Der bolivianische Putsch ist kein Putsch – weil die USA ihn wollten

Autor: Alan MacLeod

New York Times: Bolivien-Chef Evo Morales tritt zurück

Wenn das Militär den gewählten Präsidenten dazu bringt, „zurückzutreten“ (New York Times, 19.10.11), gibt es dafür ein Wort mit sechs Buchstaben.

Armeegeneräle, die im Fernsehen auftauchen, um den Rücktritt und die Verhaftung eines gewählten zivilen Staatsoberhauptes zu fordern, erscheinen wie ein Lehrbuchbeispiel für einen PUTSCH. Und doch präsentieren die Konzernmedien die Ereignisse am Wochenendes in Bolivien sicherlich nicht als solchen.

Kein Medienunternehmen des Establishments stufte die Aktion als Putsch ein; stattdessen „trat Präsident Evo Morales zurück“ (ABC News, 11/10/19), inmitten weit verbreiteter „Proteste“ (CBS News, 11/10/19) aus einer „wütenden Bevölkerung“ (New York Times, 11/10/19), die über den „Wahlbetrug“ (Fox News, 11/10/19) der „ausgewachsenen Diktatur“ (Miami Herald, 11/9/19) wütend waren. Wenn das Wort „Putsch“ überhaupt verwendet wird, kommt es nur von Morales oder einem anderen Vertreter seiner Regierung, die die korporativen Medien seit seiner Wahl 2006 verteufeln (FAIR.org, 5/6/09, 8/1/12, 4/11/19).

Die New York Times (19.11.10) verbarg ihre Zustimmung zu den Ereignissen nicht und präsentierte Morales als machthungrigen Despoten, der schließlich „den Zugriff auf die Macht verloren hatte“, indem sie behauptete, er sei „von Protesten belagert“ und „von Verbündeten wie den Sicherheitsdiensten verlassen“ worden. Seine autoritären Tendenzen, so behauptete der Zeitungsartikel, „bereiteten Kritikern und vielen Anhängern jahrelang Sorgen“ und erlaubten einer Quelle zu behaupten, dass sein Sturz „das Ende der Tyrannei“ für Bolivien bedeute. Mit einem scheinbaren Versuch einer ausgewogenen Berichterstattung schrieb sie, dass Morales „kein Fehlverhalten zugab“ und behauptete, er sei „Opfer eines Putsches“. Zu diesem Zeitpunkt war der Brunnen jedoch schon gründlich vergiftet.

CNN (11.10.19) wies die Ergebnisse der jüngsten Wahlen zurück, bei denen Bolivien Morales eine weitere Amtszeit bescherte, da sie mit „Anschuldigungen wegen Wahlbetrugs“ behaftet waren, und präsentierte sie als eine Farce, bei der „Morales sich zum Sieger erklärte“. Der Bericht der Times (19.11.10) stellte als Katalysator für seinen „Rücktritt“ „Proteste“ und „Betrugsvorwürfe“ dar, anstatt Zwangsmaßnahmen des Militärs mit vorgehaltener Waffe. Unterdessen erwähnten die CBS News (19.11.10) nicht einmal das Wort „Behauptungen“, deren Schlagzeile lautete: „Boliviens Präsident Evo Morales tritt nach Wahlbetrug und Protesten zurück“.

Die Delegitimierung von Auslandswahlen, bei denen die „falsche“ Person gewinnt, ist natürlich ein beliebter Zeitvertreib der Konzernmedien (FAIR.org, 23.05.18). Es gibt eine Vielzahl unkritischer Akzeptanz der Stellungnahmen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu Wahlen, auch bei der Berichterstattung über die Oktoberabstimmung in Bolivien (z.B. BBC, 11/10/19; Vox, 11/10/19; Voice of America, 11/10/19), obwohl es keine Beweise für deren Behauptungen gibt. Kein Mainstream-Medium warnte seine Leser davor, dass die OAS eine Organisation des Kalten Krieges ist, die ausdrücklich gegründet wurde, um die Ausbreitung linker Regierungen zu stoppen. So verabschiedete sie 1962 eine offizielle Resolution, in der sie behauptete, dass die kubanische Regierung „nicht mit den Prinzipien und Zielen des interamerikanischen Systems vereinbar“ sei. Darüber hinaus wird die Organisation von der US-Regierung finanziert; tatsächlich argumentierte US AID, dass die OAS ein entscheidendes Instrument zur „Förderung der US-Interessen auf der westlichen Hemisphäre ist, indem sie dem Einfluss von Anti-USA-Ländern“ wie Bolivien entgegenwirkt.

CEPR (Center for Economic and Policy Research – Zentrum für Wirtschafts- und Politikforschung [mit Sitz in Washington]): Was geschah bei der Stimmenauszählung in Bolivien 2019?

Die korporativen Medien ignorierten die Aussage von CEPR (19.11.), dass „weder die OAS-Mission noch eine andere Partei nachgewiesen hat, dass es bei den Wahlen weit verbreitete oder systematische Unregelmäßigkeiten gab“.

Im Gegensatz dazu wurde der detaillierte neue Bericht des unabhängigen Washingtoner Think Tanks CEPR, der behauptete, dass die Wahlergebnisse mit den angekündigten Stimmenzahlen „konsistent“ seien, in den US-Konzernmedien überhaupt nicht veröffentlicht. Auch die Entführung und Folterung von Mandatsträgern, die Plünderung des Hauses von Morales, die Verbrennung öffentlicher Gebäude und der indigenen Wiphala-Flagge, die in den sozialen Medien weit verbreitet waren und eine ganz andere Interpretation der Ereignisse nahegelegt hätten, wurden kaum erwähnt.

Worte haben Macht. Und die Gestaltung eines Ereignisses ist eine wirkungsvolle Methode, um Legitimität zu vermitteln und Handlungsvorschläge zu machen. „Putsche“ können praktisch per Definition nicht unterstützt werden, während „Proteste“ generell unterstützt werden sollten. Der chilenische Präsident Sebastian Piñera, ein konservativer, von den USA unterstützter Milliardär, hat buchstäblich mehr als einer Million Menschen den Krieg erklärt, die gegen seine Herrschaft demonstrieren. Die korporativen Medien haben diesen Aufstand jedoch nicht als Protest, sondern als „Aufruhr“ dargestellt (z.B. NBC News, 20.10.19; Reuters, 19.11.19; Toronto Sun, 19.11.19). Tatsächlich beschrieb Reuters (19.11.11) die Ereignisse, als hätte Piñera auf „Vandalen“ und „Plünderer“ reagiert. Wer könnte da möglicherweise etwas dagegen haben?

Morales war der erste indigene Präsident in seiner mehrheitlich indigenen Nation – einem Land, das seit den Tagen der Konquistadoren von einer weißen europäischen Elite regiert wird. Während seiner Amtszeit hat es seine Partei Bewegung für Sozialismus geschafft, die Armut um 42% und die extreme Armut um 60% zu reduzieren, die Arbeitslosigkeit zu halbieren und eine Reihe beeindruckender Programme für öffentliche Arbeiten durchzuführen. Morales sah sich selbst als Teil einer dekolonisierenden Welle in ganz Lateinamerika, lehnte den Neoliberalismus ab und verstaatlichte die wichtigsten Ressourcen des Landes, wobei er die Einnahmen für Gesundheit, Bildung und bezahlbare Lebensmittel für die Bevölkerung ausgab.

Seine Politik löste großen Zorn bei der US-Regierung, westlichen Unternehmen und den Konzernmedien aus, die als ideologische Schocktruppen gegen linke Regierungen in Lateinamerika fungieren. Im Falle Venezuelas bezeichnen sich westliche Journalisten unironisch als „den Widerstand“ gegen die Regierung und beschreiben es als ihr Ziel Nr. 1, Maduro „loszuwerden“, während sie sich gleichzeitig als neutrale und unvoreingenommene Akteure präsentieren.

Die Medienbotschaft im Fall Bolivien ist klar: Ein Putsch ist kein Putsch, wenn uns das Ergebnis gefällt.

Orginalartikel The Bolivian Coup Is Not a Coup—Because US Wanted It to Happen vom 11.11.2019

Quelle: antikrieg.com