Bundeswehr: Per Corona auf RekrutInnenfang

Autor: Markus Pflüger

Der Triersche Volksfreund (TV) berichtet in seiner Ausgabe vom 4. Mai 2020 darüber, wie die Bundeswehr die Corona-Krise aktuell nutzt, um auf RekrutInnenfang zu gehen. Beschrieben wird eine Kampagne, deren Idee im März entstanden sei und die offensichtlich auch in anderen Städten durchexerziert wurde: Gemeint ist, dass Jugendliche, die in Kürze das 18. Lebensjahr erreichen, laut TV mit personalisierten Postkarten angeschrieben worden seien. An die Adressen sei die Bundeswehr (einmal mehr) über die Einwohnermeldeämter gekommen, insgesamt wären dabei 680.000 Postkarten verschickt worden, die Kampagne habe Kosten in Höhe von 257.325 Euro verursacht.

Die überaus problematische Nutzung der Einwohnermeldeamt-Daten für Bundeswehr-Werbezwecke hat schon schlechte Tradition. Was den konkreten Inhalt der Postkarten anbelangt, zeigt der TV-Artikel, wie in diesem Zusammenhang aktuell nun die Corona-Krise durch die Bundeswehr instrumentalisiert wird:

„Bei der neuesten Kampagne nutzt die Bundeswehr die Verunsicherung über Corona, um Nachwuchs zu werben. ‚Wir kämpfen gegen Corona‘ steht auf einer Postkarte, die derzeit etliche Jungen und Mädchen in der Region erhalten, die im kommenden Jahr 18 Jahre alt werden. Auf der Vorderseite ist im Stil des Namensschildes auf dem Kampfanzug der Nachname des Minderjährigen aufgedruckt. Auf der Rückseite heißt es: ‚Wir kämpfen gegen Corona.‘ Darunter wird der Jugendliche kumpelhaft mit ‚Hi‘ und seinem Vornamen angesprochen. Weiter heißt es: ‚Gerade in dieser schwierigen Zeit unterstützt die Bundeswehr mit ihren Frauen und Männern in Uniform und in Zivil die deutsche Bevölkerung mit allen Kräften.‘“

Gut, dass Medien teilweise kritisch über den Werbefeldzug der Bundeswehr berichten. Neben den fragwürdigen Werbe-Postkarten nerven ja schon seit Wochen die Plakatwände an vielen Stellen (nicht nur) in Trier. Es wird ausgenutzt, dass Jugendlichen in Coronazeiten verstärkt Perspektiven fehlen, was einer Mischung aus Armutsrekrutierung und Täuschung gleichkommt. „Die schwierige – ja teilweise sogar lebensbedrohliche – Situation vieler Menschen wird ausgenutzt, um sich mit Steuergeldern ein besseres Image zu erkaufen“, kritisiert die DFG-VK zu Recht.

Schade, dass im TV-Artikel nicht erwähnt wird, dass die Bundeswehr sich mit Ihrer „Amtshilfe“ am Rande des Verfassungsbruchs bewegt – Bundeswehreinsätze im Inneren sind als Lehre aus der Geschichte verboten. Und was sie als Amtshilfe leistet zeigt nur, dass zivile Organisationen, die eigentlich für Katastrophenschutz und Gesundheitswesen da sind, seit Jahren im Vergleich zur teuren Bundeswehr unterfinanziert sind. Im TV-Artikel fehlen zudem die eigentlichen Ziele der Bundeswehr: Aufrechterhaltung des freien Welthandels, Zugang zu Rohstoffen und Märkten… – Wirtschaftsinteressen eben (vgl. Weißbuch/Verteidigungspolitische Richtlinien). Katastrophenschutz und Corona-Amtshilfe sind v.a. werbewirksame Imageeinsätze am Rande des Grundgesetzes.

Übrigens: Widerspruch gegen diese Militär-Werbung zur Rekrutierung auch Minderjähriger ist möglich. Die Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF) hatte das vor Jahren in Trier erfolgreich angemahnt, seitdem gibt es (leider ziemlich versteckt auf Trier.de) eine Widerspruchsmöglichkeit, um solche Post nicht zu bekommen. Auch die DFG-VK weist schon seit Jahren unter dem Titel ”Meine Daten sind nichts für die Bundeswehr!“ auf die Widerspruchsmöglichkeit hin und fordert ein Ende der Rekrutierung Minderjähriger (https://unter18nie.de/).

Es ist ein Bundesgesetz, das die Einwohnermeldeämter zur Herausgabe der Daten der 17jährigen verpflichtet – ein Relikt der ausgesetzten Wehrpflicht. An jedem ‚red hand day‘ wird auch die Bundeswehr kritisiert, weil sie 17jährige in die Armee aufnimmt, was gegen den Geist der UN-Kinderrechtskonvention verstößt (vgl. Deutsche Bündnis Kindersoldaten: http://www.kindersoldaten.info).

Der Werbefeldzug offenbart, dass kaum junge Leute Lust auf Befehl und Gehorsam, eingeschränkte Grundrechte und fragwürdige Kriegseinsätze haben. Auch rechtsextreme „Kameraden“ und sexuelle Übergriffe v.a. gegen Frauen machen das Militär nicht attraktiver, deren Bundeswehreinsätze von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden. Jetzt wäre der Moment abzurüsten und das Geld sinnvoller zu verwenden.

Veröffentlicht am 4.5.2020 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)