Autor: Christoph Marischka
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wurde unter der Überschrift „Für eine modern ausgerüstete Bundeswehr“ die Gründung einer „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ unter gemeinsamer Federführung des Innen- und des Verteidigungsministeriums angekündigt, welche die „technologische Innovationsführerschaft“ Deutschlands sicherstellen solle. Bereits im Vorfeld war durchgesickert, dass als Vorbild mit der DARPA die Forschungsagentur des Pentagon galt. Die Rüstungsindustrie frohlockte bereits.
Im August 2018 jedoch wurden statt einer Agentur gleich zwei Agenturen an den Start gebracht. Am 29.8.2018 berichteten gleichzeitig einerseits das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über den Kabinettsbeschluss zur Gründung einer „Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen“ und andererseits das Innen- und Verteidigungsministerium über die Gründung einer „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit“. Die Eckpunkte der Agentur für Sprunginnovationen unterstreicht zwar einerseits, „dass die im Koalitionsvertrag verankerte Agentur für Innovation in der Cybersicherheit für das Themenfeld der Cybersicherheit in Bezug auf die Äußere und Innere Sicherheit und die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen für den zivilen Anwendungsbereich zuständig ist“ (wobei bereits hier ein seltsamer Begriff des „Zivilen“ in der Abgrenzung von der Inneren Sicherheit zum Ausdruck kommt). Zugleich wird jedoch von Zusammenarbeit und Synergien zwischen beiden Agenturen ausgegangen, weshalb u.a. „eine gegenseitige Entsendung von Vertretern in die Agenturgremien … zur Abstimmung der Arbeitsprogramme“ und „gegenseitige Beauftragungen bei agenturübergreifenden Themen“ vorgesehen sind.
Mittlerweile liegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Forschungspolitiker*innen der Grünen Bundestagsfraktion zur Agentur für Sprunginnovationen vor, in der diese wieder einmal Opposition simulieren. Auf die sicherheitspolitischen und militärischen Bezüge der Agentur geht die Anfrage in keiner Weise ein, die DARPA wird zwar genannt, aber ohne das Akronym aufzulösen und die militärische Agentur von anderen, zivilen Forschungsorganisationen zu differenzieren. Kritisiert wird lediglich im Duktus der pseudo-Opposition, dass im Eckpunktepapier für die Agentur „nach Auffassung der Fragesteller viele Fragen … unbeantwortet“ blieben und die „von der Bundesregierung angekündigten 151 Mio. Euro für die ersten vier Jahre (2019 bis 2022) … nicht den angekündigten 100 Mio. Euro pro Jahr“ entsprächen. Außerdem sorgen sich die Grünen Bundestagsabgeordneten um „Freiheit und Unabhängigkeit“ der Agentur und ihrer Beschäftigten, die „[z]entral für eine neue Innovationskultur“ seien: „Die Politik muss die Ziele vorgeben, die Umsetzung aber bei der Agentur liegen“. Zudem kritisiert die Kleine Anfrage, die Bundesregierung verharre „in den nationalen Förderstrukturen, anstatt europäisch zu denken“: „Es ist kurzsichtig zu glauben, dass internationale Spitzenkräfte sich zwischen Berlin und Paris entscheiden. Sie entscheiden sich zwischen den USA, China und Europa“. Tatsächlich jedoch wird in dem Eckpunktepapier der „internationalen Vernetzung“ – gemeint ist dabei eine im Kern deutsch-französische Zusammenarbeit im EU-Rahmen – viel Platz eingeräumt. Hier heißt es z.B.: „Deutschland und Frankreich haben der EU-Kommission vorgeschlagen, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine Initiative im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip zu starten, um Sprunginnovationen auf nationaler und europäischer Ebene zu fördern … Deutschland und Frankreich werden ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter vertiefen und weitere Partner einladen, sich ihnen anzuschließen“.
Interessant an den Antworten der Bundesregierung ist v.a., dass hier mehrfach auch für die vermeintlich zivile Agentur für Sprunginnovationen die DARPA als Vorbild genannt wird: „Insbesondere die DARPA und ARPA-E [die zivile geführte Forschungsagentur der USA für den Energiebereich, Anm. CM] weisen aber auf eine fundierte Innovationsausrichtung hin zu revolutionären Technologien, was für die Bundesregierung von zentraler Bedeutung ist. Zahlreiche bahnbrechende Innovationen für den zivilen Anwendungsbereich wurden durch eine DARPA-Förderung (mit-)entwickelt. Beispielhaft sind das Satellitennavigationssystem GPS, Software (v.a. im Bereich Künstliche Intelligenz) zur automatischen Sprach- und Bildererkennung und zur automatischen Sprachübersetzung oder diverse Display- und Touchscreen-Technologien, wie sie u. a. in modernen Smartphones und Tablets verwendet werden, zu nennen“. Auch bei ihrer Beteuerung, „dass die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen so frei wie möglich agieren soll“, wird auf das Vorbild DARPA verwiesen: „Diese Unabhängigkeit wurde z. B. bei der DARPA als Erfolgsfaktor identifiziert“.
Unter den Antworten der Bundesregierung findet sich zudem eine Zieldefinition für die neue Agentur, die an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten ist und dennoch den aktuellen Diskurs um disruptive Technologien und Sprunginnovationen gut auf den Punkt bringt. Demnach gehe es darum, „Lösungen für die drängenden Fragen unserer Gesellschaft unter internationalem Wettbewerbsdruck [zu] finden“.
Anmerkungen:
Die genannten Zitate entstammen dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 19. Legislaturperiode, den Eckpunkten zur Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen vom August 2018 sowie der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Geplante Gründung der Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen“ (Bundestags-Drucksache 19/5679). Außerdem wird verwiesen auf die Pressemitteilungen des BMBF und des BMI vom 29. August 2018.
Erstveröffentlichung am 21.11.2018 auf Informationsstelle Militarisierung e.V,