Waffenbrüderschaft ist kein Friedensprojekt
Autorin: Claudia Haydt
Rede beim Ostermarsch in Stuttgart (20.4.2019)
2007 erklärte sich die Europäische Union im Rahmen des Lissabonvertrags zum Militärbündnis und erhielt dennoch 2012 den Friedensnobelpreis. Seit Ende 2017 hat sich in der EU eine Koalition der Willigen zu mehr Aufrüstung und mehr Kriegsbereitschaft verpflichtet. Dennoch reden zwischenzeitlich viele vom „Friedensprojekt Europa“ als sollte dieses demnächst heiliggesprochen werden. So wichtig es ist, dass zwischen Deutschland und Frankreich heute kein Krieg mehr droht, so wenig darf man europäische Freundschaft mit europäischer Waffenbrüderschaft verwechseln. Wo Europa drauf steht ist keineswegs in jedem Fall ein humanistisches Projekt drin.
Eins ist klar, Eurodrohnen, Europäische Kampfflugzeuge und Euroartillerie pflastern nicht den Weg zum Frieden sondern zum Krieg. Stoppt diese Aufrüstung.
In aller Kürze möchte ich hier acht triftige Gründe vorstellen, warum eine Militärunion und eine EU-Armee ein gefährlicher Irrweg sind!
Es wird nicht billiger, sondern sehr viel teurer. Ähnlich wie die NATO, hat sich auch die EU zur Einhaltung des 2Prozentziels verpflichtet. Damit würde nicht nur die EU zu einem mächtigen Militärbündnis werden, sondern auch Deutschland zum stärksten Akteur in diesem Bündnis. Es geht perspektivisch um 80 Milliarden deutsche Militärausgaben – das ist deutlich mehr als Russland fürs Militär ausgibt. Wirtschaftlich dominiert Deutschland die EU längst – wollen wir wirklich auch einen deutsch dominierten Militärblock EU?
Zum Konzept der Militärunion und der Europaarmee gehört auch der Einsatz im Innern. Schon heute sind bei vielen Europäischen Armeen Einsätze im Innern Alltag. Ich nenne hier nur beispielhaft Italien, Belgien und Frankreich. Auch in Deutschland werden die grundgesetzlichen Vorbehalte immer weiter ausgehöhlt. Auf EU-Ebene ermöglicht die militärische „Solidaritätsklausel“ (Art. 222) auch den Militäreinsatz im Innern der Union. Für mich ist es eine erschreckende Vorstellung, dass zukünftig auch deutsche Soldaten Aufstände in Italien oder Spanien niederschlagen könnten.
Schon aus historischen Gründen sollte dies nicht Realität werden.
Für die Militärunion gibt es keinen Parlamentsvorbehalt. Die EU-Verträge geben allein dem Rat die Möglichkeit über den Einsatz des Militärs zu entscheiden. Die dort versammelten Verteidigungsminister repräsentieren die Exekutive, während die Legislative außen vor bleibt. Es war eine der Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, die Verfügungsgewalt über das Militär nicht mehr einzelnen Führern zu überlassen. Nun soll das im Zuge der Europäisierung über Bord geworfen werden. Nicht mal über den Europäischen Gerichtshof lässt sich die Rechtmäßigkeit von Einsätzen feststellen, da dies im Rahmen des Lissabonvertrags explizit ausgeschlossen ist. Lasst uns dieses unkontrollierte EU-Militär stoppen!
Rüstungsprojekte die in den Einzelstaaten nicht durchsetzbar sind, werden nun auf EU-Ebene umgesetzt. Die Eurodrohne ist Teil der insgesamt 34 laufenden Aufrüstungs- und Militarisierungsprojekte der EU. Sie wird von Anfang an bewaffnet geplant. Die Wunschliste der Euro-Militaristen ist mit den 34 Projekten aber längst nicht zu Ende. Eine neue Generation von Kampfflugzeugen, die neue Generation von Atomwaffen ins Ziel bringen sollen, wird zur Zeit genauso diskutiert wie ein gemeinsamer Flugzeugträger. Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto mehr wachsen die gefährlichen militärischen Wunschträume in den Himmel. Stoppt diesen Aufrüstungswahnsinn.
Zum Glück ist die Finanzierung dieser Rüstungsprojekte aus dem Gemeinschaftshaushalt der EU illegal. Im Entwurf für den nächsten mehrjährigen stehen Milliardenbeträge bereit für einen Verteidigungsfonds. Art, 41, Abs. 2 des Lissabonvertrags verbietet aber explizit die Finanzierung von Maßnahmen mit militärischem Bezug aus dem Gemeinschaftshaushalt. Die Kommission deklarierte deswegen die Aufrüstung zur Wirtschaftsförderung. Was für ein billiger Taschenspielertrick!
Die EU verstärkt die Konfrontation mit Russland. Zu den Aufrüstungsprojekten der EU gehört auch der Ausbau von Verkehrsinfrastruktur die panzertauglich ist. Der militärische Aufmarsch soll sowohl durch neue beziehungsweise sanierte Brücken, Straßen und Tunnel erleichtert werden als auch zusätzlich durch Bürokratieabbau für den Transport von Rüstungsgütern durch die EU. Es ist pervers: während sich die Grenzen für Menschen auch innerhalb der EU wieder schließen, wird die Freizügigkeit für Panzer ermöglicht.
Wir wollen keine Panzerstraßen nach Osten, sondern guten ÖPNV.
Im Rahmen der EU-Militärpolitik werden zunehmend koloniale Interessen und koloniale Strukturen wiederbelebt. Seite an Seite mit Frankreich werden ökonomische Interessen in Afrika militärisch verteidigt. Schon heute werden im Kontext der „Afrikanische Friedensfazilität“ vor Ort Truppen aufgestellt, die unter anderem in der Sahara Flüchtlinge stoppen sollen, damit diese nicht durch Libyen ans Mittelmeer und nach Europa kommen. Das Sterben hat sich dadurch schon teilweise vom Mittelmeer in die Wüste verlagert. Zukünftig sollen für solche Hilfstruppen und deren Einsätze 10,5 Milliarden bereitstehen. Auch wenn das Projekt „Friedensfazilität“ heißt: das ist ein inakzeptabler Angriff auf die Menschenwürde und die Menschenrechte der Ärmsten dieser Welt!
Je mehr die EU auf große gemeinsame Rüstungsprojekte setzt, umso mehr beharrt die Rüstungsindustrie auf schrankenlose Rüstungsexporte. Mit der Begründung „Frankreich will exportieren“ soll in Deutschland keine Entscheidung gegen Rüstungsexporte gefällt werden und mit der Begründung „Deutschland will exportieren“ soll aus Spanien kein „Nein“ kommen. CDU Fraktionsvize Wadephul nannte deswegen Exportbeschränkungen „uneuropäisch“. Kanzlerin Merkel fordert angesichts dessen eine gemeinsame „Kultur“ der Rüstungsexporte. Gemeint ist offensichtlich der allerkleinste gemeinsame Nenner. Wer wirklich Friedenspolitik voranbringen will, der muss sich für den höchsten gemeinsamen Nenner einsetzen: Für den Stopp sämtlicher Rüstungsexporte!
Damit ist die Reihe der triftigen Argumente gegen eine Militärunion längst nicht zu Ende. Gefährlich Pläne für europäischen Atomwaffen und Konzepte für einen Kontinente-übergreifenden Großraum den diese EU kontrollieren will, sind nur einige der Indikatoren für den gefährlichen Weg der hier beschritten wird.
Während im Jemenkrieg mit europäischen Waffen gemordet wird, fehlen die Gelder damit die UN dort Hunger und Krankheiten umfassend bekämpfen kann. Lasst uns Druck machen für grundlegend andere Weichenstellungen.
Wir verwechseln Freundschaft und Solidarität nicht mit Waffenbrüderschaft!
Lasst uns die Aufrüstung von Deutschland, der EU und der NATO stoppen!
Wir wollen keine deutschen Killerdrohnen und auch keine europäischen!
Statt Hochrüstung brauchen wir Abrüstung! Statt ins Militär wollen wir in die Bekämpfung von Hunger und Elend weltweit investieren!
Veröffentlichung am 24. April 2019 auf Informationsstelle Militarisierung e.V.