Weihnachten: ein Opfer des Kriegs
Autor: Camillo Mac Bica
Ich erinnere mich, weit weg von Zuhause, Familie und geliebten Menschen gewesen zu sein. Gestoßen in ein fremdes und feindliches Land, von dem ich nicht einmal wusste, dass es existiert. Das Weihnachtsessen wurde per Helikopter in eine trostlose Landezone gebracht. Der Laderaum des Hubschraubers, in dem der kalte Truthahn und das warme Bier verstaut waren, füllte sich schnell mit den noch warmen Körpern der Kameraden, die ihr letztes Weihnachten erlebt hatten.
Ich erinnere mich an einen katholischen Priester, einen Franziskaner, der auf einem behelfsmäßigen Altar aus verbrauchten Munitionskisten die Weihnachtsmesse hielt. Als Pragmatiker beteten wir alle für das Überleben oder zumindest für einen schnellen Tod. Seine Predigt, in der er die Geburt Christi, unseres „Erlösers“, und die ewige Freude und den Frieden des Himmels feierte, wurde beendet durch die Dringlichkeit des Krieges und seine Entschlossenheit, den letzten Hubschrauber aus der Hölle nicht zu verpassen.
Ich erinnere mich an die Leiche eines toten Vietcong, aufrecht gespreizt, aufgespießt in den Windungen des Ziehharmonikadrahtes, dessen Widerhaken seine Dornenkrone bildeten und das Niemandsland markierten, das den Stützpunkt nördlich von Danang umgab. Getötet bei dem Versuch, die Verteidigung der Basis zu durchbrechen, erstarrte sein katatonisches Gesicht für immer in einem letzten Schrei von Entsetzen und Schmerz. Seine verwesenden Überreste schmückten die kriegsgehärtete Feiertagsfreude mit einer Weihnachtsdekoration, die mit Blut und Eingeweiden beschmiert war und Freude, Glück und alles Gute von den 26th Marines wünschte. Als wir vorbeikamen und die Basis betraten, nahmen nur wenige davon Notiz. Ich hörte einen jungen Marine, neu im Land angekommen, vor sich hin flüstern: „Ho, fucking ho, fucking ho.“
Diejenigen, die nur wenig über den Krieg wissen, außer dem, was sie in einem Hollywood-Film gesehen oder in einem Buch gelesen haben, können nicht verstehen, warum aufdringliche Erinnerungen an den Krieg zurückbleiben und unser Leben so tiefgreifend negativ beeinflussen. Sie können auch nicht verstehen, warum wir selbst nach so vielen Jahren noch immer vom Krieg heimgesucht werden, weil sie glauben, dass der Horror endet, wenn das Töten vorbei ist. Dass das Heimkommen und die Zeit uns von unseren Sünden reinigen und uns helfen werden, uns zu bessern. Mit den besten Absichten sind sie schnell bereit, ein einfaches Heilmittel für das anzubieten, was sie als Kriegswahnsinn ansehen, die Krankheit unserer Seele. „Lasst die Vergangenheit hinter euch“, sagen sie uns, „schaut in die Zukunft und macht mit eurem Leben weiter.“
Wir, die wir dort gewesen sind, die Verrückten, die Wahnsinnigen, kennen jedoch die Wahrheit, dass es einige Wunden gibt, die selbst die Zeit nicht heilen kann, und die Erinnerungen an den Krieg bleiben für immer lebendig und giftig. Wo auch immer man „hinschaut“ oder nicht, die Augen weit geöffnet oder geschlossen . . . es ist da. Die Unschuld der Jugend stirbt schnell, wenn das Töten zu einem Übergangsritus wird.
Wenn der Duft des Christbaums und der Klang der Weihnachtsglocken für immer durch den Gestank verwesender Leichen und die Schreie derer, die auf den Tod warten, verdorben werden, dann wird auch Weihnachten zu einem Opfer des Kriegs.
Camillo „Mac“ Bica, Ph.D., ist Autor, Aktivist und Professor für Philosophie an der School of Visual Arts in New York City. Sein Schwerpunkt liegt in der Sozial- und politischen Philosophie und Ethik, insbesondere im Hinblick auf den Krieg. Mac ist ehemaliger Marine Corps Officer, Vietnam-Veteran, langjähriger Aktivist für Frieden und soziale Gerechtigkeit und Koordinator von Veterans For Peace Long Island. Er kann über seine Website kontaktiert werden.
Orginalartikel „Christmas: A Casualty of War“ vom 25.12.2019
Quelle: antikrieg.com