Das Grundgesetz zwingt den Staat in Artikel 97 nur zur Unabhängigkeit der Richter. Daher interpretiert der Staat für sich die Macht und das Recht, Staatsanwaltschaften als Teil der Exekutive zu definieren und diese in seine Regierungshierarchie einzugliedern.
Auf Bundesebene ist die entsprechend abhängige Anklagebehörde die Behörde des Generalbundesanwalts, zumeist Bundesanwaltschaft genannt. Der Generalbundesanwalt, der vom Justizminister ernannt und entlassen wird, vertritt grundsätzlich alle Anklagen vor den Bundesgerichtshof. Hinsichtlich seiner Eingliederung in die Regierung steht der Generalbundesanwalt damit in Kontinuität zum Oberreichsanwalt (1918-1950) und vorher jeder Staatsanwaltschaft seit der Abschaffung der Privat-Gerichtsbarkeit im Kaiserreich im Jahre 1877.
Auf Ebene der Bundesländer in der Republik gliedert sich bis heute die Regierungshierarchie wie folgt herunter – vom Amt des Ministerpräsidenten / der Ministerpräsidentin zum Justizminister / der Justizministerin, dann herunter zu den Generalstaatsanwaltschaften, dann hinab zu den Oberstaatsanwaltschaften und schließlich zu den einfachen Staatsanwaltschaften.
Darüber hinaus garantiert Artikel 97 Grundgesetz nur die Unabhängigkeit der Richter, nicht der Gerichte. Das lässt dem Staat weiteren Spielraum. Zudem eröffnet Artikel 98 Grundgesetz auf Länderebene den Justizminister/innen sogar die Option neben den Generalstaatsanwälten auch noch die Richter zu ernennen, gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß.
Vereinfacht diskutiert wird diese Eingliederung eines Teils der Justiz in die Exekutive bisweilen als „Weisungsrecht“. Dabei zeigen sich selbst kritische Stimmen wie auf Gewaltenteilung.de unfähig das Grundgesetz zu lesen, selbst 70 Jahre nach dessen Inkrafttreten. Zitat:
„Durch das Grundgesetz ist die Staatsanwaltschaft der Exekutive zugeordnet.“
Das ist falsch. Die Begriffe „Staatsanwaltschaft“ oder „Anwaltschaft“ tauchen im Grundgesetz nicht einmal auf, geschweige denn, dass ihre Eingliederung in die Exekutive vorgeschrieben wird (der Begriff „Rechtsanwaltschaft“ wird in Artikel 74 nur in Bezug auf die konkurrierende Gesetzgebung gesetzt).
Eine stillschweigende, nicht weiter ausgeführte oder begründete Legitimation dieser jahrhundertelangen Staatspraxis quer durch alle Systeme, erfolgte schließlich durch das Bundesverfassungsgericht, welche in Urteil 2 BvR 1444/00 vom 20. Februar 2001
in Verweis auf eine einfache externe Rechtsschrift beschloss:
„Das gilt auch für Anordnungen der Staatsanwaltschaft, die trotz ihrer Eingliederung in die Justiz (BVerfGE 9, 223 <228>) zur Exekutive gehört (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., vor § 141 GVG, Rn. 6).“
Nach eventuellen Staatsverbrechen und / oder Verfassungsbrüchen durch ihre eigenen Organe – Kanzleramt, Ministerien, Behörden, Militär, Geheimdienste, etc, – müsste die Regierung also gegen sich selbst ermitteln.
Angesichts des auch hier seit Jahrzehnten feststellbaren Totalausfalls von Justiz, politischen Parteien und Organisationen, Presse und Bevölkerung wird sich nun Radio Utopie dieses Themas annehmen.