Rassismus: Interimspräsidentin von Bolivien warnt vor „Rückkehr der Wilden“
In Bolivien hat die selbsternannte Interimspräsidentin Jeanine Áñez ihre Landsleute mit Blick auf den gestürzten Präsidenten Evo Morales und seine indigen geprägte Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) vor einer Rückkehr der „Wilden“ an die Macht gewarnt. „Lassen wir nicht zu, dass persönliche Eitelkeiten die Stimmen [des rechten Lagers] zerstreuen, und noch viel weniger, dass die Vertreter einer Willkürherrschaft, die Gewalttätigen und die Wilden, wieder an die Macht kommen“, sagte Áñez bei einer Veranstaltung in der Stadt Sucre.
Gleichzeitig warb sie für eine Allianz rechter Parteien, um der MAS bei den für den 3. Mai angesetzten Parlamentswahlen entgegenzutreten. Dieses Datum hatte das Oberste Wahlgericht am späten Freitagabend bekanntgegeben.
Die Antwort von Evo Morales über den Kurznachrichtendienst Twitter ließ nicht lange auf sich warten. „Die Putschistin Añez nennt diejenigen von uns ‚Wilde‘, die der einzigen und ersten indigenen Bauern- und Arbeiterbewegung angehören, die an die Regierung gewählt wurde. Die Usurpatorin bestätigt damit ihren Rassismus und ihren Hass, den sie schon immer gegen das Volk gehegt hat“, so Morales in einem Kommentar.
In einem weiteren Tweet griff er die Wortwahl von Áñez auf: „Wir sind ‚Wilde‘, die Eingeborenen, Bauern, Fabrikarbeiter, Bergleute, Gewerkschafter, Anführer von Volksorganisationen, die engagierte Mittelschicht. Wir sind ‚Wilde‘, die Antiimperialisten, Antikapitalisten, Anti-Neoliberalen und Antikolonialen.“
Morales, der nach seiner Flucht nach Mexiko inzwischen in Argentinien im Exil lebt, fügte an, die De-facto-Regierung von Áñez bezeichne diejenigen als „Wilde“, „die unsere natürlichen Ressourcen und die Würde des Landes zurückgewonnen haben, diejenigen von uns, die gegen die Armut gekämpft und das größte Wirtschaftswachstum in der Region erreicht haben“.
Die Äußerungen der rechtsgerichteten Interimspräsidentin haben erneut die Debatte um den ausgeprägten Rassismus ihrer De-facto-Regierung angeheizt. Diese Kontroverse hatte schon unmittelbar nach ihrer Selbsternennung begonnen. Nach der Vereidigung hatte Áñez mehrere Tweets gelöscht, in denen sie Vertreter der indigenen Bevölkerungsmehrheit pauschal als „wild“ und „satanisch“ beschimpft hat. Áñez gehört dem radikalen, evangelikalen Flügel der bolivianischen Rechten an.
Im Zusammenhang mit ihren jüngsten Äußerungen kritisierte Áñez auch einen wegen Rassismus laufenden Prozess gegen rechtsgerichtete Politiker und Aktivisten in Sucre. Die Angeklagten hatten im Jahr 2008 eine Gruppe von Bauern gezwungen, halbnackt und unter Schlägen und Beleidigungen durch das historische Zentrum von Sucre zu laufen und den Boden zu küssen.
Für Áñez handelt es sich bei dem Prozess gegen die Verantwortlichen um ein politisches Verfahren, das von der Morales-Regierung initiiert wurde. Es sei „unbegründet und manipuliert“, sagte sie im Beisein von Aydeé Nava, der ehemaligen Bürgermeisterin von Sucre, die wegen Gewalt und Rassismus zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden war.
Veröffentlicht am 6.1.2020 auf Portal amerika21.de