Venezuela-Krise: Latinos wollen vermitteln, USA und EU stützen Opposition
Uruguay und Mexiko starten Initiative zur Mediation. EU-Parlament erkennt „Interimspräsidenten“ Guaidó an. Debatte im Bundestag
Das Außenministerium von Uruguay hat am Mittwoch in einem Kommuniqué zu einer Konferenz von Regierungsvertretern und internationalen Organisationen zur Unterstützung des politischen Dialogs in Venezuela eingeladen. Die Initiative wurde gemeinsam mit Mexiko geplant. „Ziel der Konferenz ist es, die Grundlagen für die Schaffung eines neuen Dialogmechanismus zu schaffen, der unter Einbeziehung aller venezolanischen Kräfte zur Wiederherstellung von Stabilität und Frieden in diesem Land beitragen wird“, heißt es im Text. Die Konferenz findet am 7. Februar in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo statt. Erwartet werden Delegationen aus mehr als zehn Staaten und von internationalen Organisationen.
Venezuela erlebt derzeit eine schwere innenpolitische Krise. Die Lage ist eskaliert, nachdem sich der Präsident der oppositionellen Nationalversammlung, Juan Guaidó, vor einigen Tagen selbst zum „Interimspräsidenten“ ausrief. Der 35-jährige Oppositionspolitiker genießt bei seinem offenbar gut vorbereiteten Vorgehen die Unterstützung der USA, der ultrarechten brasilianische Regierung, weiterer rechter Kräfte und einiger EU-Staaten, darunter Deutschland.
Beide Regierungen verwiesen darauf, dass ihre Initiative der Forderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (UN), António Guterres, nach einem politischen Dialog in Venezuela entspricht. Zudem hatte Präsident Nicolás Maduro mehrfach seine Bereitschaft zu Gesprächen mit Teilen der Opposition bekräftigt. Das Treffen in Montevideo soll zu einem „integrativen und glaubwürdigen Dialog“ führen. Ziel sei es, die Krise Venezuelas nachhaltig zu lösen, heißt es in dem Kommuniqué weiter. Uruguay, Mexiko und die UN seien bereit, mit Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, die „auf Diplomatie setzen wollen“.
Nach ersten Medienberichten ist Russland bereit, sich an „internationalen Formaten“ der Vermittlung zu beteiligen. Es solle versucht werden, die aktuelle Situation in Venezuela zu lösen, sagte Außenminister Sergei Lawrow am Mittwoch. „Wir sind bereit, an internationalen Bemühungen (der Mediation) in Formen teilzunehmen, die für die venezolanischen Parteien akzeptabel sind“, erklärte Moskaus Chefdiplomat bei einer Pressekonferenz.
Präsident Maduro sagte indes in einem Interview mit der russischen Agentur RIA Nowosti, er sei bereit, sich mit der Opposition zum Dialog über „Frieden und Zukunft“ des Landes mit einer offenen Agenda zusammenzusetzen. Maduro fügte an, er stehe in diesem Zusammenhang in ständigem Austausch mit mehreren Präsidenten und Außenministern. Er hoffe, dass „es in den kommenden Stunden gute Ergebnisse geben wird“. Schließlich hätten mehrere Regierungen die Idee eines Dialogs auf den Weg gebracht, darunter Mexiko, Uruguay, Bolivien, der Vatikan und Russland.
Lawrow betonte, dass jede Vermittlungsinitiative „unparteiisch“ sein und „ein breites Spektrum internationaler Akteure zusammenbringen sollte. Die Teilnehmer sollten Einfluss auf Regierung und Opposition gleichermaßen haben.
Die US-Regierung ermutige die venezolanische Opposition, sich einem Dialog mit der Regierung Maduro zu verweigern, beklagte Lavrov. Tatsächlich stehen die Vermittlungsinitiativen im offenen Widerspruch zur kategorischen Weigerung der radikalen Teile der Opposition, sich auf jeglichen Dialog einzulassen. „Wir sehen, wie ihre westlichen Sponsoren öffentlich diese Position unterstützen“, sagte der russische Chefdiplomat.
Vertreter von Guaidó führen von Washington aus derweil mit Unterstützung einigerr US-Abgeordneter, dem Weißen Haus und Diplomaten ihre internationale Kampagne mit dem Ziel weiter, die Regierung Maduro zu stürzen. Carlos Vecchio, der von der US-Regierung als „Geschäftsträger“ der „Botschaft“ Venezuelas in Washington anerkannt wurde, traf sich mit einer parteiübergreifenden Gruppe von Abgeordneten im Büro des Republikaners Mario Diaz-Balart. Zuvor war Vecchio mit Vizepräsident Mike Pence zusammengekommen und stellte sich bei der US-Denkfabrik Atlantic Council ausländischen Diplomaten vor. Seine Botschaft: Der internationale Druck sei der Schlüssel, um die politischen Verhältnisse in Venezuela zu verändern. Ein Dialog mit Maduro sei reine Zeitverschwendung. „Drei Arten von Druck müssen jetzt ausgeübt werden“, sagte Vecchio. „Der Druck der Menschen auf den Straßen, der Druck der Nationalversammlung, der einzigen legitimen demokratischen Institution des Landes, und der internationale Druck.“
Schon nach seinem Treffen mit Pence am Dienstag hatte Vecchio bekräftigt, die Opposition sei nicht bereit, an einem Dialog unter Regeln des „Chavismus“ teilzunehmen. Man sei alleine bereit, über Guaidós Agenda zu sprechen. Dabei gehe es in erster Linie darum, Maduros währende Präsidentschaft zu beenden.
Die konservative Mehrheit im Europäischen Parlament hat am Donnerstag inmitten des Machtkampfes in Venezuela den selbsternannten „Interimspräsidenten“ Juan Guaidó anerkannt. 439 der Abgeordneten votierten für den Beschluss konservativer und liberaler Fraktionen, 104 stimmten dagegen, 88 Parlamentarier enthielten sich.
Die Befürworter des Papiers forderten die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten auf, ihrer Entscheidung zu folgen. Als Grund führten sie Äußerungen Maduros an. Dieser hatte die EU-Forderung nach einer „umgehenden fairen Neuwahl des Präsidenten“ öffentlich abgelehnt und stattdessen die Neuwahl des Parlaments erwogen.
Ob sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie in der Frage der Anerkennung Guaidós einigen können, ist allerdings unklar. Vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien drängen auf die EU-weite Übernahme eines achttägigen Ultimatums, mit dem die Maduro-Regierung aufgefordert wurde, neue Präsidentschaftswahlen anzuberaumen. Griechenland wendet sich dagegen, Italien und Schweden sollen nach Angaben aus Brüssel Gesprächsbedarf angemeldet haben.
Gegenüber dem uruguayischen Präsidenten Tabaré Vázquez soll die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eingestanden haben, dass in der Union über die Anerkennung Guaidós keine Einigkeit besteht. Das Thema stand heute auch bei einem informellen Außenministertreffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest auf der Tagesordnung.
Bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) Maduro am Mittwochnachmittag vorgeworfen, gegen Standards von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit zu verstoßen. Er habe das erdölreichste Land der Welt an den Abgrund geführt. „Angesichts dessen kann man nicht neutral bleiben“, sagte Maas unter Rückgriff auf einen früheren Tweet. Der SPD-Politiker bekräftigte die politische Unterstützung Deutschlands für Guaidó.
Jan Korte von den Linken bezweifelte, dass es der Bundesregierung in Venezuela tatsächlich um die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaat gehe. In diesem Fall müsse sie auch gegen die Machthaber in Saudi-Arabien, Ägypten und der Türkei vorgehen, argumentierte er in seiner Rede, die von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochen wurde. Deutschland müsse sich an die Seite Mexikos und Uruguays stellen anstatt an die der USA, die nur auf die Erdölreserven Venezuelas aus seien.
Dass die uneingeschränkte Solidarität der Bundesregierung und des Europäischen Parlaments mit Guaidó die Situation noch zuspitzen könnte, vermutete in der Bundestagsdebatte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour. In Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, auf den sich der selbsternannte Gegenpräsident stützt, stehe „dass sich der Interimspräsident innerhalb von 30 Tagen wählen lassen muss, um legitim zu sein“. Eben das müsse jetzt erwähnt werden, mahnte Nouripour: „Wir können nicht auf der einen Seite sagen: „Maduro muss weg“ – was ich teile – und gleichzeitig keine Bedingungen für einen Interimspräsidenten aufstellen, damit er nicht auf die Idee kommt, er könne legitim im Amt bleiben, weil es Unterstützung von der falschen Seite gibt.“
Ähnlich äußerte sich der österreichische Grünen-Europaabgeordnete Michael Reimon: „Ich habe mich bei der Venezuela-Abstimmung enthalten. Die Forderung nach schnellen Neuwahlen war nämlich nicht mehr in der Resolution und ich finde, das muss die Grundlage sein, um Legitimität für jede Regierung herzustellen.“
Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de