Autoren: Marta Andujo, Harald Neuber
Nur wenige Stunden hat der Internationale Währungsfonds (IWF) für seine Entscheidung benötigt, der venezolanischen Regierung Mittel aus seinem Notfallfonds zur Bewältigung der Corona-Krise zu verweigern. Der Präsident des südamerikanischen Landes, Nicolás Maduro, hatte zuvor beim IWF um ein Darlehen in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar gebeten, um die Kapazitäten des Landes gegen die Ausbreitung der Pandemie zu stärken.
Der IWF, der aus Anlass der Corona-Krise eigens Mittel für Entwicklungs- und Schwellenländer eingerichtet hat, könne den Antrag Venezuelas nicht bearbeiten, da dies die Anerkennung der Regierung des Landes „durch die internationale Gemeinschaft“ voraussetze. „Über die Anerkennung gibt es derzeit keine Klarheit“, so eine IWF-Erklärung zu dem Vorgang.
Tatsächlich ist die völkerrechtliche Anerkennung der venezolanischen Regierung keineswegs unklar. Eine größere Anzahl Staaten unter Führung der USA drängen jedoch auf den Sturz der gewählten sozialistischen Regierung und sind in der Lage, im IWF ihr Veto gegen eine Hilfszusage einzulegen. Auch die deutsche Regierung zählt zu den Befürwortern eines Regimewechsels in Venezuela.
Maduro betonte in seinem Schreiben an die Direktorin des IWF, Kristalina Georgiewa, dass „die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie vor kurzem als Pandemie eingestuft und damit einen öffentlichen Gesundheitsnotstand von internationaler Bedeutung erklärt hat, der die vereinigten Anstrengungen aller Länder erfordert“.
Aus diesem Grund wende Venezuela sich an den IWF und erbitte seine Bewertung im Hinblick auf die Möglichkeit, eine Finanzierung aus dem Notfallfonds zu gewähren. Dies wären „Mittel, die erheblich zur Stärkung unserer Systeme der Diagnose und Reaktionsfähigkeit beitragen werden“, so der venezolanische Präsident.
Die IWF-Chefin hatte zuvor öffentlich erklärt, dass ihre multinationale Institution über flexible Notfallkredite „bereits 40 Vereinbarungen – sowohl ausgezahlte als auch vorsorgliche – mit kombinierten Verpflichtungen in Höhe von etwa 200 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hat“. In vielen Fällen könnten diese Vereinbarungen eine Grundlage für die rasche Auszahlung von Krisenfinanzierungen bieten. Sie fügte hinzu: „Etwa 20 weitere Länder haben ebenfalls Interesse gezeigt, und wir werden in den kommenden Tagen mit ihnen beraten.“
Indes warnte der venezolanische Oppositionspolitiker Juan Guaidó, der sich vor über einem Jahr zum „Übergangspräsidenten“ des Landes ausgerufen hat und von den USA und weiteren etwa 50 Regierungen anerkannt wird, den IWF davor, der Regierung seines Landes Hilfe zu gewähren, da „die Bereitstellung von Ressourcen an das Regime die Korruption fördert“. Er arbeite an einem eigenen Notfallfonds und an der Einfuhr von Hilfe. „Wir müssen es vermeiden, dass die Vorräte zur Neige gehen, einige Dinge werden in sieben Tagen im Land ankommen, andere werden später eintreffen“, kündigte der Oppositionspolitiker, der keine Machtbasis im Land vorweisen kann, ohne weitere Angaben an.
Die umgehend erfolgte Ablehnung finanzieller Hilfe für Venezuela durch den IWF sei angesichts der humanitären Krise durch das neuartige Coronavirus ein „Skandal und ein Akt der Unmenschlichkeit“, urteilte in Deutschland die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel: „Selbst in der weltweit größten Krise geht es den USA, die maßgeblich den IWF finanzieren, immer noch um Ideologie und Regime Change, statt den Menschen in Venezuela jetzt konkret zu helfen“, schrieb sie. Im Übrigen seien schon die bereits verhängten Sanktionen laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages völkerrechtswidrig.
Die deutsche Botschaft in Caracas, die sich zur Debatte um einen IWF-Kredit öffentlich nicht verhalten hat, gab Bundesbürgern in Venezuela indes Hinweise zur Ausreise aus dem südamerikanischen Land. Nach Kenntnis der Botschaft sei es derzeit noch möglich, Venezuela mit kommerziellen Fluglinien zu verlassen, heißt es in einer Rundmail. „Nach den der Botschaft vorliegenden Informationen gibt es noch Flüge mit [der staatlichen venezolanischen Fluglinie ]Conviasa nach Havanna. Es wird empfohlen, bereits vor Abreise nach Havanna einen Weiterflug nach Europa zu buchen“, heißt es in der Nachricht. Eine Garantie für die Weiterreise könne man nicht geben.
Brasiliens rechtsradikaler Präsident Jair Bolsonaro ließ derweil „in Anbetracht der Unfähigkeit des diktatorischen venezolanischen Regimes, auf die Covid-19-Epidemie zu reagieren“ die Grenzübergänge zu Venezuela schließen. Dies sei notwendig, „um die Sicherheit und Gesundheit unserer Bevölkerung, insbesondere in der nördlichen Region des Landes zu gewährleisten“. Die Maßnahme sorgte für Kopfschütteln, weil Bolsonaro selbst den neuartigen Coronavirus mehrfach als „Fiktion“ und „Phantasie“ bezeichnet hatte. Obwohl er am kommenden Samstag 65 Jahre alt wird und damit zur Risikogruppe gehört, hatte er diese Woche an Protesten gegen das Parlament und die Justiz teilgenommen, Demonstranten umarmt und sich mit ihnen fotografieren lassen.
Veröffentlicht am 19.3.2020 auf Portal amerika21.de