Gefahr eines militärisch-forschungsindustriellen Komplexes
Autor: Christoph Marischka
Gegen die Verflechtung der Universität mit der rüstungsnahen Industrie im Zuge des Cyber Valley
Im Vorfeld der Podiumsdiskussion zwischen Kritiker*innen und Beteiligten entstand dieses Vortragsmanuskript, dass stark gekürzt als Grundlage eines Beitrags auf dem Podium diente.
Von der Universität Tübingen und dem Cyber Valley insgesamt wird die sog. Künstliche Intelligenz gerne als neutrale Technologie beschrieben, die Chancen biete wie Risiken berge. Das wird verglichen mit einem Feuer, das als Fackel Blockhütten anzünden oder als Feuerstelle zur Nahrungszubereitung verwendet werden kann. Den Risiken der KI könne nur begegnet werden, wenn sie hier, in Tübingen, Deutschland, Europa entwickelt würde, weil dadurch – offenbar wie von Geisterhand – deutsche und europäische Werte mit einfließen würden.
Die ethische Debatte gibt das Cyber Valley vor, selbst zu führen: die sog. „besten Köpfe“ bei der Entwicklung maschinellen Lernens leiten aus ihrer mathematisch-informatitionstechnischen Kompetenz ganz selbstverständlich auch die Kompetenz ab, über die ethischen, über die sozialen Bedingungen und Risiken der KI gleich mit zu befinden und sprechen diese Kompetenz der weiteren Gesellschaft zugleich ab.
Ich hingegen bin Sozialwissenschaftler und auch ich beschäftige mich seit Jahren intensiv mit Technologie. Technologie ist quasi per Definition nichts Natürliches – der Vergleich mit dem Feuer hinkt schon da – sondern etwas durch Menschen Geschaffenes. Sie ist insofern auch nie neutral, sondern eingebettet in ökonomische, politische, in Herrschaftsstrukturen – ihr liegen Annahmen, Vorurteile, Modellierungen der Welt zugrunde.
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und Gesellschaftliche Verantwortung spricht insofern von Technologie als soziotechnischen Systemen und hat hierzu auf seiner letzten Jahreskonferenz nach „Gestaltungsfreiheiten und Machtmustern“ in diesen „soziotechnischen Systemen“ gefragt.
Ich möchte also im Folgenden das Cyber Valley als soziotechnisches System analysieren und dabei auf einen Aspekt fokussieren, der von den Beteiligten bisher rundweg geleugnet wird: Die militärische Relevanz der hier behandelten Technologien und die Beteiligung von Akteuren aus der Rüstung. Die militärische Relevanz lässt sich ganz leicht nachweisen. Katrin Suder, bis vor kurzem Rüstungs-Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, die in ihrer Amtszeit verschiedene Initiativen vorangetrieben hat, um im IT-Bereich für die engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Start-up-Szene und Militär zu sorgen, hat sich hierzu recht eindeutig geäußert: “Es werden immer mehr Daten und Informationen gewonnen und ausgewertet. Und dadurch, durch die Digitalisierung der Erhebung, Verarbeitung und Präsentation all dieser Daten, kann man Wirkungsüberlegenheit erlangen. Wer bessere Informationen hat, wem es gelingt, all diese Informationen zusammenzufügen, der gewinnt.“ Weiter sagte sie: „…wer es schafft, die beste KI zu entwickeln, hat … einen Verteidigungs- oder gar Angriffsvorteil. Deshalb spielt KI sicherheitspolitisch eine so bedeutende Rolle – wie bei jeder Technologie geht es um Vorherrschaft. Wir befinden uns mitten in einem globalen Wettstreit, vor allem zwischen den USA und China.“
Scott Stelle vom Empire Institute, der u.a. im Deutsch-Amerikanischen-Institut Tübingen Gesprächskreise leitet, hat vor diesem Hintergrund die Beteiligten am Cyber Valley scharf und zutreffend kritisiert: „In spite of all of their reverential talk, how can any scientist claim that AI isn’t going to be developed for military purposes, when it’s being reported as the next battlefield. It’s hard to imagine that Cyber Valley scientists have no knowledge whatsoever about what’s going on. Yet, if they continue to turn a blind eye to developments outside their labs, you could get a populist backlash against science. In my opinion, Cyber Valley officials are either lying when they say AI won’t be used for military applications or they’re hopelessly naive. Willful ignorance of world affairs is no excuse.“
Um sowohl den Beteiligten als auch dem Mitgliedern des Tübinger Gemeinderates diese „bewusste Ignoranz“ der militärischen Bezüge des Cyber Valley zu erschweren, werde ich nun die militärischen Bezüge der am Cyber Valley beteiligten Akteure kurz zusammenfassen. Beginnen wir mit Amazon, bei dem der Zusammenhang zwischen Dienstleistungen für das Pentagon und die CIA und der Forschung am maschinellen Lernen am offensichtlichsten ist. Amazon ist im vergangenen Jahr v.a. durch das Produkt Rekognition in die Kritik geraten. Eine Software zur Gesichtserkennung, die offensiv an Regierungsbehörden in den USA und weltweit vermarktet wird. Bodycams, Überwachungskameras im öffentlichen Raum oder auf Firmengeländen streamen ihre Daten an Amazon, wo die Bilder angeblich in Echtzeit mit hunderten Millionen Aufnahmen abgeglichen werden. Selbst in großen Menschenansammlungen soll die Amazon-Cloud hundert Personen auf einmal erkennen können, so heise.de. Sogar der Technologieriese Microsoft nahm dies zum Anlass, an den US-Kongress heranzutreten und eine Regulierung von Gesichtserkennung einzufordern, da deren Möglichkeiten bereits jetzt und zukünftig ernsthaft Demokratie und Menschenrechte infrage stelle. Rekognition wurde übrigens durch die Übernahme eines Startups Teil des Amazon-Produkt-Portefeullies.
Darüber hinaus – und hier wird das vermeintliche Unwissen der beteiligten Wissenschaftler*innen und des Gemeinderates besonders eklatant – war in der anglo-amerikanischen Presse im vergangenen Jahr viel davon zu lesen, dass sich Amazon vielversprechend um das zehn-Mrd.-Dollar-Programm des Pentagon mit dem Akronym JEDI bewirbt. JEDI steht für Joint Enterprise Defence Initiative und soll zukünftig als Herzstück der sog. Netzwerkzentrierten Kriegführung der USA dienen, indem es Methoden der KI und des Maschinellen Lernens als dauerhaften Bestandteil in die Kommunikationsstruktur der US-Streitkräfte einfügt. Wired.com, ein gerade in Technologie-Kreisen anerkanntes und beliebtes Medium, zitiert dazu einen hochrangigen Vertreter des Pentagon: „’This program is truly about increasing the lethality of our department and providing the best resources to our men and women in uniform,‘ the Defense Department’s chief management officer, John H. Gibson II, told industry leaders and academics at a public event. JEDI aims to bring DOD’s computing systems into the 21st century by moving them into the cloud. The Pentagon says that will help it inject artificial intelligence into its data analysis and equip soldiers with real-time data during missions, among other benefits.”
Amazon gilt als klarer Favorit bei dieser Ausschreibung, u.a. weil das Unternehmen bereits für den Umgang mit sensiblen Daten höchster Regierungsbehörden zertifiziert ist. Dies geht darauf zurück, dass das Unternehmen bereits seit 2013 das Cloud-Managment für die CIA, den US-amerikanischen Auslandsgeheimdiensten betreut. Ein Aussteiger aus der Big-Data-Startup-Szene schreibt hierzu: „Bereits 2013 wurde von der CIA der erstaunliche Schritt gegangen, ihre Server Infrastruktur nicht mehr selbst zu bauen, sondern an Amazon abzugeben“. Weiter beschreibt er, wie die Kooperation zwischen Amazon und Pentagon bereits in diesem Jahr ausgebaut wurde: „Entsprechend fing im März 2018 das dem US-Verteidigungsministerium unterstellte Transportation Command an, seine Daten in die Amazon Gov-Cloud zu migrieren, den Service, der aus der Kooperation mit den Geheimdiensten enstand. Kurz nach dieser Logistikabteilung des Militärs folgte das National Ground Intelligence Center nach, welches Informationen über feindliche Bodenkräfte sammelt“.
Für die Bundeswehr werden vergleichbare Dienstleistungen – einschließlich des Betriebes zweier georedundanter Hochsicherheitsleistungszentren (diejenigen, die den Kalten Krieg miterlebt haben, können sich vorstellen, was in diesem Fall unter Georedundanz zu verstehen ist) – vom Unternehmen ATOS erbracht, dass sich mit der Übernahme von Science&Computing kurz vor der Gründung des Cyber Valley ebenfalls in Tübingen eine Niederlassung erschlossen hat und von dort aus u.a. Messdatenmanagement und High-Performance-Computing anbietet.
Ich möchte nun zu ZF Friedrichshafen kommen. Am Anfang wurden auch hier Bezüge zur Rüstungsindustrie geleugnet und tatsächlich bemüht sich das Unternehmen um ein ziviles Image. Zentrale Indikatoren sind jedoch eindeutig: ZF Friedrichshafen und mehrere Tochterunternehmen sind Mitglieder der deutschen „Gesellschaft für Wehrtechnik“, dem wichtigsten Verband der Rüstungsindustrie. Seit 2009 gibt es darüber hinaus den Lobbyverband mit dem nur wenig harmloseren Namen „Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (BDSV), in dem ZF-Friedrichshafen ebenfalls Mitglied ist. Verschiedene Broschüren der EU und ihrer Mitgliedsstaaten listen das Unternehmen ebenfalls als Teil der Europäischen Rüstungsindustrie.
Und zwar ganz zurecht. Die ehemalige Zahnradfabrik Friedrichshafen produzierte bereits im Zweiten Weltkrieg unter dem Einsatz von tausenden Zwangsarbeitern Rüstungsgüter. In der Folge war und ist ZF Friedrichshafen besonders in Zusammenarbeit mit dem unmittelbar benachbarten Unternehmen MTU an der Produktion von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Schiffen beteiligt. Typischerweise liefert MTU seine Motoren mit Getrieben von ZF aus, die u.a. in den deutschen Panzern vom Typ Leopard verbaut sind. MTU rangierte 2006 als Tochterunternehmen des Daimler-Konzerns auf den Plätzen 6 bzw. 8 der größten deutschen Rüstungsunternehmen, heute ist es Teil von Rolls-Royce, das Platz 16 unter den weltweit größten Rüstungsunternehmen einnimmt. Die Verbindungen zwischen ZF und MTU sind nicht nur hinsichtlich der Produktionskette eng: Auch auf der Management-Ebene wird das Personal häufig ausgetauscht. So war etwa der MTU Vorstandsvorsitzende von 2008 bis 2013 zuvor fünf Jahre Geschäftsführer bei ZF.
Im Dezember 2016 unterschrieben ZF und MTU ein Kooperationsabkommen insbesondere im Bereich der Marine-Systeme: „Durch die noch engere Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner ZF bauen wir unsere Systemkompetenz weiter aus und können unseren Kunden dadurch optimal aufeinander abgestimmte und innovative Antriebslösungen mit unseren MTU-Motoren anbieten“, so die gemeinsame Pressemitteilung. Im Jahr zuvor hatte ZF über mehrere lukrative Verträge berichtet, an denen beide Firmen bereits beteiligt waren: Dabei ging es u.a. um die Lieferung von 17 Patrouillenbooten an die Küstenwache von Katar und Schnellboote für Spezialkräfte der türkischen Marine.
Die enge Zusammenarbeit und Nachbarschaft zwischen ZF und MTU am Bodensee ist im Übrigen kein Zufall. Es handelt sich hierbei – ergänzt durch den Lenkwaffenhersteller Diehl und Airbus Defence&Space in unmittelbarer Nachbarschaft – um ein typisches Beispiel der sog. rüstungsindustriellen Basis Deutschlands. Und es ist kein Zufall, dass einige dieser Firmen im Moment auch oder v.a. zivile Produkte herstellen, schließlich geht es bei der sog. rüstungsindustriellen Basis vonseiten der Politik darum, strategisch Industrie-Cluster zu erhalten und auszubauen, die im Bedarfsfall schnell auf eine reine oder überwiegend militärische Produktion umgestellt werden können. Das hat übrigens gerade in der Region und ihrer Verbindung mit Stuttgart und die heutigen Max-Planck-Institute eine gewisse Tradition. Damals begründete Max Planck in seiner Rolle als Präsident der MPG-Vorgängerinstitution „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ den Bau des Instituts für Metallforschung in Stuttgart – interessanterweise das Vorgängerinstitut des MPI für Intelligente Systeme – 1933 damit, dass „[d]ie Nähe zu Friedrichshafen im Interesse der Förderung der Luftfahrttechnik eine besonders ersprießliche Zusammenarbeit mit dem Reichsluftfahrtministerium“ verspreche. In der Fußnote wird erläutert: „Friedrichshafen war mit Zeppelin und Dornier traditioneller Standort der deutschen Luftfahrtindustrie; vgl. ausführlich die zahlreichen Hinweise bei Lutz Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918–1945“.
Unmittelbar mit der Bundeswehr verwoben ist die ZF-Tochterfirma ZF Luftfahrttechnik, die sich am Flughafen Kassel-Calden quasi ein Firmengelände mit Airbus, dem größten deutschen Rüstungsunternehmen, teilt. Am Flughafen ist die Bundeswehr mit ihrer Prüfgruppe 400 präsent, die für die Instandsetzung von Hubschraubern des Typs Cougar, NH90, CH53G, Seaking, Sealynk, BO105 und Tiger zuständig ist. Für die ZF Luftfahrttechnik waren dort (Stand 2013) „314 Mitarbeiter bei der Wartung folgender Hubschraubertypen tätig: Kampfhubschrauber BO105, Kampfhubschrauber Tiger, Bordhubschrauber Sealynk, Bordhubschrauber Seaking, Transporthubschrauber CH 53 Sikorsky“. Es ist in diesem Zusammenhang aktuell interessant zu erwähnen, dass die Kampfhubschrauber vom Typ Tiger, die in den vergangenen Jahren in Mali im Einsatz waren, in Fritzlar bei Kassel stationiert waren. Einer von ihnen ist in Mali abgestürzt, wobei beide Piloten ums Leben kamen. Als Unfallursache werden Fehler durch die betreuende Industrie angenommen, weshalb nun die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen drei Mechaniker aufgenommen hat. Es wird zwar meist angenommen, dass es sich dabei um Personal von Airbus gehandelt hat, ebenso denkbar ist allerdings, dass es Mitarbeiter von ZF waren, da das Unternehmen nicht nur für die Fertigung der Hubschrauber-Komponenten Haupt-, Zwischen-, Heck-, Hilfsgerätegetriebe, sondern auch für „die Wartung und Instandhaltung dynamischer Komponenten“ zuständig ist.
Neben der Produktion und Wartung v.a. von Getrieben für Heer, Luftfahrt und Marine versucht sich ZF seit einigen Jahren sowohl im zivilen, wie auch im militärischen Bereich auf dem Gebiet der Bordelektronik zu platzieren.
Der Rektor der Universität Tübingen sagte im besetzten Hörsaal 21 sinngemäß: „Ich weiß nicht, was die Automobilindustrie mit Rüstung zu tun haben soll“. Ich möchte ihn abschließend in dieser Hinsicht kurz zusammenfassend aufklären. In den 1990er Jahren gab es den Versuch, die deutsche Rüstungsindustrie sehr weitgehend in einem Konzern, der Daimler-Benz Aerospace (DASA) zu bündeln. Dornier gehörte bereits Daimler und wurde unter dem Dach der DASA mit MTU fusioniert. Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) und Fokker wurden – wie viele kleinere Unternehmen – aufgekauft und integriert. Aus der DASA ging mit zunächst EADS und später Airbus der zweitgrößte Rüstungskonzern Europas hervor, an dem Daimler bis 2013 Aktienanteile behielt. Daimler spaltete auch die MTU-Sparten für Luftfahrt und Land- und Marinesysteme auf. Zwischen 2011 und 2014 gehörte MTU Friedrichshafen zu gleichen Teilen Daimler und Rolls-Royce. Die Fusionen unter dem Dach des Daimler-Konzerns haben dazu beigetragen, die deutsche Rüstungsindustrie sozusagen zu europäisieren und wichtige deutsch-europäische Rüstungsprojekte wie den Kampfhubschrauber Tiger, den Eurofighter und den A400M unter der Verantwortung des Daimler-Konzerns auf den Weg gebracht und in Teilen realisiert.
Heute hat sich Daimler (zumindest vorübergehend) wieder weitgehend von der Rüstungsindustrie v.a. im Bereich der Luftfahrt getrennt. Der Konzern ist aber weiterhin Mitglied in den wichtigsten Rüstungsverbänden wie der Gesellschaft für Wehrtechnik und dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Insbesondere die Sparte Nutzfahrzeuge ist jedoch bis heute ein bedeutender Akteur in der Rüstungsindustrie. Auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle 41 bei Trier finden gemeinsame Versuche von Daimler und Bundeswehr zu autonomem Fahren in Konvois statt. Einen großen und umstrittenen Rüstungsdeal schloss Daimler gemeinsam mit dem Panzerbauer Rheinmetall gegenüber Algerien ab. Seit 2014 wird östlich von Algiers in Rouiba ein riesiges Fabrikareal für militärische Nutzfahrzeuge und leicht gepanzerte Fahrzeuge gebaut. Die von Daimler exportierte Fabrik gehört heute zu 34% dem algerischen Verteidigungsministerium und zu 49% den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auf demselben Areal befindet sich im Übrigen die algerische Niederlassung von ZF Friedrichshafen, die zu 20% ebenfalls im Besitz des algerischen Verteidigungsministeriums ist.
Kuka ist – bzw. war – eines der erfolgreichsten deutschen Unternehmen für Industrierobotik. Es ist im Cyber Valley, insbesondere in den MPIs für biologische Kybernetik (MPI-BK) und Intelligente Systeme (MPI-IS) sehr präsent. Das MPI-BK nutzt einen Roboterarm von Kuka für seinen Cyber Motion Simulator, einen Flugsimulator, mit dem v.a. Hubschrauber, darunter der US-Kampfhubschrauber Black Hawk, modelliert werden. Auch Apollo, das Maskottchen des MPI-IS, besteht wesentlich aus Kuka-Komponenten. Er wird gerne bei Presseterminen vorgestellt, wie er mit seinem freundlichen Gesicht menschliche Gesten „erkennt“, Dinge greift oder versucht, Becher ineinander zu stapeln. Mit ihm versucht das MPI-IS, Robotern kooperatives Verhalten im Umgang mit Menschen beizubringen. Seine Arme stammen vom Augsburger Hersteller Kuka. Kuka wurde gemeinsam mit Airbus Defence & Space im Rahmen des EU-Projekts „valeri“ dabei unterstützt, kollaborative Robotik für industrielle Anwendungen zu validieren. Grund dafür, ist, dass sich frei bewegende, mit Menschen agierende Roboter insbesondere in der Luftfahrtindustrie zur Anwendung kommen und kommen sollen. Ein anderes Beispiel, wo Kuka-Roboter zum Einsatz kommen, ist der Lenkwaffenhersteller MBDA bei Augsburg. In seiner Broschüre über Corporate Social Reponsibility ist ein Kuka-Roboter zu sehen, der eine Rakete hält, daneben ein Arbeiter im Laborkittel. „Fortgeschrittene Werkzeuge ermöglichen ein verbessertes physisches Arbeitsumfeld“ ist das Bild untertitelt. Im Übrigen gilt in der Theorie der Revolution in Military Affairs neben der KI die Robotik in der Produktion, also die Automatisierung als Schlüsseltechnologie, um den nächsten Krieg zu gewinnen. Denn die massenhafte, automatisierte Produktion von Fahrzeugen, Flugzeugen, Schiffen und U-Booten wird v.a. in Zeiten ihrer massenhaften Zerstörung, also in Kriegszeiten relevant. Auch deshalb gab es massive politische Widerstände gegen die Übernahme des Kuka-Konzerns durch chinesisches Kapital, die letztlich doch erfolgt ist. Das sollte auch von denen zur Kenntnis genommen werden, die hier immer behaupten, Technologieentwicklung in Deutschland ermögliche, Technologie quasi gegenüber China aufzubauen, um sich „verteidigen“ zu können.
Nun werden sicher einige einwenden, dass Kuka nicht nur bei der Produktion von Lenkwaffen zum Einsatz komme, sondern auch „gute Sachen“ mache und auch Daimler v.a. zivile, auch mehr oder weniger nützliche Dinge herstellt. Das ist natürlich richtig und ich möchte auch nicht jedem jede Kooperation mit der Industrie verbieten. Verbieten möchte ich eigentlich gar nichts. Allerdings ist bemerkenswert, dass die Infragestellung von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie solche Empörung hervorruft bzw. als utopisch abgetan wird. Es sollte hinterfragt werden, dass Wissenschaft ohne Industriekooperation für einige Disziplinen geradezu undenkbar zu sein scheint – während sie in anderen Disziplinen der normale Modus ist. Wenn die Wissenschaft – bzw. einige Disziplinen – sich ihre Existenz ohne Industriekooperationen nicht mehr vorstellen können, dann müssen sie sich gewahr werden, dass große Teile der Industrie – und gerade die am Cyber Valley beteiligte Industrie – untrennbar mit der Rüstung verwoben sind. Wenn die Wissenschaft bzw. diese Disziplinen nicht Teil eines militärisch-forschungsindustriellen Komplexes werden wollen, so sollten sie um größtmögliche Distanz zu dieser Industrie bemüht sein. Das Cyber Valley allerdings steht für das Gegenteil!
Erstveröffentlichung auf Informationsstelle Militarisierung e.V.