs geschnitten. Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, lehnte ein Treffen mit ihm ab.
Kurz vor den Wahlen sind indes rund 150 internationale Beobachter auf Einladung der venezolanischen Wahlbehörde (Consejo Nacional Electoral, CNE) im Land eingetroffen. Sie werden die Präsidentschaftswahl am Sonntag in verschiedenen Landesteilen begutachten. Neben dem CNE haben auch andere Institutionen des Landes sowie Regionalorganisationen Wahlbeobachter eingeladen. „Insgesamt dürften es rund 350 internationale Vertreter sein, die diese Abstimmung begleiten“, sagte eine Funktionärin des Außenministeriums. Die Zahl wurde von anderen Quellen bestätigt.
Für Venezuela ist diese Wahlbeobachtung wichtig, um die Legitimität der Abstimmung zu gewährleisten. Eine breite Allianz aus gut einem Dutzend Mitte-Rechts-Regierungen des amerikanischen Kontinents, den USA, der EU sowie zahlreicher Mitgliedsstaaten und Kanada haben schon vor der Abstimmung erklärt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. „Es geht ihnen offenbar darum, die Isolation Venezuelas voranzutreiben“, so ein Vertreter des Wahlrates, der auf den hohen Anspruch der venezolanischen Demokratie verweist: In 19 Jahren ist in Venezuela 23 Mal abgestimmt worden.
Eines der bekanntesten Urteile stammt von dem ehemaligen US-Präsidenten James Carter, der in Bezug auf die Arbeit seiner NGO, dem Carter Center, sagte: „Von den 92 Wahlen, die wir begleitet haben, würde ich sagen, dass es sich bei dem Wahlprozess in Venezuela um den besten der Welt handelt.“
Im Gespräch mit internationalen Wahlbeobachtern haben sich Vertreter des Obersten Gerichtshofes (TSJ) gegen die Kritik am Justiz- und Wahlsystem des südamerikanischen Landes gewehrt. „Eine unserer vorrangigen Aufgaben ist die Wahrung des politischen Pluralismus im Land“, sagte Juan José Mendoza Jover, Richter der Verfassungskammer. Der Oberste Gerichtshof habe immer als Garant der Demokratie im Land gedient. Maikel José Moreno Pérez von der Strafrechtskammer führte diese Position weiter aus: Zu Beginn des politischen Prozesses, der nach 1999 als Bolivarische Revolution bekannt wurde, sei ein erheblicher Teil der Bevölkerung mit Ausweisen ausgestattet worden. „Das war überhaupt erst die Grundlage dafür, dass sie an Wahlen teilnehmen können“, so Mendoza.
Im Gespräch mit amerika21 wies der Richter Vorwürfe zurück, die Opposition sei von den Wahlen ausgeschlossen worden. „Es wurde entscheiden, das Bündnis MUD zu den Wahlen nicht zuzulassen, weil sich einzelne Mitgliedsparteien dieser Allianz schon eingeschrieben hatten und eine Doppelmitgliedschaft nach dem Parteiengesetz unzulässig ist“, so Mendoza. Zudem hätten sich einige der Oppositionsparteien nach dem Boykott der Gouverneurswahlen Ende vergangenen Jahres nch bestehenden Gesetzen neu einschreiben müssen. Für die Neueinschreibung waren die Unterschriften von 0,5 Prozent der eingetragenen Wähler notwendig. Während sich die rechtspopulistische VP umgehend gegen eine Teilnahme aussprach, sammelten die sozialdemokratische Demokratische Aktion (Acción Democrática, AD) und die Partei PJ zunächst Unterstützerunterschriften. Nachdem der Prozess offenbar aber schleppend anlief, entschieden sich auch diese beiden Parteien in der zweiten Februarhälfte, die Wahlen am Sonntag zu boykottieren. Andere Oppositionsparteien nehmen aber an den Wahlen teil, so wird Falcón unter anderem von dem christdemokratischen Wahlbündnis Copei unterstützt.
Deutliche Kritik an einer ihrer Meinung nach negativen und unsauberen Berichterstattung über die Wahlen in Venezuela äußerten einige internationale Beobachter. „Ich komme aus einem Land, in dem der amtierende Präsident die Wahlen mit einem Abstand von fast drei Millionen Stimmen verloren hat, sich aber trotzdem durchsetzte“, sagte der US-Bürgermeister Anthony Witherspoon aus der Stadt Magnolia im US-Bundesstaat Mississippi. Es sei daher beschämend, dass just die Regierung von US-Präsident Donald Trump an der Spitze einer internationalen Kampagne gegen Venezuela stehe.
Erstveröffentlichung am 19.5.2018 auf Portal amerika21.de