Streit um Ärzte: Áñez-Führung in Bolivien bricht Beziehungen mit Kuba ab
Die De-facto-Regierung in Bolivien hat nach einem heftigen verbalen Schlagabtausch die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abgebrochen. Der Politiker Yerko Núñez, der sich als Außenminister des Landes bezeichnet, begründete die Entscheidung mit den „jüngsten unzulässigen Äußerungen von [Kubas] Außenminister Bruno Rodríguez“ und der „feindseligen Haltung Kubas gegen die bolivianische Regierung“. Bei dem Streit geht es um den jahrelangen Einsatz kubanischer Ärzte in Bolivien.
Am 22. Januar hatte sich die selbsternannte Interimspräsidentin Jeanine Añez in einer Rede zur Zwischenbilanz des De-facto-Regimes negativ über den von ihr jäh beendeten Einsatz kubanischer Ärzte in dem Land geäußert. Der gestürzte Präsident Evo Morales hatte Tausende Mediziner nach Bolivien geholt, um vor allem in unterversorgten ländlichen Gebieten die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Unmittelbar nach dem Sturz Morales’ hatte die Áñez-Führung die kubanischen Ärzte des Landes verwiesen.
In ihrer Rede gab Añez an, dass der 13 Jahre währende Einsatz der kubanischen Ärzte Bolivien 147 Millionen US-Dollar gekostet habe. 80 Prozent dieses Geldes sei verwendet worden, „um den Castro-Kommunismus zu finanzieren, der sein Volk unterjocht und versklavt hat“. Mit dem aufgewendeten Geld, so Añez, „hätten wir 7.300 Nierentransplantationen durchführen und die Hälfte der Nierenpatienten in Bolivien versorgen können“.
Kubas Außenminister Rodriguez reagierte über den Kurznachrichtendienst Twitter ungewöhnlich harsch auf die Kritik. Es handele sich um „vulgäre Lügen der selbsternannten Putschisten in Bolivien“. Áñez Äußerungen seien „ein weiteres Beispiel für ihre Unterwürfigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten“. Die politische Führung in La Paz erklärte die diplomatischen Beziehungen daraufhin für beendet.
In Havanna stellte die sozialistische Regierung die Angaben der De-facto-Regierung derweil in Abrede. Die medizinische Arbeit Kubas in Bolivien habe tatsächlich bereits 1985 begonnen, als drei Intensivstationen für Kinderkrankenhäuser kostenlos errichtet wurden, heißt es in einer Erklärung des kubanischen Außenministeriums. „Von 2006 bis 2012 übernahm Kuba alle Kosten der Zusammenarbeit mit Bolivien im Wert von mehr als 200 Millionen US-Dollar pro Jahr, darunter medizinische Ausrüstung, Medikamente, Verbands- und Verbrauchsmaterialien, Lufttransport der Mitarbeiter und Ausgaben für medizinische Geräte“, hieß es weiter. Laut dem auch im staatlichen kubanischen Fernsehen verlesenen Text hat der bolivianische Staat angesichts der Stabilisierung der eigenen Wirtschaft erst seit 2012 die Kosten für die medizinischen Dienstleistungen übernommen. Es sei davon kein Geld an den kubanischen Staat geflossen.
Kubas Außenminister Rodriguez forderte Añez zugleich auf, darüber aufzuklären, dass seit dem erzwungenen Rückzug der kubanischen Ärzte vor zwei Monaten „mehr als 454.440 medizinische Behandlungen“ ausgefallen seien. In dieser Zeit, schrieb er, hätten fast 1.000 Frauen auf Geburtshilfe verzichten müssen, zudem seien 5.000 Operationen und mehr als 2.700 Augen-OPs nicht durchgeführt worden. „Dies sind nicht nur Zahlen, sondern Menschen“, so Rodríguez.
Nach Angaben aus Kuba haben seit der Intensivierung der medizinischen Zusammenarbeit mit Bolivien 5.184 junge Bolivianer auf Kosten Kubas in Havanna ein Medizinstudium absolviert. Auch diese Mediziner stehen im Visier der De-facto-Regierung. Sie hatte unlängst die Entlassung mehrerer Ärzte verfügt, die in Kuba und Venezuela ausgebildet wurden. Die Maßnahme provozierte Kritik in den betroffenen Regionen wie im Departamento Cochabamba.
Der Politiker Aníbal Cruz, der in der Áñez-Führung das Gesundheitsministerium kontrolliert, stellte die Qualifikation von bis zu 5.000 Fachkräften in Abrede, die im Ausland studiert haben und im medizinischen Hilfsprogramm „Meine Gesundheit“ (Mi Salud) arbeiteten. Dieses Programm war 2013 vom gestürzten Präsidenten Evo Morales ins Leben gerufen worden. Nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina haben 311 von 319 Gemeinden von der kostenlosen Gesundheitsversorgung profitiert.
Veröffentlicht am 26.1.2020 auf Portal amerika21.de