Ein neues Militärgelände für das Kommando Spezialkräfte:

Autor: Alexander Kleiß

Notfalls gegen den Willen der Bevölkerung

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) sucht momentan nach einem neuen Übungsgelände für Fallschirmabsprünge. Der Umgang der Bundes- und der Landesregierung mit den betroffenen Bürgern sorgt dabei für Diskussionen.

Die Bundeswehr-Spezialeinheit KSK ist offiziell vor allem für die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten, Kommandoeinsätze im feindlichen Gebiet, die Festnahme von Kriegsverbrechern, Aufklärung und Militärberatung zuständig.

Tatsächlich wurde das KSK in den letzten Jahren jedoch hauptsächlich im sogenannten „Krieg gegen den Terror“ eingesetzt.

Operationen, Training, Identität und Zahl der bislang ausschließlich männlichen Kommandosoldaten unterliegen strengster militärischer Geheimhaltung. Die Öffentlichkeit und selbst der Bundestag werden nur unzureichend über Einsätze des KSK informiert. Eine parlamentarische Kontrolle, wie eigentlich im Grundgesetz vorgesehen, ist somit kaum möglich. Das KSK gewinnt für die Einsätze der Bundeswehr zunehmend an Bedeutung, was sich an zahlreichen Investitionen, dem stetigen Ausbau der KSK-Kaserne in Calw und der Zuweisung eines neuen, zusätzlichen Militärgeländes in Hardheim (Odenwald) ablesen lässt.

Das aktuellste Projekt ist die Suche nach einem neuen Übungsgelände für Fallschirmabsprünge. Das Gelände soll dann an bis zu 120 Übungstagen im Jahr durch das KSK und US-amerikanische Spezialkräfte genutzt werden. Favorisiert wird der Segelflugplatz Haiterbach/Nagold im Nordschwarzwald, der bisher durch den örtlichen Flugsportverein zivil genutzt wird. Im September 2017 votierten bei einem Bürgerentscheid jedoch 59,3% der Bürger Haiterbachs gegen das KSK-Übungsgelände. Nun darf der Gemeinderat für drei Jahre keine Entscheidungen mehr zugunsten des Absprunggeländes treffen. Auch rechtliche Mittel gegen das Übungsgelände müssen ausgeschöpft werden. Das Verteidigungsministerium sieht sich allerdings nicht an den Entscheid auf Kommunalebene gebunden.

Das neue Absprunggelände soll eine Fläche von 55 Hektar umfassen. Hierfür müsste der Segelflugplatz erheblich erweitert werden. Die dafür erforderlichen Flächen befinden sich momentan im Besitz von etwa 50 verschiedenen Eigentümern. Hauptsächlich handelt es sich dabei um landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Die betroffenen Bauern wollen ihre Grundstücke nicht verkaufen, da sie die Gebietsabtritte für existenzgefährdend halten.

Die Bundesregierung droht jedoch weiterhin mit Enteignungen. Diese seien stets das letzte rechtliche Mittel zum Erwerb von Grundstücken und könnten deshalb nicht ausgeschlossen werden, so die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Tobias Pflüger (Die Linke).[1] Die Antwort darauf, welche Grundstücke am Segelflugplatz Haiterbach sich bereits in staatlichem Besitz befinden, verweigerte die Bundesregierung unter der fadenscheinigen Begründung, die Ausrichtung der Start- und Landebahn und des geplanten Absetzplatzes stehe derzeit noch nicht fest.

Die Haiterbacher befürchten, dass es durch den Ausbau des Flughafens und den anschließenden Übungsbetrieb zu Umweltschäden kommen könnte. Beispielsweise könnte der Fluglärm Fluchtinstinkte bei mehreren vom Aussterben bedrohten Vogelarten – vor allem Greifvögeln und Streuobstvögeln – auslösen. Auch durch Kerosin oder undichte Militärfahrzeuge könnten Grundwasser, Flora und Fauna beeinträchtigt werden.

Um der Bevölkerung vor Ort den Anschein von Beteiligung zu geben und ihre Umweltbedenken zu zerstreuen, betonte die Landesregierung Baden-Württemberg mehrmals: „Eine förmliche Umweltverträglichkeitsuntersuchung wird im Rahmen des Antrags- und Genehmigungsverfahrens stattfinden. Es ist vorgesehen, dass die in diesem Rahmen zu prüfenden Umweltfaktoren durch externe Gutachter untersucht werden.“ Die Bundesregierung äußerte sich in der Antwort auf die oben erwähnte Kleine Anfrage hierzu jedoch gegenteilig. Es sei „noch nicht bekannt, ob und ggf. in welchem Umfang eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden wird“.

Auf Nachfrage des Abgeordneten Tobias Pflüger [2] konkretisierte die Bundesregierung: Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werde, hänge vom Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung ab, die vom Luftfahrtamt der Bundeswehr selbst durchgeführt werde. Mit einer Entscheidung sei im Herbst 2018 zu rechnen.

Dass die Bundeswehr selbst entscheiden darf, ob sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen möchte, ist ein Skandal. Wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung nun wegfiele, wäre dies ein Schlag ins Gesicht der Haiterbacher. Ihre Umweltbedenken werden schlicht ignoriert.

Die Bundesregierung weigert sich zudem, die Zahl und Dauer der geplanten Flüge, die Flughöhe, den Typ der einzusetzenden Fluggeräte und Daten zum Lärmaufkommen zu veröffentlichen. Was die konkrete Planung angeht, bleibt die Bundesregierung somit im völlig Vagen. Die Bevölkerung vor Ort muss jedoch über die möglichen Belastungen durch die geplanten Flüge in vollem Umfang aufgeklärt werden.

Anmerkungen:

[1] Drucksache 19/3003. Antwort auf die Kleine Anfrage: Militärische Spezialkräfte in Baden-Württemberg. 27.6.2018.

[2] Antwort auf die Schriftliche Frage 7/149 des Abgeordneten Tobias Pflüger vom 11.7.2018.

Veröffentlicht am 28.9.2018 auf Informationsstelle Militarisierung e.V.