Selbsternannter Übergangspräsident gesteht Scheitern ein und will externes Eingreifen in bilateraler Aktion prüfen. Appell aus Moskau zum Dialog
In Venezuela hat der selbsternannte Übergangspräsident Juan Guaidó Fehler bei einem gescheiterten Putschversuch am vergangenen Dienstag eingeräumt. Zugleich schloss er eine militärische Intervention der USA in Venezuela nicht aus. Er würde ein solches „Angebot“ aus Washington in der Nationalversammlung zur Abstimmung stellen, so Guaidó im Interview mit der US-Tageszeitung Washington Post.
Nach einer dramatischen Woche, die am Dienstag in einem gescheiterten Umsturzversuch gegen Präsident Nicolás Maduro gegipfelt war, räumte Guaidó nun ein, die Unterstützung innerhalb des Militärs falsch eingeschätzt zu haben. In dem Interview bekräftigte er zugleich seine Erwartung, dass eine zunehmende Zahl von Militärs überlaufen werde. Diese Bewegung werde letztlich zum Rücktritt von Maduro führen, prognostizierte Guaidó, der sich am 23. Januar überraschend selbst zum Übergangspräsidenten ernannt hatte und seither die Kampagne gegen die Maduro-Regierung anführt.
Am Dienstag war die Aufforderung Guaidós an das Militär, sich gegen den Präsidenten zu stellen, wirkungslos verpufft. Die Sicherheitskräfte gingen stattdessen gegen gewalttätige Anhänger Guaidós vor und brachten den Oppositionspolitiker sowie seine Unterstützer massiv in Bedrängnis.
„All dies kam vielleicht, weil wir noch mehr Soldaten gebraucht hätten, und vielleicht brauchen wir mehr Beamte des Regimes, die bereit sind, die Verfassung zu unterstützen“, sagte Guaidó: „Ich denke, die Variablen sind an diesem Punkt offensichtlich.“
Im Interview mit der US-Tageszeitung schloss der Oppositionspolitiker eine US-amerikanische Intervention in dem südamerikanischen Land nicht aus. Er sei zwar mit keiner einseitigen Militäraktion einverstanden. Keine Einwände habe er aber gegen eine US-Aktion, die gemeinsam mit desertierten venezolanischen Streitkräften ausgeführt werde. Der Oppositionspolitiker wollte sich nicht weiter dazu äußern, welcher Grad einer US-Beteiligung für ihn akzeptabel wäre.
Auf die Frage, was seine Antwort wäre, wenn US-Sicherheitsberater Bolton ihm eine militärische Unterstützung anbieten würde, sagte Guaido, seine Antwort würde lauten: „Danke für all die Hilfe, die Sie der gerechten Sache hier geleistet haben, und vielen Dank für die Vorschläge. Wir werden sie bewerten und im Parlament prüfen, um diese Krise zu lösen.“ Bei Bedarf könne ein militärisches Hilfsangebot genehmigt werden.
Die radikale Opposition um die Politikerin María Corina Machado hatte Guaidó unter Verweis auf den Verfassunsartikel 187.11 mehrfach aufgefordert, grünes Licht für ein Eingreifen von außen zu geben. „In Venezuela regieren Hunger, Flucht und Tod, darum müssen wir internationale Hilfe in Anspruch nehmen“, so Machado. Artikel 187.11 besagt, dass die Nationalversammlung in Krisensituationen ausländische „militärische Missionen“ zu Hilfe rufen kann. Dabei handelt es sich nach Expertenmeinung aber um eine Fehlinterpretation: Wie im Deutschen kann sich auf Spanisch der Begriff „Mission“ auf eine Militäraktion oder eine Gesandtschaft im Rahmen des diplomatischen Austauschs beziehen. Dies sei, so Experten, bei der Verfassungsreform mit Blick auf Militärkooperationen gemeint gewesen.
Vertreter der Regierung von US-Präsident Donald Trump haben wiederholt bekräftigt, dass im Ringen um einen Regime-Change in Venezuela alle Optionen auf dem Tisch liegen. Washingtoner Hardliner – unter ihnen Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton – drängten in diesem Zusammenhang mehrfach auf eine militärische Intervention. Allerdings hat Trump bislang nicht eindeutig erklärt, ob er eine Intervention gegen Maduro befürworten würde.
Indes sind in Moskau am Sonntag die Außenminister von Russlands und Venezuela, Sergej Lawrow und Jorge Arreaza, zusammengekommen. Beide Diplomaten sprachen sich dafür aus, den politischen Dialog zwischen Regierung und Opposition in Venezuela zu unterstützen. Das Hauptziel müsse sein, eine friedliche Lösung des innenpolitischen Konflikts in dem südamerikanischen Land zu finden.
Russlands Außenminister Lawrow erhob erneut schwere Vorwürfe gegen Oppositionspolitiker Guaidó. Der amtierende Parlamentspräsident sei nicht unabhängig, sondern führe die Befehle seiner „Hintermänner in den Vereinigten Staaten“ aus, so Lawrow. Zugleich forderte der russische Chefdiplomat die USA auf, den Prozess des Dialogs zwischen Regierung und Opposition nicht weiter zu behindern und das Völkerrecht zu respektieren.
Erstveröffentlichung am 6.5.2019 auf Portal amerika21.de